Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

DOI Kapitel:
Nr. 77-89 (3. Juli - 31. Juli)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43883#0349

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

B a d e n.
tz Heidelberg, 21. Juli. Der von uns nntgeiheilre Brief
des Junker Roggenbach an Junker Bismarck ist besonders wegen
seines Schlusses bemerkenswert^,, in welchem der frühere badische
Minister den Preußen seine guten Dienste anbietct und sich als
Candidat für irgend einen Ministerposten bestens in E inner-
nng bringt. In Berlin wird man den Herrn Confusionsrath
nicht brauchen wollen; dagegen mag er sich vielleicht mit der
Hoffnung schmeicheln, beim etwaigen Einmarsch der Preußen in
Baden mit Gewalt der Zündnadeln dem badischen Volke auf-
gezwungen zu werde n. Pfui über den Mann, der so lange
mit liberalen Phrasen die „Gimpel" zu täuschen wußte! An
die Wähler des Junker Roggeubach tritt aber jetzt die ernste
Frage heran, ob sie mit Anstand durch einen Ueberläufer sich
noch länger vertreten lassen können, oder ob nicht vielmehr ihre
Pflicht es erfordert, dem Herrn ihre Herzensmeinung durch ein
Mißtrauensvotum zu erkennen zu geben.
(D Heidelberg, 21. Juli. Eine Reihe ausgezeichneter
Männer aus Nord- und Mitteldeutschland, namentlich aus
Schleswig-Holstein, weilten als großdeutsche Flüchtlinge in den
letzten Tagen in unserer gastfreundlichen Stadt. Die Nachricht
vom Einmarsch der Preußen in Darmstadt, von wo diese jeden
Augenblick durch einen Ueberfall uns mit ihrer angenehmen Ge-
genwart beglücken können, hat die uns so lieb gewordenen Feinde
des Preußenlhums verscheucht. Es war ein schmerzlicher Augen-
blick, von den biedern Männern Abschied nehmen zu müssen,
oie Haus und Habe und die Meisten auch ihre zahlreichen Fa-
milien ini Stiche ließen, weil ihnen die preußische Wirtl,schäft
daheim unerträglich dünkte, und weil sie jedenfalls, wenn sie im
besten Falle auch keine persönlichen Unbilden zu erleiden gehabt
hätten — genöthigt gewesen wären, ihre Thäügkeit für das
Recht und die gute Sache einzustellen. Als wahre Patrioten
wäre Letzteres ihnen unmöglich gewesen, wie denn überhaupt
jeder Vaierlandsfreund, wenn er die Kraft des Wirkens in sich
fühlt, es verschmähen wird, unter preußischem Joche unthätig
zu leben. Wer in der That hätte das früher für möglich ge-
halten, daß die besten Männer Schleswig-Holsteins den Wander-
stab zur Flucht in fernes Land ergreifen müssen, nicht der Dä-
nen wegen, nein! sondern weil die Preußen ihnen auf den
Fersen sitzen!
" Heidelberg, 22. Juli. Das größte Laster unserer an
Lastern so reichen Zeit ist nach unserer Ansicht die Charakter-
losigkeit. Diese wird denn auch im reichsten Maße von al-
len Seiten bethätigt, weil der große Haufe gewohnt ist, mit dem
Strome zu schwimmen und den Götzen des Erfolges im Staube
liegend auzubeten. Als der Ausbruch des Krieges nicht mehr
zweifelhaft war und Preußen Oesterreich und dein Bunde gegen-
über als der schwächere Theil allgemein betrachtet wurde, welch'
ein Jubeln, welch' ein „Einstehen" für die Sache des Bundes
— und jetzt! Ersparet mir, lieber Leser, das nähere Ausmalen
der schmählichen Fahnenflüchtigkeit von Tausenden von Ausrei-
ßern, ja des offenen Uebertritts mit Sack und Pack in's vielge-
schmähte Lager Bismarcks! Wir haben dies nicht anders er-
wartet, sowie wir unsrerseits sicher sind, daß die nämlichen Leute
bei einem Mißgeschick der preußischen Waffen auf unsre Seite
mit großer Maulfertigkeit wieder herüberspringen würden. Mö-
gen sie bleiben, wo sie sind, die Wichte, wir beneiden die gothaer
Sippschaft um solche Bundesgenossen nicht. Auch eine Menge
Deputationen machen sich gegenwärtig auf den Weg nach Karls-
ruhe, um unfern edlen Fürsten um Zurückziehung'seiner Trup-
pen zu bitten, noch ehe dieselben in's Gefecht gekommen oder
einen einzigen Preußen gesehen haben, ja, sie verlangen sogar
eine schmachvolle Demüthigung vor Preußen und Bismarck, über
den sie bisher am meisten geschimpft haben. Wir haben aber
Grund anzunehmen, daß Se. Königl. Hoheit der Großherzog
diese Zumuthungen unbeachtet lassen wird und in Neberein-

stimmung mit der Politik des Herrn v. Eoelsheim seine Bun-
despflichten zu erfüllen entschlossen ist.
Daß die Gothaer inzwischen das Aeußerste aufbieten, um die
preußische Spitze dem Volke nochmals mundgerecht zu machen, ,
versteht sich von selbst — die Wichte ausgenommen spendet
aber Niemand ihrem Treiben Beifall. Am unverschämtesten
benehmen sich die LandeSbase und das Heidelberger Jounal, die
mit einem Cynismus den Abfall Badens und die Unterwerfung
unter Preußen predigen, die in einem Lande, dessen Söhne den
Preußen auf denn Schlachtfeld gegenüberstehen, Staunen erregen
muß, an so viele Seltsamkeiten man bei uns auch gewöhnt sein
mag. Das Hdlb. Jouru. läßt namentlich einen angeblichen hies.
Bürger dem Abfall das Wort reden, dessen ganze Schreibweise über-
deutlich zeigt, daß — wenn auch jetzt vielleicht Heidelberger Bür-
ger — doch feine Geburts- und eigentliche Heimathstätte dem
Norden oder Unterrheiu angehört. Ueberhaupt können wir
nicht genug darauf aufmerksam machen, daß sich eine Menge
bisher nie gesehener Literaten, Doctoren rc. aus Preußenland
hierorts herumireibt, die überall hin horchen und alle öffentli-
chen Lokalitäten mit ihrem Geschnatter anfüllen. Alan sollte
auf diefe Leute ein stets wachsames Auge haben, oder am besten
sie sofort über die Gränze schaffen. Im klebrigen thut jetzt
mehr als je das einige Zusammengehen aller Großoeutschen —
mögen sie in diesen oder jenen inneren Fragen noch so getrenn-
ter Meinung sein — durchaus Roth, und vernünftige Männer
sollten sich durch das Geschrei der LanoeSbase u. a. gothaischen
Blätter gegen die „Schwarzen" und die „Rothen" nicht beein-
flussen lassen. Das Volk in seiner überwiegendsten Mehrheit
will durchaus nichts von Preußen wissen, es ist entschieden
großdeutsch', märe es daher nicht Zeit, es endlich unter einem
gemeinsamen Banner zusammenzuschaaren?
* Heidelberg, 22. Juli. Gestern kam ein Telegramm aus
Karlsruhe, wie es heißt, von Bürgermeister Krausmaun abge-
schickt, welches in angeblich officieller Weise den Abschluß des
Friedens kundthat, und zwar auf Basis der Annahme der
preußischen Vorschläge und Austritt Oesterreichs aus
dem Bund. Trotz dem officiellen Gebühren dieser Mitthei-
lung hatten wir doch um so begründetere Zweifel, als der
Moniteur vom selben Tage noch gar nichts vom Frieden selbst
wußte, sondern nur von einer fünftägigen Waffenruhe sprach.
Die Nachricht der Heidelberger Blätter ist jeöenfalls mindestens
verfrüht und auch in ihrer sonstigen Fassung ungenau und
unwahrscheinlich. Möglich ist es freilich, daß die Friedeuspar-
tei in Wien die Oberhand erhalten hat, was wir außerordent-
lich beklagen müßten, da jetzt nicht Oesterreich, sondern auch
Preußen alles auf eine Karte setzt und die Ehre Oesterreichs
vor allem gerettet werden müßte, selbst auf Gefahr des Unter-
gangs. Sollte aber auch die Friedenspartei gesiegt haben, so
kann ihr der Sieg nicht möglich geworden sein durch eine alles
an Preußen aufopfernde Nachgiebigkeit Oesterreichs, sondern nur
auf Grund gemäßigter Bedingungen, als welche uns die in der
Neuen Badischen Landeszeitung aus Paris vom 21. Juli gemel-
deten noch die wahrscheinlichsten scheinen.
Die Propositionen, worüber der Wiener Hof sich zu ent-
scheiden hatte, waren nach Zuverlässiger Quelle folgende: Preu-
ßen beansprucht kein österreichisches Gebiet; annexirt nur die
Elbherzogthümer und Geestemünde, regulirt seine Grenzen nur
nach der Nothwendigkeit, übernimmt die militärische und diplo-
matische Führung bis zum Main. Bayern, Württemberg, Ba-
den, Darmstadt, Nassau und Frankfurt bilden einen neuen Bund.
Letzterer kann mit Oesterreich Conventionen schließen. Preußen
rechnet nur die Hälfte seiner Kriegskosten an und diese Hälfte
wird auf Oesterreich und seine süddeutschen Verbündeten repar-
tirt. Frankreich behält sich Compensationsansprüche für die
definitive Reorganisation Deutschland's vor.
Heidelberg, 23. Juli. Der Timescorrespondent/im öster-
reichischen Heere schreibt u. A, Folgendes: /
 
Annotationen