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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1932)
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Einstein, Alfred: Situation der Oper
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0624

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zutreffend iff, von selbst ergeben. Auf das WorL kommt es nichL so sehr an.
Das WorL Krise ffammL aus der prakLischen Heilkunde, es setzL einen Patien-
Len voraus, der sich in einem Augenblick der Wendung zum Besseren oder
Schlimmeren, zur Heilung oder zum sogenannLen leLalen Ausgang befindet.
So aufregend und dramaLisch ffeht es um die Oper auch heuLe nichL. Sie
brauchL nichL übermorgen gesund oder LoL zu sein. Dinge geiffiger Kultur enL-
scheiden sich in längeren ZeiLräumen.

Ein Bild der inneren Lage der deuLschen Oper. Ihre äußere Lage hängL
naLürlich miL der inneren zufammen. 2lber sie sei nur gestreift, da eine
genaue und auLhentische AuskunfL über sie nur von einem Theaterfachmann
gegeben werden könnte. Sie iff nicht rosig, das wissen wir alle. Die Gründe
dafür sind in dem Lrivialen SaH zusammenzufassen, daß es uns wirtschaftlich
schlecht geht, daß wir kein Geld haben, daß es uns in leHter Zeit erff richtig
bewußt geworden iff, daß wir keins haben. Dieser fatale Zuffand wirkt
sich am rascheffen und am stärkffen immer an Bedürfnissen aus, die nichk
nur nicht materiell sind, sondern die ein so besonderer Lurus sind wie die
Oper. Geistige KulLur iff für viele Menschen kein Bedürfnis, sondern Lurus.
Es werden keine guten Bücher mehr gekauft, und man geht nicht mehr ins
TheaLer. Im beffen Fall begnügt man sich nn'L den billigeren Surrogaten.
Wenn es ein Troff iff, so sei feffgeffellt, daß es seit Kriegsende der Oper in
der ganzen Welt, oder zum mindeffen in Europa schlechter geht als vorher.
2lm wenigffen wird vielleicht noch Frankreich davon betroffen, weil es das
Land zäheffer TradiLion iff und weil sein Opernbedürfnis nie allzu heftig
war. In England iff der Traum der Gründung einer nationalen Oper
längff ausgeträumt, der LLsgiono-Bekrieb mit überwiegend fremden Kräften
längff wieder aufgenommen: wirtschaftlich, kulturell genommen iff die Opern-
8sÄ8on viel mehr ein gesellschaftliches als ein künfflerisches Ereignis. Aber
auch in Italien, neben Deutschland dem einzigen wirklichen Opernland, kündi-
gen die alten Familien ihre Stammlogen, gibt es ein ebenso großes Heer von
arbeitslosen Orcheffermusikern und Sängern wie bei uns. Bei uns iff ein
bedenkliches Anzeichen allerdings die Abkehr der Iugend von der Oper, die
Abkehr von dem nicht zeitgebundenen TheaLer überhaupt. Es will nicht so
sehr vrel für das Schicksal der Oper besagen, daß eine Umschichtung des
Publikums erfolgt iff, daß alte Kreise sich nicht mehr für sie interessieren
können, daß neue sich für sie interessieren. Aber es will sehr viel besagen,
daß eine neue GeneraLion von der Qper, soweit sie unter den Begriff des
OpernhafLen fällt, befremdet iff und sich ihr entfremdet. Die Ursachen dafür
liegen Liefer, und wir werden auf sie zurückkommen müssen.

So viel dürfen wir sagen: die innere Lage der Oper iff, ganz im allge-
meinen gesprochen, schwierig, und vielleicht heute schwieriger als je. Aber sie
war immer schwierig, von ihren Anfängen bis auf die GegenwarL. Es iff
oft ausgesprochen worden, daß die Oper nicht bloß das künfflichffe, zusammen-
geseHLeffe Kunffwerk iff, das es gibt — darum freilich auch das herrlichffe,
wundersamffe, wenn es einmal glückt —sondern auch das in sich selber
widerspruchvollffe. Dichtkunff, Musik — und zwar das Vokale und In-
ffrumentale —, szenische Kunff haben Leil an ihr; und fortwährend hat sich
unter diesen drei KräfLen der Schwerpunkt verschoben. Die Geschichte der

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