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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 4 (Januar 1932)
DOI Artikel:
Briccius, W. A.: Auf dem Weg zur Planwirtschaft?
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0306

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wenn man sich vergegenwärtigt, welches Sammelfurium von neuen Ausdrücken in
dieser Spezialfrage dem Laien von heute auf morgen zugemutet wird. Wirtfchafts-
planung, Planwirtfchaft, Planungswirtfchaft, Richtwirtfchaft, Zielwirtschaft, Staats-
wirtfchaft, Kollektivwirtfchaft, Jndividualplanwirtfchaft, Jndividual-Nationalwirt-
fchaft, Weltplanwirtschaft, das ift eine kleine Mufterkarte der Planmöglichkeiten.

Daß in der kapitalistischen Wirtfchaft nicht fchlechthin planloS gearbeitet wird, wie
man diesem „anarchischen" Syftem so gerne vorwirft, bedarf eigentlich keines
besonderen BeweiseS, denn das ganze kapitaliftische Syftem beruht ja darauf,
daß jeder Einzelne für sich nach dem Rationalprinzip einen Plan auf-
ftellt, entweder einen Erwerbswirtfchafts- oder einen Verbrauchswirtfchaftsplan.
Daß jedoch aus dieser Summe oder dem Jneinandergreifen der Einzelwirtschaften
mit ihren unzähligen Einzelplänen noch kein Volkswirtschaftsplan ent-
fteht, ift kein Mangel des Syftems an sich, da man ja über die Preisautomatik
zum Ziele der kapitaliftischen Wirtschaftöordnung, nämlich der beftmöglichen Güter-
versorgung gelangt. Hält man also feft, daß diese optimale Güterversorgung ein
Ergebnis der Einzelpläne des kapitalistischen Systems ist, das uns als Ziel
erfcheint, weil es sich zufällig mit unseren Wünschen decken mag, so wird sie eben
dadurch erreicht, daß jeder für sich seinen Jndividualwirtschaftsplan aufftellt.
Jedoch fcheinen dagegen zwei Einwände zu machen zu sein. Diese Überlegung
trifft nämlich nur zu, wenn wir eine Volkswirtschaft annehmen, die das völlig
freie Spiel der Kräfte zur VorausseHung hat, also durchaus nicht eine „Volks"p
Wirtschaft im Sinne einer N a t i o n a l w i r t s ch a f t ist, sondern die über alle
ßaatlichen Grenzen hinaus sich frei auswirken kann im Sinne eirier internationalen
Wirtschaft. Daß dies heute nicht zutrifft und daß in der Zeit der stärksten
Autarkie-Bewegung und des Zollkrieges für die nächste Zeit eine solch freie Wirt-
schaft auch auS entscheidenden politischen Gründen ernsthaft nicht in Betracht
kommt, wird auch der eifrigste Verfechter deS Liberalismus zugeben müssen. Der
zweite Einwand geht dahin, daß die optimale Versorgung mit Gütern für den
Einzelnen als Ziel für eine Volksgemeinschaft nicht unbedingt gegeben
fein muß. Eine Reihe von kollektiven Bedürfnissen hat sogar eine extrem libe-
raliftische Staats- und Wirtschaftsform zu befriedigen. Damit ergibt sich aber be-
reits eine Verschiebung der Zielsetzung von dem automatisch erreichten Ziele der
freien Wirtschaft. Mit anderen Worten: jede Volkswirtschaft, die zu einer
Staats- oder Nationalwirtschaft wird, ftellt bereits, auch wenn sie im libera-
listischen Sinne sich auswirkt, eine Abweichung des Latsächlichen Wirtschafts-
syftems von der ideal-typischen freien Wirtschaft dar. Die Befriedigung des Kol-
lektivbedarfes kann nun aber nur auf Kosten der Befriedigung des EinzelbedarfeS
gehen. ^e nach dem Umfang, in dem eine Nationalwirtschaft kollektiven Be-
dürfnissen Raum gewährt, ändert sich die Zielsetzung der Gesamtwirtschaft. Die
Mittel, die zur Erreichung dieses Zieles einzusetzen sind, ändern sich daher ent-
sprechend. Die Zielsetzung einer Nationalwirtschaft ift also im allerweiteften Sinne
bereits nach einem Plan auszurichten, der nicht mehr aus dem Jneinandergreifen
von Einzelplänen entftehen kann, sondern von einer übergeordneten Jnstanz auf-
zuftellen ist.

Findet diefe Zielfetzung durch den Staat in einem verhältnismäßig geringen Umfang
statt, so spricht man in der liberalistischen Terminologie gerne von „Eingriffen"
des Staates. Wir haben aber bereits gesehen, daß keine Nationalwirtschaft ohne
irgendeinen wirtschaftlichen Eingriff des Staates existieren kann, da kein hoch-
entwickeltes Gemeinwesen auf Kollektlvbedürfnisse verzichten kann. Man wendet
nun gerne ein, daß es sich nur um das Maß dieser Eingriffe handeln kann, wenn
man vom Übergang zur Sozialisierung oder wenigstens von Tendenzen eines
SozialisierungsplanS sprechen will. Doch auch dieser Einwand scheinr nicht stich-

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