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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 4 (Januar 1932)
DOI Artikel:
Briccius, W. A.: Auf dem Weg zur Planwirtschaft?
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0307

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haltig zu sein, denn nur eine grundsätzliche Änderung in der Zielsetzung kann auch
eine Änderung des Wirtschaftsgefüges zur Folge haben.

Solange wir uns also auf dem Boden einer staatlichen Regelung deö Kollektiv-
bedarfes auf Kosten deS Jndividualbedarfes befinden, sind wir wohl berechtigt,
von einer nach einem Plan geleiteten Wirtschaft zu sprechen, jedoch bleibt dabei
entscheidend, daß die Funktion des Preises grundsätzlich nicht ausgeschaltet wird.
Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß die jetzigen Eingriffe in den Preismechanis-
mus, also das Herabsetzen von Löhnen und Gehältern, die Senkung der Zinsen,
die Senkung der gebundenen und der freien Preise nicht aufzufassen sind als eine
Regelung oder Ausschaltung des Preismechanismus, sondern diese Maßnahme
hat dazu gedient, die Preise, die durch starke Bindungen sich von den tatsächlichen
Marktpreisen einer freien Wirtschaft weit entfernt haben, auf dieses Niveau zurück-
zuführen. Daß bei der Feinheit öes Prelsgefüges durch einen so brutalen Ein-
grisf selbstverskändlich keine Jdeallösung erreicht werden kann, wird nicht bestritten.
Doch soll m'cht vergessen sein, daß eö ja gerade die Vertreter der freien Wirtschaft
waren, die eine Aufhebung oder eine elastische Gestaltung der Lohntarifverträge
gefordert haben, denn der Angriff gegen die „politischen und Tariflöhne" war
zweifelsohne von dieser Seite aus gerechtfertigt. Es ist jedoch nur die logische
Konsequenz dieser Forderung, bei den politi'schen Löhnen nicht Halt zu machen,
sondern diese Senkung auch auözudehnen auf die politischen und tariflichen Preise
und insbesondere auf die politischen und tariflichen Zinsen. Wie die Notver-
ordnung selbsk hervorhebt, sind diese Maßnahmen nur so lange gedacht, als sie dazu
dienen, den freien Preismechanismus wieder zum Funktionieren zu bringen. Auch
von den Vertretern der liberalistischen Schule wird heute zugegeben, daß die
jetzige Krisis aus sich heraus nicht mehr die Energien entwickeln könnte, die not-
wendig wären, um zu einem Konjunkturaufschwung zu führen. Die Eingrisfe durch
die Notverordnung sind also wohl in erster Linie nicht als Übergang zu einer
sozialistischen Planwirtschaft zu verstehen, sondern sie sind als Notverordnungen
eben Notmaßnahmen in einer Wirtschaft, die weit von einer Konkurrenzwirtschaft
entfernt ist und im wahrsien Sinne eine Kriegswirtschaft darstellt. Daß außer-
gewöhnliche Verhältnisse auch außergewöhnliche Mittel erfordern, ist ein Satz,
den wir aus der Kriegszeit her noch in Erinnerung haben.

Wenn wir also unter der gegebenen politischen und wirtschaftlichen Lage die Not-
wendigkeit eines starken Staatseingriffes anerkennen müssen und wenn wir gleich-
zeitig zu erkennen glauben, daß darin nicht schlechthin ein Übergang zu einer
sozialistischen Planwirtschaft zu sehen ist, so bleibt die entscheidende Frage, wie
innerhalb dieser stark gebundenen Wirtschaftsform die Unternehmerinitiative er-
halten bzw. geweckt werden kann: denn bei dem derzeitigen Wirtschaftspessimismus
der Unternehmer wird eine Geschäftsfreudigkeit wohl erst wieder zu erwarten sein,
wenn Gewinnmöglichkeiten im kapitalistischen Sinne entstehen werden. Es öreht
sich also darum, die Nentabilität des Einzelunternehmens zu gewährleisten und zu
steigern. Die Verbindung dieser staatlich geleiteten Wirtschaft mit der freien Unter-
nehmertätigkeit bleibt das Problem der nächsten Zeit. Diese Synthese er-
scheint im großen Zuge nur dadurch möglich, daß daöjenige,
was nationalwirtschaftlich nötig ist, privatwirtschaftlich
rentabel gestaltet wird. All diese Maßnahmen des Staates erfolgen natur-
gemäß nach einem Plan zu dem Zwecke, die Wirtschaft zu regulieren. Zur begrisf-
lichen Klarheit mag es daher zweckmäßig sein, für diese Art der wirtschaftlichen
Staatstätigkeit nicht schlechthin von einer Planwirtschaft, sondern von einer regu-
lierten Wirtschaft zu sprechen.

Scharf dagegen abzugrenzen ist jedoch die V o l l p l a n w i r L s ch a f t, die auch als
sozialistische Planwirtschaft gekennzeichnet wird. Der entscheidende Schcitt zu dieser
 
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