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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1931)
DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Das Geheimnis des Schlafs
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0065

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perempfmdungen, von der die Rede war, hat übrigens eine bezeichnende EnL-
sprechung in den Erlebnissen alkaloidischer Rauschzuslände, z. B. des Mes-
kalinrausches. Auch bei diesen ist die obere, die geistige Zone weiLgehend ab-
geränmL, und sosorL miL dieser Abdämpsung der KonLrolle beginnen sich
„MachLgesühle" zu enLwickeln. Eine Versuchsperson beobachLeLe im Mes-
kalinrausch Folgendes darüber: „Das MachLgefühl wurde durch Versiär-
kung des Gesühls vom eigenen Körper unLerstüHL. Jch möchLe sagen, es war
ein Erleben der PlasiiziLäL. Seinen Ursprung nahm es aus der sehr stark
empsundenen Berührnng der ExLremiLäLen und des Rumpses miL der UnLer-
lage. Diese SLeigernng der Berührungsempfindung ließ die Glieder als
besonders schwer erscheinen, und die Schwere wurde in BedeuLung überiragen
und zum Ich in Beziehung gesetzL." Auch Geisieskranke berichLen von 2lus-
wucherungen der Körperempfindungen (dicker Kopf, dicke Beine), und es
scheinL mir möglich, diese Dinge in den gegenwärLigen Zusammenhang zu
ziehen, unLer FesihalLung des wesenLlichen PunkLes, daß diese Erscheinungen
anch hier miL einer Abdämpsnng der bewußLen Überwachung einhergehen.
Wenn die KaHe aus dem Haus isi, Lanzen die Mäuse auf dem Tisch. Wenn
der „Geisi" die Augen schließL, sangen die Zellen — oder wie man sonst

dieses Bolk der IlnLerworfenen nennen mag — erß ein volles Leben an.

Auch Bernseld und FeiLelberg sprechen den Zellen während des Schlass
einen besonders lebhasLen SLoffwechsel zu und erblickeu in diesem die Ur-
sache der im Schlas erfolgenden KrafLvermehrung.

Aber zu dem Bilde von der KaHe und deu Mäusen muß noch eLwas gesagL
werden. In WirklichkeiL kann es doch wohl nichL so sein, daß „die KaHe

aus dem Haus gehL", wenn der Geisi in Schlaf unLeriauchL. Der Geisi

gehL nichL „aus dem Haus", wenn Schlas einLriLL, er änderL nur seinen
„AggregaLzusiand". Im Wachen isi „Geisi" eine herausorganisierLe Befehl-
sielle; im Schlaf fließL er ins Ganze der PersönlichkeiL wieder aus. Er gehL
nichL aus dem Haus, sondern er wird gleichsam wieder löslich in der Ge-
samLmasse von Leben, das im Menschen isi und aus dem er sich im Wachen
herauskrisiallisierL haLLe. VielleichL muß man von da aus denken, daß die
Zellen im Schlas nur deshalb zu der erhöhLen ArbeiLsleisiung fähig sind,
weil ihnen die GeisikräfLe, die aus ihnen in Form des BewußLseins am Tag
herausgezogen waren, nun wieder zugeslossen sind — eLwa so, wie in einem
Bolk, das eine kosispielige HoshalLnng ernähren mußLe, miL Aufhebung dieser
BerpslichLung znnächsi mehr MiLLel und KräfLe für den Einzelnen bleiben.
Im schlafenden Menschen würden sich also die KräsLe durch jene Rückkehr
des abgespalLenen Geisies in einer urdemokraLischen Weise neu verLeilen nnd
so jenes gesieigerLe Leben im einzelnen SiaaLsbürger (Zelle) herbeiführen.
Beim Erwachen LriLL wieder die monarchische Bersassung in KrafL, die scharfe
Gliederung, die sich dann Lagsüber immer besiimmLer ausbauL und wieder
zu der schizoiden AbendsiLuaLion führL. Um in dem poliLischen Bild zu
bleiben: die Mendgefahr jedes Menschen haL in der TaL Beziehung zur
Grundgesahr jeder Monarchie, nämlich daß sie deu lebendigen Zusammenhang
miL dem „Bolke" verlierL und sich zu sehr als Selbsizweck ausbauL — also
einen Weg nimmL, der im Sinne der EnLropie und der Ehrenbergschen SLruk-
Lurüberladnng oder SLrnkturversieisung isi. Der Schlas isi dann die un-
 
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