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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 116-128 (2. Oktober - 30. Oktober)
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117. Donnerstag den 4. October 1866.

das sich erst in der Anrufung der wälschen Hülfe schwach vor
der Welt gezeigt hat und nun in Folge also errungener Siege
stark erscheinen will? Mag man über Frankreichs Politik denken,
was man will: das französische Volk will Krieg gegen Preußen;
anderseits ist das aus dem Bunde ausgeschiedene Oesterreich kein
Bollwerk mehr gegen Rußland; wenn es heute zu einem Con-
flict kömmt zwischen Preußen und Frankreich, daun könnte sich
selbst das unter preußischer Hegemonie consolidirte Deutschland
nicht anders mit Sicherheit des Erfolges gegen Frankreich weyren,
als am Ende mittelst einer Allianz mit Nußlano, während
Frankreich sich vielleicht mit Oesterreich verbünden würde. Wer
könnte alsdann Oesterreich eines Treubruches bezichtigen? Es ge-
hört ja nicht mehr dem Bunde an. Sind nicht diese Com-
binationen möglich? Was mag alsdann Deutschland retten?
Es ist möglich, daß die Sache gut gehe; es ist aber auch das
Gegentheil möglich. Unter solchen Verhältnissen taucht bisweilen
im Gemüth des Patrioten der schmerzlichen Gedanke des üvis
OsrvauuiW auf. Möge Gott über Deutschland wachen!*)

*) Vorstehenden vortrefflichen Aufsatz haben wir der Pfälzer Zeitung
entnommen, noch bevor das Verbot dieses ausgezeichnete Blatt getroffen
hat. Es ist gleichsam die AbschiedSanerkennung, die wir der braven Pfäl-
zerin erweisen. Der Bote.

änderten Umständen! Oesterreichs Macht, und mit ihr die dentsche
Bevölkerung Oesterreichs, sollte aus dem Bunde ausgeschieden
werden; war Oesterreich, will man dies geltend machen, wirk-
lich ein Hemmschuh für den deutschen Aufschwung, — warum
hat man seine Ausweisung nicht versucht im internationalen (?)
Weg? warum hat man sich an's Wälfchland, nach Frankreich
und Italien, gewendet? Warum wurde Deutschland nicht die
Schmach und der Jammer eines Bürgerkriegs erspart? Und
handelt es sich wirklich um die Aufrichtung eines großdeutschen
oder eines großpreußischen Staates?
Ich kann mir Deutschlands Größe und Macht nur in Ver-
bindung mit seiner Jahrhunderte hindurch bewährten Mission
denken, germanische Gesittung hinauszutragen unter die ihm in
Bezug auf Cultur untergeordneten Nachbarvölker. Oesterreich
mag allerdings seit Metternichs Zeiten dieser Aufgabe nicht
mehr gewachsen gewesen sein; aber nur durch Oesterreich ist die
erwähnte Mission Deutschlands möglich und wäre auch realisirt
worden, hätte man die Versuche des Jahres 1863 fortgeführt.

Die Jahre 1863 und 1866.
Wenn das Jahr 1866 ein Versuch war, zur deutschen Einig-
ung und Kräftigung, von Preußen ausgegangen, so stünde es
auf der Parallele mit dem Jahre 63, wo ebenfalls der Ver-
such zu diesem nationalen Werk gemacht worden war. Es thut
gerade jetzt, wo die preußischen Erfolge auf so viele Gemüther
einen wahrhaft magischen Einfluß äußern, wirklich Noth, die
genannten Jahre zusammenzuhalten, damit dem viel geschmähten
Oesterreich nicht alle Ehre in den Augen der Deutschen entzogen
werde. Das tüit ueeouixli der preußischen Waffen vergrößert
die Sünden Oesterreichs in einem fast ungeheuerlichen Maßstabe,
während Preußens Sünden bis zur Kleinheit der Infusorien
zusammenschwinden. Beide Antagonisten aber dürften, die
Sache billig gefaßt, in vielen Dingen das gleiche Schuldbe-
kenntnis aussprechen; nur in einem Punkte gehen sie wesent-
lich auseinander: das offenbaren nur zu deutlich die genannten
Zwei Jahre.
1863 ging der Gedanke eines Versuches zu unserer natio-
nalen Kräftigung von Oesterreichs Kaiser aus, aber der Versuch Kann Preußen nun diese Mission ins Werk setzen — Preußen,
sollte nur von Deutschen geschehen: aus der eigenen Volkskraft
sollte der Aufschwung genommen werden; daß man dabei an
die wälsche Hilfe gedacht Hütte, davor bewahrte der ehrliche Sinn
Oesterreichs bei aller ihm sonst nachgeredeten Sündhaftigkeit.
Das damalige Programm war vorerst nur ein Entwurf, mehr
der Anfang, die Initiative zu dem deutschen Werke, als etwas
Fertiges. Nur ein Staat wollte nicht, Preußen nämlich, und
so scheiterte denn der ganze Versuch. Wäre, was Oesterreich
versucht hatte, unter der Mitwirkung der deutschen Fürsten und
Volksstümme fortgesetzt und durchgeführt worden, so wären uns
nicht blos Oesterreichs deutsche Stämme erhalten geblieben, auch
die magyarischen und slavischen Elemente, beherrscht und nieder-
gehalten von dem neugekräftigten deutschen Element, wären uns
als gewiß nicht zu verwerfende mächtige Hülfsvölker verblieben;
unsere Mission, germanische Gesittung jenen Nationalitäten zu
bringen, würde neues Leben, einen frischen Aufschwung gewon-
nen haben, Oesterreichs alte Wunden, seine innern Schäden,
hätten unter dem deutschen Einflüsse vernarben müssen. Und
das Alles wäre ohne fremde Beihilfe, aus eigener deutscher
Kraft erreicht morden. Aber es geschah nicht, Preußen wollte
nicht.
Seitdem sind drei Jahre verflossen; das Jahr 1866 brach
an, und Preußen ging nunmehr vor, aber unter welch' ver-

Erfte, zweite und dritte Liede.
Eine Erzählung von Wilhelm Fischer.
(Köln. Ztg.)
(Fortsetzung.)
Auf festem, weißem, nicht glacirtem Karton las ich: „Adeline Banner,
James Schmidt, Verlobte. Elberfeld und New-Jork, 19. October Anno
X." (Das Jahr darf ich nicht verrathen: man rechnet mir ohnehin viel-
leicht schon nach.)
Entsetzlich! rief ich aus. Aber darum verzweifle nicht, Pylades. Bist
du der Erste, den ein Weib betrogen hat? Fasse dich, denk' an mich, denk'
an deine Eltern!
Ich hab' Alles bedacht. Was hättet ihr an einen: gebrochenen, geknick-
ten Menschen? Ich kann's nicht überleben. „Verwunden meinen Stolz
und meine Liebe, das heißt verletzen meine stärksten Triebe." Und sie —
o Himmel, sie hat Beides gethan! Er schluchzte laut.
Noch vorgestern, fuhr er nach einer Weile fort, war ich bei ihr. Sie
hatten Besuch ; da saß eben jener alte, kahle Schurke, jener englifirte Geld-
macher, jener James Schmitt! Aber ich kannte ihn nicht. Sie stellte uns
einander vor. „Zwei der ältesten Freunde unseres Hauses." — „Der
Herr ist noch sehr jung für einen so ehrwürdigen Titel!" schnarrte er mit
seiner unangenehmen Stimme. „Er ist uns allen sehr theuer," erwiederte
sie sofort und ergriff meine Hand und sah mich an, daß es mir durch die
Seele ging, „uns allen, und mir nicht am mindesten!" — Und gestern
verlobt sie sich mit jenem Scheusal, und heute meldet sie es mir in einem
eigenhändigen Brieschen....
Wo ist es?
Im Ofen, wohin es gehört — transeat cum eetcris! Ich hab' dich
rufen lassen; hier ist mein kurzes Testament, du sollst sein Vollstrecker sein.
Und nun gib mir den letzten Kuß....

Ich will nicht in den unverdienten Geruch größerer Klugheit kommen;
; ich war im Grunde ein eben so großer Esel, als mein theurer Freund,
! aber zufällig in einer Beziehung damals bedeutens gegen ihn im Vortheil:
! ich war nicht verliebt. Als ich seinen wahren, aus Liebesqual und Be-
' schämung gemischten Schmerz sah, als ich schaudernd die Gefahr erwog,
welche für einen so leidenschaftlichen und aufgeregten Unglücklichen mit dem
Besitze der Pistolen verbunden war, als ich an seine Eltern und an sein
eigenes, herrliches Wesen dachte, da segnete ich unsere Freundschaft , die ihn
sich mir anvertrauen hieß, da segnete ich unsere Schwärmerei und unsere
! Schwüre.
Ich flog in seine Arme. Den letzten Kuß, ja mein Theurer! Aber
' ich dein Testaments-Vollstrecker, wo denkst du hin? Hast du unseren Schwur
; vergessen? Hältst du mich für ein Kind oder sür einen Schurken? Ich habe
dich bei deiner Mutter beschworen, dem finstern Plane zu entsagen; ich
; rufe dir nochmals ernstlich zu: besinne dich! Es ist ein furchtbarer Schritt,
s den man nie zurückthun kann! Aber wenn-du nicht anders willst und
j kannst, dann Ade, Leben! Dann sterben wir zusammen — um mich weint
( doch keine Mutter mehr!
Er hob gerührt die treuen Augen zu mir auf: Du wolltest wirklich
— ich wagte nicht, dich daran zu mahmen — ich weiß auch nicht, ob es
, recht ist....
Das überlege, sprach ich und ließ ihn. wieder sanft in die Sophaecke
gleiten; überlege es mit großem Ernst. Eins steht fest: wenn du sterben
mußt, dann muß ich eS auch. Aber wozu diese Waffe? Und ich nahm
i das Pistol und legte es behutsam fort. Willst du ben Frieden dieses
i Hauses entweihen, diese schönen Räume gespenstig machen? Mit Prätention,
! mit Eclat aus der Welt gehen? Mit zerschmettertem Unterkiefer, noch lebend,
blutig und wimmernd gefunden, vielleicht geheilt und verlacht werden? Nur
die Aufregung kann die Verirrung entschuldigen. Ein knotiger Handwerks -
bursche mag sich in der Werkstätte erhängen, ein ruinirter Spieler im Kur-
i Hause coram publieo erschießen, ein verrückter Engländer vom Dome zu
 
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