Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1931)
DOI Artikel:
Umschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0249

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
schaftöarbeit, kurz vor seinem Tode den
Weg GauguinS aus der Zlvilisation nach
Tahiti zog, roar es ihm nicht vergönnt,
die Unschuld der Sudsee, die er suchte,
dem Filme ganz zu gewinnen. Den La-
dies über dem großen Wasser zuliebe muß-
ten sich die Mädchen der glücklichen Jnsel
zu einer sorgsältigeren Bekleidung ver-
stehen und zur Kunst, Gefühle dezent und
falsch auf Briefpavier zu bringen. Ganz
aber unterroarfen sich Murnau und sein
Ensemble auS Kindern der Natur gleich-
wohl nicht dem fremden Gesetz; es ist
sehr viel EdleS und Liebliches in dem
Film „Tabu": beglückende Aufnahmen
des Lebens in den Wasserfällen und im
lauen Meer; fein und unaufdringlich wer-
den die Kontraste zwischen den Festen
einer ursprünglichen Kultur und den Ex-
zessen der Mischlingszivilisation gegeben;
inSbesondere auch das unlrgpp^ eucl ist
Zeugnis einer reinen Gesinnung und nicht
ohne tragische Nebenbedeutung: der Lie-
bende erreicht die Geliebte nicht; Seun
eine stärkere Macht zerschneidet daS
Schisfstau, an dem er sich zu ihr ziehen
will, und er versinkt in den Wellen. Der
Negisseur Murnau starb, ohne für den
Traum seiner Sehnsucht die nahe Erfül-
lung zu finden.

Epik

Einen sehr ernsthaften Versuch, gute Li-
teratur für den Film zu gewinnen, stellt
die Verfilmung von DöblinS Roman
„Berlin Alexanderplatz" durch
Phil Jutzi (den Regisseur von „Mutter
Krauses Fahrt inS Glück") dar. Der
erste Eindruck der mit Schlagern be-
ziehungsvoll grundierten Trambahnfahrt
in die Großstadt, der Menschenmasse, die
zwischen Neubau und Abbruch ruhelos
sich hindurchschiebt, ist ein faszinierender;
auch Heinrich Georges vom Leben übel
zugerichteter, aber in seiner Bärenkraft
gleichwohl unverwüstlicher Biberkopf er-
weckt eine menschlich unmittelbare Sym-
pathie, der man sich nicht entziehen kann.
Nur die Bedeutsamkeit der Figur will
nicht ebenso wie im Romane klar wer-
den. Und zwar gerade darum nicht, weil
der Held und der Kriminalfall, in den
er verwickelt ist, im Filme ganz anders
das Übergewicht besitzen. Es wäre aber
nötig gewesen, sich zu entscheiden, ob man
einen Starfilm mit „Publikumsfabel"
oder einen sozialen Film drehen wollte;
hat die Regie ein klares Ziel, können

208

„Bombenkerle" ihm nur nützrnr — daS
hat das russische Beispiel erwiesen. —-
Ganz ähnlich liegt der Fall bei dem in
Amerika mit George gedrehten Filme
„M enschen hinterGitter n". Die
kluge, vornehme Gesinnung und die psy-
chologische Gestaltungsfähigkeit, mit der
Paul Fejos das Sträflingsproblem an-
packt, sind — insbesondere für einen ame-
rikanischen Film — erstaunlich und ach-
tunggebietend. Nur drängt sich die pri-
vate Episode und die turbulente Span-
nung immer noch viel zu sehr vor, da
sie nun einmal als unentbehrlich gelten.
Ein Aufstand wird nach allen Regeln der
modernsten Kriegs- und Kinokunst insze-
niert, weil die Gefängniswerkstatt ge-
schlossen wurde. Warum sie aber zum
Bedauern des verständigen DirektorS ge-
schlossen wurde, darüber wird kein Wort
verlautbart; eS wäre aber gerade wissenS-
wert.

L u st s p i e l e

Jm Lustspiel vollends spielt der deutsche
Star die Jdee — an die Wand, kann
man von einem Film eigentlich nicht sa-
gen. Auf der Bühne sind PallenbergS
Improvisationen ebenso der Schrecken
aller Mitspielenden wie das Entzücken
deS PublikumS. Jn die ein für allemal
festgelegte Bilderfolge jedoch geht ihr
Reiz nur unvollkommen ein; als ein Ab-
glanz, der zwar auch noch sehr amüsant
ist, aber doch nicht mehr amüsant genug,
um es ganz rechtfertigen zu können, daß
ein gut gesehener Typ in einer hübschen
Fabel, wie der Oberkassier Bichler in
Alfred Polgars „B ravemSünde r",
skurril zerspielt wird. Daß FritzKortner
die Regie führt und dabei vor lauter
netten und manch überraschenden Spiel-
und Montageeinfällen das Ganze ähn-
lich wie der Hauptdarsteller aus dem
Auge verliert, erhöht gleichsalls mehr
den privaten Reiz des Films als den Neiz
der Sache. — Man vergleiche einmal
mit diesem deutschen den lustigen franzö-
sischen Film „D er König der Nas-
fauer", der im Detail nicht annähernd
so reich ist, dafür aber eine Gesamtatmo-
fphäre besitzt, die in hinreißenden Mas-
fenaufnahmen ebenso wie im Hauptdar-
steller Gestalt gewinnt. Wirtschaftlich
und künstlerisch ist der Star für das deut-
sche Theater und den deutschen Film seit
langem daS große, soziologisch ziemlich
tief liegende Problem. Wenn aber der
 
Annotationen