Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1931)
DOI Artikel:
Frankreich in Indochina, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0157

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
tvl'cklung l'st in vollem Gang, und Durtain versichert, daß Asien zwischen mystisch-
philosophischer Eigenkultur und europäischem Technizismus und rationeller Wissen-
schaft bereits gewählt h a t.

Auch Frankreich wird schließlich dieser Entwicklung nicht widerstehen können. Seine
Methode, die es aus alle großen Idoen anwendet: „^smmer davon reden, nie daran
denken", wird ihm aus die Dauer nicht helsen. Wenn es jeht versucht, in schdochina,
wie auch anderwärts, alles zu widerrufen, was nicht Ordnung und Ruhe zum eiw
zigen Ziele hat, wenn ein ssnterpret wie Danlande die Feststellung eines annamiti-
schen Flugblattes, daß die Krast der Jdee größer ist als die materielle Macht und
daß der gefesselte Mensch, wenn er es fest will, immer dazu gelangte, sich zu be-
sreien -— dies als Rodomontade verhöhnt: so,wird Frankreich so wenig wie je ein
anderes Volk die Wirkung der Jdeen wie einen Fiaker da anzuhalten vermögen,
wo es ihm paßt.

Doch ist naturlich ohne weiteres zuzugeben, daß sur den Augenblick und für die zu-
nächst absehbare Zeit die engstirnigen materiellen Berechnungen Frankreichs wie in
Europa so auch in den Kolonien das Feld behalten werden. Seine Macht in Indo-
china ist intakt, und solange ihm Deutschland sür lausende Aussüllung der Fremden-
legion gut ist, ist an einen bewassneten Aufstand der Indochinesen nicht zu denk-en.
(Im schlimmsten Falle würde sich das sranzösische Bolk zweisellos auch zu einem
Kolonialkrieg aus eigene Kosten entschließen.) Eine Besreiung von außen her könnte
nur durch China kommen. China hat aber mit sich selber genug zu tun, dafür sorgen
schon die daran interessierten Mächte, wozu auch Frankreich gehört. Wenn es auch,
in Jndochina mit genug Problemen bepackt, auf den srüheren Gedanken einer An-
gliederung der chinesischen Provinz Aün-Nan verzichtet hat, so betrachtet es diese doch
als seine Einflußsphäre und wird es auf absehbare Zeit zu verhindern wissen, daß
hier die Zentralregierung zu mächtig wird. ()m übrigen sind der Grenze entlang be-
deutende Festungswerke geschassen worden, und wenn eS trohdem je zu einem Krieg
käme, so denkt Frankreich durch die Seeherrschast und eine eventuelle Beseßung
der großen Jnsel Hainan jeden Druck ausüben zu können. Bon Amerika, Japan
oder England, die man srüher nacheinander einmal sür Jndochina fürchtete, ist zur-
zeit nichts zu besorgen.

Wenn sich die Eingeöorenen daher auch völlig klar darüber sind, daß für sie in

greifbaren Zeiträumen nichts zu erhossen ist, so sind sie trotzdem für die kindlichen

Bersuche Frankreichs, ihnen das bestehende Machtverhältnis mundgerecht zu machen,
wenig gelehrig. Auf das immer wiederholte Argument Frankreichs: wenn wir Jndo-
china räumten, so würden sich alle anderen Großmächte daraus stürzen — antworten

die Jndochinesen: keineswegs — sondern wir würden genau wie Siam durch die

Eisersucht der Großmächte Unabhängigkeit genießen können. Hierauf pslegen die
Franzosen zu entgegnen: Aber ihr würdet nicht alleine mit der Berwaltung eures
Landes sertig werden. Darauf antworten die ^sndochinesen, indem sie wiederum auf
Siam verweisen, das, obschon von einem eher weniger begabten Bolke bewohnt,
sich durchaus besriedigend selbst verwaltet und sogar dem Bölkerbund angehört.
Hätten wir aber wirklich europäische Hilse nötig, sahren sie sort, so würden wir
einsach neutrale Beamte, Ingenieure, Ärzte, Lehrer ins Land holen, die sich nicht
zweimal bitten lassen würden. Allein, so versucht es der Franzose noch einmal:
Kaum besreit, würdet ihr euch gegenseitig unterwerfen und unterdrücken. Nur keine
Sorge, lautet die Antwort, die Demokratie wird bei uns so gut oder so schlecht funk-
tionieren wie bei euch. Außerdem ist man schlimmstensalls immer noch lieber von
seinesgleichen bedrückt als von Fremden. Und überhaupt bitten wir euch, macht euch
in eurem selbstlosen Herzen nicht die geringste Sorge um unser weiteres Ergehen,
sondern schert euch einfach auS dem Lande hinaus, und wir werden dann selber für
unser Glück oder Unglück aufkommen.

125
 
Annotationen