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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1932)
DOI Artikel:
Briccius, W. A.: Wege aus der Krisis
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0373

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Jena, erschienen ist, hervor. Wir sind skeptisch bei Ersolgen, die sich in Zcchlen
der Leser ausdrücken lassen. Doch ein bestechender Stil, leichte Leöbarkeit und
Verständlichkeit sichern von vorneherein den Absatz. Dazu kommt, daß einem die
scharfe Kritik von Mißständen aus dem Herzen geschrieben ist und daß man schon
nach den ersten Seiten gefühlsmäßig gefangen und befangen ist. Das Buch wendet
sich ja viel mehr an daS Gefühl als an den Verstand. Dazu kommt die Mischung
vou Programmpunkten fast jeder Partei. Man verstehe uns nicht falsch, das soll
von vorneherein kein Nachteil sein. Jn unserer gärenden Zeit ist mit den alten
und überalteten Parteiprogrammen nicht mehr durchzukommen. Die Schrift zeigt
sich durchaus eklektisch, und man toürde sich herzlich schwer tun, sie irgendwo einzu-
gliedern. So tritt unS die Stärke dieser geistigen Bewegung, als solche darf man
wohl die im „Tat-Kreis" vereinigten Kräfte ansprechen, entgegen. Denn diese Kräfte
smd revolutionär und konservativ, sie sind jung und unproblematisch, sie sind ehrlich
im Wollen und von leidenschaftlichem Hasse in der Kritik, sie wollen unabhängig
bleiben „von Kapital und von der Masse".

Aber sie sind auch kritiklos im rationalen Sinne, sie sind wenig konstruktiv. Daher
muß das Hauptgewicht der Arbeit auf dem analytischen Teil ruhen. Sie behandelt
das geistige und soziale Erlebnis und bringt sehr interessante Untersuchungen über
die Schichtung der Einkommen, die Oligarchie des Reichtums, den selbständigen und
abhängigen Mittelstand, die Organisation der Masse. Diese Analyse ist, wenn man
von einigen statistischen Entgleisungen absieht, ausgezeichnet durchgeführt. Ein
weiteres Kapitel untersucht den „Zusammenbruch" als Krisis des kapitalistischen
Menschen, des kapi'talistischen GeisteS und des kapitalistischen Systems. Wir halten
Lluch diesen Teil der Arbeit für völlig richtig, soweit sie das Aufzeigen der Symp-
tome betrifft, wir trennen uns, wenn man alle di'ese Mißstände, Auswüchse und
verbrecherischen Gemeinheiten als mit dem kapitalistischen System schlechthin unbe-
dingt verbunden deutet. Hier hat die rationale Analyse einzusetzen. Wir wollen keine
Lanze für das kapitalistische System brechen, wir wollen aber nur aus Haß ge-
borene Scheinargumentationen auch nicht für richtig halten, und möge dieser Haß
aus jener Liebe entspringen, die Schwarz für Weiß sieht. Wir verkennen nicht,
daß ein Neugeborenwerden sittlichen Kräften entspringen muß, daß eine geistige
Vorbereitung dieser Gesundung unbedingt nötig ist, aber wir wollen uns die nüch-
terne Kritik bewahren, die nötig ist, um so reale Dinge wie die Versorgung mit
Lebensmitteln, Wohnung und Bekleidung zu gewährleisten.

Weitere Abschnitte bringen das Schicksal der Reparationen und „Die Trümmer
der Weltwirtschaft". Der positi've Teil nennt sich „Der Umbau der Welt". Er ist
auf zo Seiten zusammengedrängt, während sich über 200 Seiten mit der Kritik
des Systems befassen. Es wird das Problem der Autarkie angedeutet, der Erport
wird naturgemäß abgelehnt, und man gelangt auch nicht zu mehr als zu Utopien,
wenn die (ydeen des mitteleuropäischen Wirtschaftsraumes entwickelt werden. So
bleibt die Arbeit beim Beginn des positiven Teiles skecken, und man ist versucht,
in einer Abwandlung der Frage an Erich Kästner zu fragen: „Wo bleibt das
Positive, Ferdinand Fried?" Vielleicht könnte man noch das im Augustheft der
Zeitschrift „Die Tat" entwickelte Programm als positive Leistung werten, doch
findet sich eben hier nur ein nach dem Wollen aufgestelltes Programm, das fern
jeder theoretischen Fundierung zum Teil eine geradezu groteske Unkenntnis wirt>-
schaftlicher Zusammenhänge zeigt. Die unglückliche Verquickung starken politischen
Wollens mit völliger Unzulänglichkeit fachlicher Kenntnisse scheint uns bei mancher
Sympathie für die Bewegung als solcher der Hauptfehler zu sein.

Da springt, anscheinend völlig unabhängig vom „Tat-Kreis", R. Friedländer-
Prechtl mit seinem Buch „W i r t s ch a f t s w e n d e" (Paul List Verlag, Leipzig)
in die Bresche. Jdeenmäßig dem „Tat-Kreis" ganz nahestehend, unterbaut er wirt-

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