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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 9 (Juniheft 1932)
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persönlich finde daS Gedudel, mit dem
unsere Jazzbands uberall bei der Hand
sind, einfach greulich. Trotzdem wird man
aber in vergnügten Stunden doch eine
Freude an diesen ebenso frechen wie bo-
gabten Clownerien haben. Beide Auf-
nahmen sind technisch ausgezeichnet. Die
Mahagonny-Platte ist nebenbei äußerst
witzig montiert; gar nicht etwa potpour-
rimäßig im landläufigen Sinne.

Hans Denekc

Chronik des Films

einrich Hauser, von der Frankfurter
Zeitung mit einer Neportage über das
heutige Amerika betraut, benutzte die Ge-
legenheit, zugleich eine Reportage in Bkl-
dern zu machen. Jhren Mittelpunkt bil-
det die Stadt Chikago: die Wellen des
Michigan-Sees tragen die „schwimmen-
den Güterzüge" herzu, das alte Urwalds-
land ringSum wird von riesigen Bagger-
maschinen, Kränen und Pflügen aufge-
rissen und um und um gewendet, unzäh-
lige Autos fahren in endloser Reihe auf
breiten Straßen an, die Biehherden wer-
den zu den Konservenfabriken getrieben

— und nun erheben sich die Wolkenkratzer
Chikagos mit ihren unzähligen Stockwer-
ken in den Hinnnel, umbraust von Hoch-
und Tiefbahnen und einem ruhelosen, die
Mcnschen abschleifenden Leben. Auf der
Kehrseite dieser Pracht liegt der häuser-
hoch getürmte Abfall, zerbrochene Fen-
ster, Autos, Menschen, die in schmutzigen
Winkeln um gestohlene und zerschlisfene
Sachen feilschen. „Weltstadt in den
F l e g e l j a h r e n" hat Hauser — gänz-
lich untendenziös, ja fast zu optimistisch

— seine Bildreportage betitelt. Wie das
erste, scheinbar nur oberflächliche Bild
eines Menschen oftmals auch seinen we-
sentlichsten Kern erfaßt, so wird hier das
innerste Wesen der amerikanischen Groß-
stadt im Bilde der Oberfläche des ge-
wöhnlichen alltäglichen Lebens gegeben.

-i-

Zu dieser dichterischen und sehr tief grei-
fenden Mitteilungsform bemerkte die
Bildstelle des Zentralinstitutes für Ev-
ziehung und Unterricht: „Das wirre
Durcheinander des Ganzen ist ein typi-
sches Beispiel dafür, wie ein Lehrfilm
nicht sein darf." Unbelehrbar hält hier-
mit der Völger-Ausschuß an seinem
(fdeale eines braven und ordentlichen,
aualytischen Lehrfilmes fest, der als nach-
folgende Ergänzung einer Gesamtschau

sicherlich nicht zu verachten ist, wenn er
auch Atmosphäre und Wesenskern nie-
mals zu geben vermag. — Nicht einmal
das Prädikat „künstlerisch wertvoll" oder
„volksbildend" wurde dem Filme zuer-
kannt. So ist der einzigartige Versuch
eines Dichters, seine Eindrücke zu^leich
in der Sprache und im photographischen
Bilde zu geben, nur selten einmal in der
Matinee eines besonderS regen Lichtspiel-
hauses zu sehen.

-r-

Hoffentlich war die Ablehnung des Hau-
serschen Filmes die letzte Fehlentscheidung
des vielumstrittenen Völger-Aus-
s ch u s s e s. Kurze Zeit darauf erfuhr der
Ausschuß durch die Jnitiative deS preu-
ßischen Jnnenministers eine vollkommene
Umbildung. Die Bildstelle am Zen-
tralinstitut für Unterricht und Bildung,
die den grünen, Ermäßigung gewähren-
den Steuerschein verleiht, heißt jetzt: Film-
kammer. Gemäß den drei verschieden
wirksamen Prädikaten (Lehrfilm, volks-
bildend und künstlerisch wertvoll) ist sie
dreiteilig gegliedert. ()n erster Instanz
entscheiden der Vorsitzende und vier Bei-
sitzer, von denen bei den Kammern II
und III (Kammer I wurde vorläufig noch
nicht neu gebildet) einer von den Kom-
munalkörperschaften und einer von der
Filmindustrie vorgeschlagen wird, wäh-
rend die beiden anderen durch den Mini-
ster unmittelbar berufen werden. Auch
ist jetzt der Firma die Möglichkeit zu
einem Ablehnungsantrag gegen die Bei-
sitzer gegeben, ferner — ebenso wie dem
Vorsitzenden — das Recht, Berufung ein-
zulegen. Als Berufungsinstanz entschei-
^et der gleiche Ausschuß um weitere vier
Beisitzer vermehrt, so daß sich eine Mi-
norität in der „kleinen Kammer" in der
„großen Kammer" in eine Majorität ver-
wandeln kann. Da vor allem die (lei-
der offiziell nicht veröffentlichte) Liste der
vom Minister ernannten neuen Beisitzer
(soweit man sie in Erfahrung brachte)
vertrauenerweckende Namen enthält, ist
mit dieser Neuregelung eine Reihe von
Forderungen erfüllt, die auch an dieser
Stelle für eine produktive Film-Politik er-
hoben wurden.

-i-

Aus der beträchtlichen Produktion an
Spielfilmen können hier nur Einzelleistun-
gen herausgehoben werden, die durch
Güte und Eigenart sich von den allzu
vielen abheben, oder die typisch für viele

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