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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 90-102 (2. August - 30. August)
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Bote

Dienstag den 14. August

Pfälzer
Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, §
Donnerstag und Samstag.

Baden.
* Heidelberg, II. Aug. Wir hatten gestern und vorge-
stern verschiedene Truppendurchzüge von Preußen, die aus dem
Odenwald kommend, hier, in Mannheim und der Bergstraße
einquartiert wurden. Die Mannschaften gehören — mit Aus-
nahme der Cavallerie (grüne Husaren) — sämmtlich den Rhein-
landen und Westphalen an. Ausgefallen ist uns beim Einmärsche
derselben das nach so vielen Strapatzen und Märschen vortreff-
liche Aussehen uno die leichte bewegliche Haltung der Mann-
schaft. Nur wenige Fußleidende und Augenkranke folgten den
Bataillonen zu Wagen. Wir dürfen uns darüber weniger wun-
dern, weil in preußischen Garnisonen, wie wir von militärischer
Seite erfahren, weit mehr anstrengende Märsche und Exercitien
durchgemacht werden müssen, als bei unsern süddeutschen Trup-
pen. So kommt es, daß die Preußen im Frieden bereits an
die Strapatzen des Krieges vollkommen gewöhnt sind, was man
von unfern Leuten, die nach verhältnißmäßig unbedeutenden
Märschen sich gänzlich erschöpft zeigten, leider nicht sagen kann. !
Auch in dieser Beziehung könnte daher nach dem Eintritt des
Friedens gar Manches gelernt werden. Was aber wesentlich !
zum Siege der Preußen beitrug und nicht geringer anzuschlagen
ist als die Ueberlegenheit der Züudnadelgewehre ist das unbe-
gränzte Vertrauen der Solvaten zu ihren Vorgesetzten als
Führern, wie wir aus dem Munde vieler preußischen Solda-
ten selbst wiederholt zu hören Gelegenheit hatten. Von unsern
süddeutschen Truppen — und wir haben gar Viele gesprochen
und mit manchem tapfern Soldaten ein Glas Bier getrunken —
haben wir in dieser Beziehung ganz andere Dinge zu hören be-
kommen, die nichts weniger als erbaulich für die Fähigkeit der
obersten Leitung klangen. Namentlich hatten wir unlängst Ge-
legenheit, in der bayerischen Pfalz die bittersten Aeußerungen
bayerischer Soldaten auf Bahnhöfen in Gegenwart eines zahl-
reichen Publikums mit anzuhoren, Aeußerungeu, die in offenster
und unzweideutigster Weise das Wort eines bayerischen Solda-
ten in der Pfälzer Zeitung Wiedergaben: „Wir wären wohl mit
den Preußen fertig geworden, wenn wir keine — Generäle ge-
habt hätten!" Ein Hauptunglück liegt auch iu Oesterreich und
Süddeutschland bekanntlich von jeher darin, daß man meint,
möglichst viele Prinzen an die Spitze der Heerkörper stellen zu
müssen, als ob diese vornehmen Herren die einzigen gebornen
Feldherrn wären. Es ist dieser Uebelstand schon bis zum Ue-
berdruß in Zeitungen und Geschichtsbüchern seit vielen Jahren
gerügt worden, aber trotz alldem ohne jeden Erfolg. Sollte der
süddeutsche Bund zu Stunde kommen, so wird namentlich auf
diesen Punkt bei Reorganisation des Militärwesens alle Aufmerk-
keit verwendet und insbesondere der Armee überhaupt eine mehr
volksthümliche Gestaltung gegeben werden müssen.
Zum Schlüsse müssen wir noch eonstatiren, daß man auf
Seiten der Bundesarmee es nicht verstanden hat, zur richtigen
Zeit und am richtigen Ort die gehörige Truppenzahl — trotz
der überlegenen militärischen Kräfte der Verbündeten — den
Preußen entgegenzustellen. Kleine, oft winzige preußische Ab-
teilungen erschienen bald da, bald dort in der Nähe der Ver-
bündeten und veranlaßten durch ihr Erscheinen die Führer der
Bundestruppen, die niemals die Stärke des Feindes zu kennen
schienen, ihnen größere Heerkörper entgegenzuwerfen. Während
nun aber die kleinen preußischen Abteilungen sich mit größter
Behendigkeit den Angriffen der Unsern entzogen und diese durch
das planlose Hin-, und Hermarschiren verzettelt und erschöpft
wurden, griff die Hauptmacht der Preußen plötzlich mit überle-
genen Massen an einem andern Punkte die Unsern an und
brachte ihnen trotz aller Tapferkeit entschiedene Niederlagen bei.
Auf unserer Seite waren es immer nur einzelne Regimenter,
die ins Feuer geschickt und wieder durch andere mühselig abge-
löst wurden, während der vom Schauplatz weit hin zerstreute
Kern des Heeres gar nicht zum Schlagen kam. Die Preußen
dagegen verstanden vortrefflich die Kunst Napoleon'sl., mit e on-

centrirten Massen am geeigneten Pnnkte die Entscheidung
herbeizuführen. Unsere süodeulschen Soldaten sind äußerst ker-
nige Nainren und durchweg körperlich kräftiger als die Preußen;
aber was nützt das alles heut zu Tage, wenn die Führer das
ABC der Kriegskunst nicht zu begreifen vermögen?
* Heidelberg, II. Aug. „Der Pfälzer Bote erscheint setzt
wieder", schreibt die Landesbase, nm die Lüge zurückzunehmen,
die sie in die Welt geschickt hatte, daß der Pfälzer Bote einge-
gangen sei. Allein ganz kann das einmal ans Lügen gewöhnte
Karlsruher Blatt doch das Lügen nicht lassen und so wird
denn behauptet, — die Herausgabe (des Boten) habe „nur etwas
gestockt", während doch keine Nummer unsrers Blattes ausge-
blieben, ja nicht einmal um eine halbe Stunde später als sonst
erschienen ist. Nach der Landesbase soll dieses erlogene „Stocken"
des Pfälzer Bolen mit der Flucht der Herren Lindau und vr.
Bissing jun. im Zusammenhänge stehen. Nun ist aber Ersterer
auch nicht eine Stunde von hier abwesend gewesen und Letzterer,
zwar wiederholt vor wie nach der preußischen Occupation
verreist, hat nie länger als ein bis zwei Tage auswärts
sich aufgehalten. Auch den in Stuttgart weilenden Häuptern
der Demokraten hat die alte Base die gleichen albernen Vor-
würfe wiederholt gemacht, wie jetzt mit weit weniger Grund
einem oder dem andern der Unsrigen. Eine unserer Correspon-
denzen aus Stuttgart in Nr. 89 des Boten hat ihr darauf
die schlagendste Antwort gegeben, wenn sie sagte: „Wollen die
Herren Gothaer uns gefälligst zunächst beantworten, wo sie in
der Welt herumgezogen sino, als die Demokraten im Jahre 49
die Herrschaft hatten? Sind s i e da vielleicht auf ihren Posten
geblieben? Wir wissen freilich, daß die Gothaer nichts lieber
gesehen Hütten, als wenn die hervorragenden Männer auf
unsrer Seite sammt und sonders von den Preußen hinter
Schloß und Riegel gesperrt worden wären, damit die Bewun-
derer Bismarck's bei der nun folgenden Agitation für oder
gegen den preußischen Bundesstaat völlig freien Spielraum er-
hielten. Wir freuen uns, daß die Gothaer sich in diesem Wunsche
getäuscht sehen" u. f. w., ja, es wird in dem betr. Artikel mit
Recht geradezu als ein Verbrechen gegen die Partei selbst hin-
gestellt, wenn einzelne Führer derselben sich in dem Augenblick,
wo man ihrer Kräfte am meisten benöthigt ist, völlig unschäd-
lich machen lassen wollten. Potz Element! wir wollten doch die
langen Beine des Hrn. Hauser u. Comp. bewundert haben, wenn
bei veränderter Sachlage die Oesterreicher in Karlsruhe einge-
zogen wären!
lieber Eines aber müssen wir die Landesbase ernstlich um
Aufschluß und genauen Nachweis ersuchen. Sie wirft dem
Pfälzer Boten vor, daß er die Protestanten hasse und befehde.
Wo in aller Welt ist dies aber jemals von uns geschehen?
Haben wir uns nicht lediglich in diesen Dingen rein defensiv
verhalten? Ja wenn die Landesbase uns den Nachweis liefern
kann, daß wir uns gegen den Protestantismus als solchen je-
mals feindlich und aggressiv benommen haben, so sind wir
ebenso bereit wie der Bad. Beobachter ihr das gleiche werth-
volle Papier zum Geschenke anznbieten. Was die Base ferner
vorn Hassen und Befehden „seiner protestantischen Negierung"
dem Boten vorfaselt, ist dieser nicht im Stande zu begreifen;
denn wir haben bisher nicht gewußt und glauben daß man im
Ministerium auch nichts davon weiß, daß die Regierung eine
specisisch „protestantische" sein solle, während 2/3 der Bevölkerung
katholisch sind. Das ist also baarer Unstnn, liebe Base, dum-
mer Spuck, der sich in dem Schädel dieses oder jenes pfäffischen
Zeloten am schönen Neckarstrande herumtreibt.
Was endlich den Verfasser des Landesbasartikels anbelangt,
so ist er — trotz der veränderten Correspondenzzeichen — an
einer alten Marotte unschwer zu erkennen: es ist das harmlose
Lied vom Kaiser Franz, das er — lächerlich genug — früher
wiederholt als eine Denuneiationswaffe gegen uns gebraucht
hat und jetzt mit um so mehr Effekt wieder zur Anwendung
 
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