Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 4 (Januar 1932)
DOI Artikel:
Mechow, Karl Benno von: Sorgenfrei
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0278

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nachbarn ließen ihn als einen Fremden und BesiHlosen in der kälteslen Ecke
liegen. Da lag er, ein anderer wäre ausgesianden und häiie gelachk. Er
lachte nicht, er liLL Ärger und Pein, miL jedem Iahre mehr. Wer weiß,
wie lange er so, in seiner Weise, geliLLen, — da sand er seine Frau... Bar-
Lels, wir Lraben an!"

Iawohl, sie LrabLen an. Dahin ging es, über Löcher in der SLraße und
Lrübes Gerinne, nichL eben miL Heidi und Heida. Es ging dahin die lbkoL-
wendigkeiL der gegenwärtigen Stunde über sernere Idot, über Fragen nnd
Zweisel und sorgende Liebe. Über das, was eine Stunde nur, oder zwei, ab-
seits von der Straße dem snrchtbaren Leben verfällt. Es reitet so die PslichL,
und das Wasser aus den PsüHen springL den Pserden nnter den Bauch.

Von der SeiLe jedoch her fliegt manch Zagender Gedanke, mißachtet die
PslichL, sucht den Menschen nnd LriLL ihm nah:

„Diese Frau, o, welch ein blühendes Wunder!

Sie geht nicht mit WorLen um, sie kämgft nicht mit liebendem Zorn an
der SeiLe ihres Mannes, ihre Liebe iß nie Zorn.

Sie isi nichL Meisier des LakLischen Gesprächs, sie eifert nichk, sie sucht nie
und nimmer, den Mann zu bereden, ihn mr'L logischer Folgerung zu über-
wältigen. Sie spricht nie sehr viel.

Sie isi da, nnd sie blühi, und ringsum blüht alles um sie aus.

Es geht kein Mensch, und wäre es der schwärzesie Lnmgenhund, an ihrem
GarLen vorüber, er sagte nichL GnLen Tag!

Sie kommL nichL herein zu dem verdrießlichen Mann und sgricht: Ia, dn
mein Armer, — ja, du hasi rechi, du mein Schäflein in der argen dunklen
WelL. Und man müßte den Iakob vom Felde jagen, und man müßte Herrn
von Frederiks einen ganz groben Bries schreiben, weil er so anmaßend ge-
wesen. — Nein, das sagL sie niemals.

Was LuL sie aber sonsi, sie spricht nicht, sie unterläßL dieses und jenes,
ja, was isi denn nun ihr Handeln? Wie könnte man es einem Fremden
beschreiben? Es greist sich nicht aus, es siellt sich nicht dar...

Sie isi da. Sie bringt Blumen und siellt sie aus den Tisch. Wenn sie sprichk,
sind es kleine Dinge, EinsälLigkeiLen gar für den Lagwachen Bersiand, leis
sliegende WorLe; wer Laub isi im Herzen, höri sie nichL.

Sie isi da. Sie erzähli, nichts vom Nachbarn, kein singerzeigendes Ge-
munkel über diesen und jenen, nein, von ihrem Hund erzählL sie. Oder
auch von Loni, ihrer Lieblingshenne. Kein Tier isi sür sie ohne eigenes Leben,
selbsi nichL das allerdümmsie Huhn. Das Huhn, diese Loni! Wer häLLe
von ihr gedachL, daß sie ihr ureigenes Wesen hat! Loni kommt, wenn die
Frau sie zum FüLLern lockL, von allen Hühnern stets als die ersie. Sie
kommt miL RiesenschriLLen gelausen, die Flügel schleppen fasi aus der Erde,
und erhäli sie nichL ihr Häuslein Körner abseits von den anderen, diese Loni,
so gehi sie enLrüsieL in eine Ecke.

So erzählt die Frau. RkichL um sich groß zu Lun miL der Gabe ihrer Be-
obachtung, miL dem Wohlklang ihres Erzählens. Sie weiß davon nichts, sie
isi unschnldig wie eine Blume, sie isi nur sehr reich und ganz ersülli vom
Leben. Mag das Leben auch immer wohnen, wo es will, zum Beispiel im
etwas lächerlichen Körper eines Huhnes.

234
 
Annotationen