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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1931)
DOI Artikel:
Rupé, Hans: Hans Burgkmair: 1473-1531
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0029

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theokratische Republik sei. Er weist darauf hin, daß, scharf genommen, das
Talent, nicht das Genie, InßinkL habe, d. h. einseitigen Strom aller
KräsLe. In Dürer vermischen und scheiden sich die KräsLe, die EinsichL
scheinL ofL der schasfenden PhanLasie zn widersprechen und ihm den ZwiespalL
zwischen Gegensiand und Darsiellung sasi Lragisch schmerzlich fühlbar zu
machen, wogegen Burgkmairs leichL empsangende, insiinkLiv spürende und
nachschassende PhanLasie diesen ZwiespalL gar nichL kennen kann, sondern
ihm die WirklichkeiL zugleich zum GegensLande und zum Werkzeuge der Dar-
sLellnng werden läßk. Ein ungemein seiner, subLiler Sinn sür Technik lmd
SLrnkLur, ein reizbares Gefühl für das SLofslich-Sinnliche, ein ange-
borenes Organ sür PonderaLion und harmonische Gliederung besähigten ihn,
ein jLalienisches Bild anders anzusehen, anderes von ihm zn lernen als seine
Zeikgenossen. Die SinnsälligkeiL, der schöne Schein, die weiche Gebärde und
die blnmig-Lonige GebundenheiL der venezianischen Farben, das 8knrnato der
Leonardoschnle, die weich verdämmernde LandschasL: alles wurde ihm un-
miLLelbar in der Erscheinung als bildnerisches ElemenL, als zusließender
Quell, als naLürliche Sprache, die er sprechen lernLe, ohne ihre SynLar
versLehen zu brauchen.

Er malLe, weil er schauLe, weil er im Schauen erlebLe, miL dem 2luge als
zärLlich bereiLem Organe die Formen in ihrer GemeinschasL, die Gebärden in
ihrer VerbundenheiL, die Farben in ihrem Lonigen Zusammenklang erfühlend;
er sah die NnLur nichL anders als ein Bild, als ZusLand, nichL als Schauplatz
von KräsLen, wie Dürer oder der junge Cranach, geschweige denn als Gegen-
wurs einer höheren, immer drohenden Lranszendenken Sphäre wie Grünewald.
Er war kein RomanLiker wie AlLdorfer, der Formen und Farben beseelLe und
als AusdrucksLräger eines inneren GesichLs LransponierLe.

Dafür wnrde ihm aber die Farbe als SLofs lebendig, er war der ersLe
DeuLsche, der den Sinn und die OualiLäL des venezianischen KoloriLs wirk-
lich versLand und seine Erfahrung von der ränmlichen Tiefenwirkung der
Farben naLürlich ausdrücken konnLe. In diesem Sinne isL die fasL lebensgroße
Madonna des Germanischen Museums aus dem Iahre 150g ein malerisches
Wunderwerk auf deuLschem Boden, wohl eine Übersetzung, aber wie frei und
anmuLig in der Diktion, wie vornehm und großarLig unbefangen in der 2lus-
führung! Die Farben in einem Goldschmelz verbunden, Lief und sonor in
einem herrlichen Dreiklang von Blaugrün, KarminroL und Goldbraun auf-
rauschend, bis ins lichLe irisierende Smaragdgrün nnd ins Elsenbeinfarbene
verschwebend. Dazu der RhyLhmus der weich auswachsenden, zarL an- und
abschwellenden KonLuren der sitzenden Madonna, die das sLehende Kind
glockenhafL einbeLLen und sanfL umfangen. Keine harLe Linie, keine sLoßende
BerLikale. Die hohe Rücklehne der Thronbank, die von einem reichornamen-
LierLen venezianischen Rundbogen bekrönL isL, wird von wilden Rosenranken
gerahmL und umsyielL, nnd rechLs LrägL die HügellandschasL miL Bnrg und
Zinnen, miL Bäumen und samLigen Kuyyen, klar aufsLeigend, den RhyLhmus
der BerbundenheiL von MuLLer und Kind weiLer in die verdämmernde Ferne
bis zum feierlichen Abschluß der dnnkeln Himmelskuyyel.

Wohl sind die wesenLlichen BildelemenLe spürbar iLalienisch: das Motiv des
zu Füßen der Madonna sLehenden Kindes, die venezianische ArchiLekLur des

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