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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 9 (Juniheft 1932)
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0694

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genannt werden können. Zu den ersteren
scheint mir der Hans Rührnann-Film der
Emelka „M an braucht kein Geld"
zu gehören. Mit ihm wird der Beweis
erbracht, daß es möglich ist, aus der aller-
modernsten Nationalökonomie und Kre-
dittheorie lebendigen Witz für einen Film
zu gewinnen, wenn man wie der Regis-
seur Carl Boese ihn selbst besitzt. Man
braucht keinen Kasernenhof, kein Heidel-
berg und keinen Prater. Es kann sein,
daß die Emelka, Deutschlands zweitgrößte
Filmgesellschaft, nun doch ihren eigenen
Stil zu finden beginnt: Grazie und Geist,
vorgetragen in einer exakten, sauberen,
aber nicht anspruchsvollen Technik. Schon
bei Duponts „PeterDoß, derMil-
lionendieb" deutete sich diese Linie
an, wenn auch noch durch Reste des alten
Abenteurerfilmes sehr an der Entfaltung
gehindert.

Der entgegengesetzte Typ stellt sich in dem
Hans AlberS-Filme der Ufa „D er Sie-
g e r" dar — eine Arbeit, an der man
alle Errungenschaften der modernen Film-
technik (bis zur wiedergewonnenen Be-
weglichkeit der durch Straßen, Flure und
Zimmer rasenden Kamera) beispielhaft
aufzeigen könnte. Nur wäre an dieser
Stelle eine solche Betrachtung nicht am
Platze; denn der Gehalt, die Fabel, der
die ganze Apparatur dient, ist ein Nichts,
schlimmer als das — eine abgegriffene
und übel verlogene Sache, auch wenn
Leonhard Frank sich seinen Namen dafür
bezahlen ließ.

Ebenso wie Hans Albers werden zwei
schöne begabte Frauen von der Branche
dem Geschäfte aufgeopfert, das vermeint-
lich nur mit einer verlogenen Fabel zu
machen ist. Die Fälle „S changhai -
Expreß" und „Unter falscher
Flagge" sind darum so lehrreich, weil
Marlene Dietrich und Charkotte Susa
sich diesesmal keineswegs als Stars ge-
bärden, sondern wie ihre Regisseure Jo-
sef von Sternberg und Johannes Meyer
ernste künstlerische Arbeit leisten; zahlrei-
che wohlgelungene und eigenartig gestal-
tete Einzelheiten zeugen davon. Das
Ganze aber ist noch viel übler als Hans
Albers' immerhin leicht zu nehmende
Hochstapelei: ernste Dinge — Weltkrieg
und das ostasiatische Problem — werden
ohne den angemessenen Ernst, werden als
romantische Räuber-, Detektiv- und Lie-
besgeschichte behandelt.

612

Kürzlich wurde aus Hollywood gemeldet,
daß Marlene Dietrich von der Para-
mount „der Mitarbeit enthoben worden
sei", weil sie sich, ebenso wie der Regis-
seur Josef von Sternberg, geweigert
habe, die „revidierte" (!) Version des
Filmes „Blonde Venuö" anzuerkennen.
Die Leitung der Paramount erklärte dazu
nicht ohne das Selbstbewußtsein des Ka-
pitalbesitzers: „Wir wollen sehen, ob die
Leute, die bei uns arbeiten, Angestellte
sind, oder tun können, was sie wollen."
Eine andere Frau, Leni Riefenstahl, hat
es aufgegeben, mit der Branche zu ar-
beiten, die ihren künstlerischen Ruf unter-
grub. Fast war es schon so weit, daß
man — in Erinnerung an die Leerheit
und Verlogenheit Fankscher Hochgebirgs-
filme — sich „D as blaue Licht" gar
nicht angesehen hätte. Man hätte aber
den schönsten, echtesten und mnerlichsten
Naturfilm des Jahres versäumt — in
einem weltfernen Dorfe der Dolomiten
mit ladinischen Bauern unter der Leitung
einer ungewöhnlichen Frau geschasfen von
einem Kollektive bester und keinerlei Ge-
schäftsabsichten höriger Künstler.

WolfgangPetzet

I^otizen

^^nsere Leser erinnern sich der wahrhaft
^schönen und meisterhaft erzählten No-
velle „Der Begleiter" von Henry von
Heiseler aus dem Aprilheft igzo. Wer
sie als Buch besitzen will, dem bietet der
Pflugscharverlag Düsseldorf Gelegenheit,
er hat sie eben als illustriertes Bändchen
(M. i.Zo) herausgebracht.

Wir verwiesen damals auf Heiselers kon-
geniale ungedruckte Übersetzung sämtlicher
Dramen Puschkins, die nunmehr auf
Subskription und in numerierter Auflage
erscheinen werden. Jnteressenten bitten
wir, sich an den Hans von Weber-Ver-
lag, München, Adalbertstraße 76, zu
wenden.

Zu den Bildern aus der Ausstellung der
Münchner Neuen Sammlung lese man
das Aufsätzchen von G. Troberg. Die
Ausstellung zeigte an dem besonders lehr-
reichen Beispiel der Keramik den Zu-
sammenhang der Formenwelt dec ver-
schiedensten Zeiten und Kulturen. Sie
zeigte insbesondere die natürliche Vev-
wandtschaft neuerer Bestrebungen der
Werkkunst mit den „Primitiven", wobei
sich der Einklang nicht auS einer bewuß-
ten Nachahmung ergibt, sondern aus
 
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