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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 14-25 (1. Feburar - 27. Februar)
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L.
F.

Jacob Lindau^ Kaufmann in Heidelberg, Kreisabgeordneter.
Ioscph Maier, Bürgermeister in Malsch, Kreisabgeordpeter.
Hyronimns Nopp, Kaufmann in Philippsburg, Kreisabgeord.
Geora Rolli, Kaufmann in Wiesenthal, Kreisabgeodneter. Er-
satzmann.

G.
3.

Erhaltung des religiösen Friedens geeignet erscheinen.
Bei der Wichtigkeit der Sache erwarten wir einen zahlreichen Besuch.
R. Großmann, Pfarrer in Oestringen; Kreisabgeordneter.
I. Nuhn, Pfarrer u. Capitelskammerer in Mingolsheim;
Kreisabgeordneter.
Obcrlt, Pfr. der St. Paulspfarrei in Bruchsal, Kreisabg.
Ä.. Schmidt, erzbischöfl. Dekan in Dielheim, Kreisabgeord.
Ersatzmann.

Ginladung.
Die in jüngster Zeit zu Tage getretenen systematischen Bestrebungen zur Einführung der obligatorischen Civilehe (bürger-
lichen Zwangsehe) erscheinen den Katholiken als
1) ein Angriff auf die Glaubenslehre der katholischen Kirche,
2) ein Versuch, das katholische Volk gegen die Vorschriften seiner Kirche gleichgültig zu machen,
3) in sozialer Beziehung höchst gefährlich,
4) ein vermessener Versuch, den confessionnellen Frieden in unserem Lande aufs Neue tief zu stören.
Die bürgerliche Zwangsehe ist aber auch
5) unter den obwaltenden Verhältnissen für den Staat kein Bedürfniß und von dem katholischen Volke
entschieden verabscheut.
Die Unterzeichneten halten es für ihre Pflicht, die Katholiken Badens auf diese Thatsachen aufmerksam zu machen und
laden deßhalb ihre katholischen Mitbürger, welche die Erhaltung des christlichen Charakters der Ehe für uns Katholiken als eine
heilige Aufgabe betrachten, und welche das Recht, in Uebereinstimmung mit den Lehren ihrer katholischen Kirche leben zu dürfen,
also ihre Gewissensfreiheit nicht durch angestrebte Neuerungen verletzt sehen wollen, zu einer Versammlung
auf Donnerstag den 13. Februar, Nachmittags 2 Uhr,
auf die Reserve in Bruchsal
freundlichst ein, um über die Schritte zu berathen, welche zur Abwehr der uns Katholiken aufs Neue drohenden Gefahr, sowie
zur.- - .

Zur Fastnacht.
In den letzten Jahren sind manche gefährliche Epidemien
— Dank einer gütigen Vorsehung — von uns in Baden ab-
gewendet worden; doch haben wir bereits allzulange an einem
hartnäckigen Ausschlag gelitten, den die tückische Schulkrank-
heit überall hin verbreitete. Jung und Alt wurde davon be-
fallen, auf dem Laude wie in den Städten grassirte das Uebel
gleichmäßig, wer nicht zur Auswanderung sich entschloß, trug
seine Spuren auf dein ganzen Körper. Wie manchem armen
Teufel ging es sogar an den Geldbeutel, wie vielen Anderen
stieg es ins Gehirn und wie groß war die Masse derer, welchen
es die Milz angriff und die Hypochondrie beförderte; nur den
Staatshämorrhoidarieru brachte es Linderung und ersparte ihnen
gar häufig den Ragozy. So wenig wie gegen die Trichinen
ist gegen es ein Spceificum gefunden, was um so befremdlicher
erscheinen muß, als bekanntlich in Baden die berühmtesten
Aerzte weilen und wie nirgends ein ganzer Schock prakticirender
Professoren und Doetoren purgirt, auscultirt, percutirt, per-
forirt u. s. w.
Aber, o Schicksal! „das ist der Fluch der bösen Thal, daß
sie fortwährend Böses muß erzeugen." Die Schulkrankheit hat
bereits ein anderes Uebel hervorgerufen — die Langeweile.
Ja, die Langeweile, sie ist eine furchtbare Krankheitserscheinung,
sie wird mehr Opfer fordern als die Cholera. Hat doch die
Langeweile in der Politik zu den blutigsten Kriegen, zu den
ärgsten Revolutionen geführt; ohne die Langeiveile des fran-
zöstschen Volkes würde heute noch das Geschlecht des baum-
wollnen Regenschirms auf dem Throne sitzen, ohne Langeweile
als Professor in Freiburg wäre Herr Lamey nicht in die
Kammer getreten und ohne Herrn Lamey (versteht sich inclusive
des Pedellen an: Landgraben) bestünde heute noch das Concordat.
Für die bisherigen bändigenden Battys der Langeweile ist eine
Zeit hereingebrochen, die ihnen folgenreicher und verderblicher sein
muß, als dieZeit der Erfiudung des Pulvers und der Dampfkraft.
Mit dem besten Willen können sie dein verwöhnten Gaumen
kein Gericht mehr vorsetzen, welches der Krankheit steuert. Armer
Hauser, trauernder Rodrian und unglückseliger Auchlieutenant,
der Du, vorgreifend dem heutigen Tage, schon lange als ächter

Sancho Pansa mit der Barbierschüssel Deines Herrn und Meisters
die Straßen durchziehst! Vou)our8 psrärix!
Nicht wahr, das ist ein jäher fürchterlicher Sprung von der
üppigen Kost der 7 Weisen des Morgenlandes, der großen Geister
mit ihren Prophetengaben, herab bis zu der saftlosen Brühe
der Haagbefreundeten! Selbst das Dessert aus der unsaubersten
Garküche ist verschwunden, die „Dudelsackspfeifer" sind ver-
griffen, Ihr könntet höchstens noch mit duftendem Spreewaffer
kochen.
Es war ein harter Schlag, den, ohne daß er es einge-
stehen darf, weil er durch eine Hand von Oben kam, Euer
UorckitLx Naxiurrm des Landgrabens am Langohr entgegen-
nehmen mußte; ja es ist mehr wie grausam, wenn ein Renom-
mist, der heute die ganze Welt herausfordert, morgen offen be-
kennen muß, seine Waffe sei Stroh. Und nun folgt ihm die
Sippe im langen Chor gleich dem Grabeszug im unsterblichen Werk
Eures Zukunftsmusikanten. Doch hinweg von Euch, die Schellen-
kappe soll mir heute heilig sein. Ich empfinde ein anderes Gefühl
— das Gefühl des Mitleids. Wer ist der Unglückliche, den ich zu
beklagen, den ich zu trösten und aufzurichten habe? Es ist der
Fortschrittsphilister aus dem Myriadengeschlechte der Piepmeier.
Seinen: lang umhergetrageuen Uebel des Weltschmerzes hat sich
gleichfalls die Langeweile zugesellt und was das für ihn heißen
will, das versteht nur der, der mit ihm fühlt und denkt, d. h.
ißt und trinkt.
Wie kann der Frühschoppen munden, wie dabei die sauren
Nieren schmecken, wie der Vieruhrschoppen beim Käse und wie
der Schlaftrunk ohne die Würze der Politik! Es ist traurig
genug, daß Schneider Johnsons Glück den amerikanischen Krieg
beendet hat, daß die Araber in Algier wieder Raison ange-
nommen haben, daß die Tscherkeffen nichts mehr vom Krieg
wissen wollen und auswandern, daß die Polen sich ducken müs-
sen, daß Napoleon alt wird und friedfertig; aber zum. Ver-
zweifeln ist es,, daß keine Volksversammlung, kein National-
verein Stoff zur Unterhaltung bietet, daß nicht einmal die
Schöffensitzungen Pikantes bringen, dagegen nichts wie Trichinen,
Wölfe und Geschäftsnummern bei sauren: Auchbier aus die
Tagesordnung gesetzt werden. Auch Rogeard läßt sich uicht in
den Kneipen sehen, noch viel weniger Onno Klopp oder Zander.
Deshalb Valet dir, Auchbier und Käse, Gaisberger und
 
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