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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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In ihrer Werkschtatt sitze flott
Aus Gotha die Geselle,
Die mache Schuh uu jeder Hot
Champagner un Forelle-.
Hübsch elegant un kommiso
Lakirt nun alle Seite,
Aus fremdem Ledder kammer jo
Die schönschte Rieme schneide.
Die Altgeselle schneide zu
So wie se's rausstudire,
Die Lehrling un der Schusterbu
Die derfe 's Ledder schmiere.
Im Bech do kennt sich Jeder aus,
Viel besser noch beim Schwärze,
Doch guckt am Schuh die Brandsohl raus,
Des geht'n nit zu Herze.
Korz — was se mache is zu eng
An drückt — vorab die Alte;
Es kann jo sowas uff die Läng
In unserm Land nit halte.
Nor Mancher der e Aemtel Hot
Steht sescht im Fortschrittsstiffel,
Doch — Muxt er sich — ach liewer Gott!
Do kriegt er glei sein Riffel.
Im Owerlaud, im Unnerland
Hot Jeder was zu klage,
Ke Bauersmann is mehr im Stand,
So enge Schuh zu trage.
Doch Hot ke Eeuziger de Muth
Die Werkschtatt dort zu sterme;
Uff emol kummt en Meeschter gut

Un mächt en große Lärme.
Dann geht er hin mit schtolzer Brust
Un sacht: „Ihr Zunftcollege!
Ihr habt jetzt lang genug gepuscht,
Ich will die Werkschtatt fege;
So Schuhwerk, eng, mit Lack verschmiert,
Will sich for uns nit zieme,
Un wer vun Euch sich jetzt noch rührt,
Den hau ich mit dem Rieme!
Berlin nn Gotha fercht' ich net —
Eraus! jetzt geh' ich an se,
Un wer Französch in: Kraichgau redt,
Den will ich deutsch korauze!"
Wie Meeschter Flaschon so voll Muth
Sich schtellt vor die Geselle,
Do schmeckt en nimmer halb so gut
Champagner un Forelle.
Der Meeschter awer frogt nit viel
Un fangt glei an zu knalle —
Do wackle all die Werkschtattschtühl,
'S is Eener glei gefalle.
Drum, wackrer Meeschter, hau nor zu,
Duh fescht de Rieme schwinge,
Du kanuscht vielleicht noch Fried un Ruh
Jn's badisch Ländel bringe.
Hoch Flaschon! Bärgerredaktär
Du bischt jetzt unser Retter!
Dann wer vun alle Annre, wer
Zieht so wie Du vum Ledder?!
Heidelberg, am Sylvester.

Der Pfälzer Bote
hat es recht pfiffig machell und Euch Prost Neujahr zurufen
wollen, Ihr Freunde, ehe Ihr daran dächtet, und siehe da! Ihr
seid viel früher aufgestanden und habt dem Boten das Neujahr
abgewounen. Auch hat der Bote einige recht artige Verslein
zu Papier gebracht, um damit den verwöhnten vornehmen Herren
von Gotha seine Aufwartung zu machen, will diese aber für
jetzt noch in der Tasche behalten, da den genannten Herren von
Euch scholl in Eurem Neujahrsgruß die ihnen zukommende Hoch-
achtung bezeugt worden ist.
Prost Neujahr! habt Ihr dem Boten zugerufen, er aber
kommt zu Euch mit dem altkatholischen Gruße, der unfern Feinden
so großen Widerwillen einflößt und deßhalb von uns nur um
so eifriger uud beständiger gebraucht werden sollte: „Gelobt sei
Jesus Christus!"
Ja, gelobt sei Jesus Christus! mit diesem Gruß sind wir
zuerst -- es ist schon länger als ein Jahr — hinausgezogen
in das Land und haben die katholischen Schläfer geweckt, so
daß sie heftig aufgesprungen sind und die Schlafmützen weit von
sich geworfen haben. Es waren die wandernden Casinos
— deren Name allein schon Schrecken und Wuth bei unseren
Feinden hervorgerufen hat. Viele Tausende sind zu diesen großen
katholischen Versammlungen zusammengeströmt und haben dort
laut uud feierlich protestirt gegelt die Gewalt, die man ihrer
Kirche und ihrem Gewissen anthun möchte. Der Bote will keine
Geschichte des verflossenen Jahres schreiben, er will auch nicht
nochmals von den schreienden Gewalttaten reden, die man an
vielen Orten, das freie Versammlungsrecht mit Füßen tretend,
gegen^die Katholiken ausgeübt hat, besonders in der Handels-
und ^uoenstadt Mannheim, wo das Unerhörteste unter den

Augen einer großen Garnison ungestraft geschehen durfte; wir
wollen auch die Preßprozesse unberührt lassen, mit denen man
das harmloseste, oft in wohlmeinender Absicht gesprochene Wort
auf conservativer Seite verfolgte, während neuärarische Blätter
die furchtbarsten Schmähungen gegen deutsche Souveräne, Auf-
forderungen zur Verführung der Truppen, zur Fortjagung der
Fürsten und zur Herstellung der Republik unangefochten in die
Welt schicken und dabei noch sich als Parteigänger des jetzigen
Regimes rühmen durften; wir wollen die Geldstrafen derer bei
Seite lassen, die ihr Gewissen versteuern mußten, obgleich der
Z. 18 der Verfassung nichts davon weiß, noch weniger wollen
wir bei den widerlichen Auspfändungen verweilen, dem
Heraustreiben des Viehes aus dem Stalle des unbemittelten
Mannes -—- genug davon, diese Dinge schreien von selbst gen
Himmel und in Karlsruhe wie in polizeilichen und staatsan-
waltlichen Kreisen kann man die Erzählung der eigenen Helden-
taten nicht ertragen. Der Bote will nicht heute zu Beginn
des Jahres gleich wieder bitter werden und sich die Neujahrs-
freude verderben, — drum schweigt er lieber ganz von den
Heldenthaten des Aerathums und von der gothaer Sippe, die
ihm auch in diesem Jahr -— so Gott will! — vielfachen Stoff
zur Kritik und Erzählung in vermehrter Auflage bieten werden.
Euch aber, Ihr Freunde, thut heute der Bote in einem extra
feinen Gläschen neuärarischen Weines freundlich und eindring-
lich Bescheid:
„Gründet überall katholische Vereine, durch die allein der
Sieg unsrer guten Sache verbürgt ist, und
Seid einig, einig, einig!"
 
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