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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 7 (Aprilheft 1932)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0537

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insbesondere auch in Fällen, wc> die poli-
tisch gebundene Landesfilmbühne nnö der
Völgerausschuß versagen.

*

Das Wichligste aber, die unabhängige
Produktion, schien bisher ein unersüllba-
rer Wunschtrauin. Da wurden Ende des
verflossenen Jahres zum erstenmale
Amateur-Schmalsilme (Größe
des Normalsilmes) auf die Leinwand
eines Münchner Lichtspieltheaters proji-
ziert. Die 100 ooofache Vergrößerung
gelang mit Hilfe einer besonders starken
Lampe und eines kühlenden Föhnappara-
tes überraschend gut. Der neugegründete
Bund umfaßt allein in München bereits
IZO Filmamateure; er gibt eine Zeitschrift
heraus und sucht seine Mitglieder auch
materiell, z. B. durch Ausleihen von Ap-
paraten zu fördern. Theoretisch wäre da-
mit das Monopol der großen Produk-
tionsgesellschaften auf den Film gebro-
chen; praktisch freilich zeigten sich die mei-
sten der vorgeführten Schmalfilmstreifen
ängstlich bemüht, es dem Vorbilde der
Professionals nachzutun. Doch tauchte
dazwischen (mit der Lebensschilderung
eineö kauzigen SchirmmacherS) auch eine
neue, eigenartige Begabung auf: Zielke.
Es besteht also immerhin die Möglichkeit,
daß die Bewegungen der Ligen und der
Amateure sich eineS Tages zu fruchtba-
rem, unabhängigem Schaffen verbinden.

Wolfgang Petzet

Der Ursprung der Politik

ir versuchen die Überlegungen, die
wir im letzten Heft im Anschluß an
Carl S ch m i t t* über den Begriff des
Politischen anstellten, noch ein Stück wei-
terzuführen.

Jeder politische Begriff, sagt Carl
Schmitt, ist ein polemischer Begriff. Auch
bei der theoretischen Betrachtung politi-
scher Dinge darf man von der konkreten
Situation, d. h. von der konkreten Ge-
gensätzlichkeit nicht absehen, da die Be-
deutung der politischen Begriffe nur von
ihrem Gegner her, gegen den sie sich rich-
ten, erkennbar ist. Jch möchte diesen Satz
auch auf die Begriffsbestimmung des Po-
litischen, die Schmitt gibt, selber anwen-
öen. Die radikale Einseitigkeit seiner
Drientierung des Politischen an der realen
Möglichkeit des FeindeS erklärt sich da-

* „Dec Begriff deö Politifchen", Duncker Li
Humblok, München

her, daß er sich damit gegen seinen lieb-
sten Feind, den LiberalismuS wendet, der
glaubt, daß jede Feindschaft von einer
neutralen Diskussionsbasis her aufhebbar
sei. Dieser Glaube macht die Vorausset-
zung, daß alle Gegensätzlichkeiten noch
auf einem, wenn auch noch so schmalen
gemeinsamen Boden stehen, daß diese Ge-
meinsamkeit primär und unverlierbar sei,
so daß alle Gegensätzlichkeiten in sich sel-
ber die Möglichkeit des Ausgleichs und
der Überwindung tragen. Wenn es trotz-
dem immer wieder Gegensätzlichkeiten
unter den Menschen gibt, die sich zum
ausschließlichen Entweder-Oder, zur wirk-
lichen Feindschaft verfchärfen, so ist das
für den Liberalismus etwas, was eigent-
lich nicht zu sein brauchte und nicht sein
dürfte, wenn die Menschen nur das Ge-
meinsame, das sie verbindet, sehen und
den guten Willen haben wollten, sich auf
diesem gemeinsamen Boden die Hand zu
reichen. Die liberale Auffassung ist, daß
Feindschaft etwaS „UnvernünftigeS" ist
und daß die Menschen nur „vernunftig"
sein dürften, um alle Feindschaft zu besei-
tigen und den ewigen Frieden zu ver-
wirklichen. Sie vergißt nur, daß die Men-
schen nicht so vernünftig s i n d. Hier setzt
die Aufgabe der Politik ein.

-i-

Während hier also in der im Grunde ver-
nünftigen Welt die Feindschaft nur er-
scheint als der Grenzfall, an dem die
Vernunft zwar versagt, aber nicht auf-
hört, vollzieht Schmitt eine radikale Um-
kehrung und erklärt die Feindschaft alö
die elementare, auf dem Grunde jeder Ge-
gensätzlichkeit ruhende Möglichkeit. Ge-
genüber der liberalen Neutralisierung der
Feindschaft, die vor ihrem Ernst die
Augen verschließt, erscheint bei ihm die
Feindschaft als der Ernstfall
desLebens. Es mag weithin möglich
sein, diesen Ernstfall zu vermeiden und
auszuschalten. AuS dem privaten Leben
kann er im Rechtsstaat fast ganz ver-
schwinden und durch das Recht so über-
deckt werden, daß er in Vergessenheit ge-
rät. Aber an irgendeiner Stelle macht er
sich doch immer wieder geltend, auch wenn
er nicht real wird, sondern nur als dro-
hende Möglichkeit im Hintergrund steht.
Auch schon als Möglichkeit konstituiert er
ein eigenes Lebensbereich, das
der Politik, charakterisiert dadurch,
daß es immer mit dem Ernstfall rechnen

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