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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 40-50 (5. April - 28. April)
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Pfälzer
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Donnerstag und Samstag.


Bote

und Land.

Preis: vierteljährl. 40 kr. ohne Trage-
lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 !r. d.Z.

43. Donnerstag, den 12. April 1866.


„Das Verfahren der deutschen Großmächte gegen
Schleswig-Holstein und den Bund."
(Schluß.)
Was die Bundesreform selbst anbelangt, so glaubt Herr
v. Lerchenfeld, daß sie nicht länger hinausgeschoben werden dürfe.
„Nicht darum handelt es sich, ob alle Verhältnisse zur Zeit
einer solchen günstig sind, ob sie jetzt die meiste Aussicht auf
einen völlig entsprechenden Verlauf und Erfolg biete, sondern
ob sie überhaupt noch länger hinausgeschoben werden kann.
Wer aber die Vorgänge seit November 1863 nur mit
einiger Aufmerksamkeit verfolgte, der wird über die Antwort
nicht in Zweifel sein. Die Art und Weise, wie die schleswig-
holstein'sche Frage behandelt, wie sie von den beiden deutschen
Großmächten im offensten Widerspruche mit den klarsten Be-
stimmungen des Bundesrechtes hingehalten wurde und wird,
hat die gänzliche Wirkungslosigkeit der Bundesgesetze Jenen
gegenüber sonnenklar gezeigt und dadurch nicht nur den bitter-
sten Unmuth des deutschen Volkes, sondern auch den Hohn und
die Mißachtung des Auslandes wachgerufen. Wie sich aber in
der schleswig-holsteinischen Frage die vollständige Nichtigkeit der
Bundesverfassung gezeigt hat, fo ist auch deren inniger Zu-
sammenhang mit der Reform derselben unverkennbar. Nicht
um schwierige, verwickelte Rechtsfragen handelt es sich dort, das
Bundesrecht ist gerade in dieser Beziehung eben so klar wie
die in Frage stehenden Gesetze der Herzogthümer: — es handelt
sich nur darum, ob das Bundesrecht, ob die Landesgesetze, ob
das Rechtsbewußtsein des gesummten deutschen Volkes schließlich
maßgeben soll, oder das Belieben der Großmächte — eigentlich
nur einer derselben — und das unverantwortliche „Macht geht
vor Recht" gewisser Leute!
Es handele sich hier wesentlich um eine Frage der Macht,
wird man von gewisser Seite höhnend einwenden, und Niemand
wird leugnen, was so klar vor Augen liegt. Nur eins wird
dabei nicht außer Acht zu lassen sein: die Macht ist nicht eine
bloße Frage der Mechanik und Arithmetik, sie entscheidet sich
nicht bloß nach Standesausweisen über Regimenter und Ge-
schütze und strategischen Operationsplanen, — die göttliche Welt-
ordnung räumt auch den sittlichen Elementen eine Geltung ein,
wovon freilich gar viele Minister und Generale keine Ahnung
haben. Demohnerachtet besteht jene sittliche Macht der Idee
und hat sich im Laufe der Ereignisse schon unzähligemale eben
so unerwartet als unwiderstehlich geltend gemacht, sie hat die
Uneinigen zum festen Bund geeint, den Schwachen Stärke ver-
liehen und den Trotz der Uebermüthigen gebrochen. Was sie
einst, was sie fo oft gethan, das kann, das wird sie hoffentlich
auch diesmal thun. Geschieht es nicht, dann werden freilich
die letzten Dinge schlimmer sein als die ersten und jede Voraus-
setzung ist dann vergeblich — dann wird das düstere Schicksal
den Weg finden: — siegt aber das Recht, dann sei dieser Sieg
nicht ein kleinlicher, vereinzelter Erfolg, neben dein die alten
elenden Zustände fortbestehen, er sei ein vollständiger Sieg, und
Deutschland erhalte die Bürgschaft, daß Zustände, wie 'es sie
so lange mit Beschämung nnd Erbitterung getragen, sich nicht
wiederholen werden, nicht wiederholen können.
Die Aufgabe, um welche es sich handelt, muß vorzugsweise
die sein, dem Bunde eine Organisation zu geben, bei welcher
neben der physischen Macht der Einzelregierungen auch jene
geistige Macht zur Geltung kommt, welche in der Bildung, in
dem Rechtsbewußtsein und der sittlichen Kraft des Volkes liegt.
Seitdem das in allen Einzelstaaten geschehen, ist es ein Gebot
der Nothwendigkeü, es auch für die Gesammtheit des im Bunde
vereinigten deutschen Volkes zu thun.
Der deutsche Bund ist seinen Grundbestimmungen nach
nicht eines jener vorübergehenden Verhältnisse, welche im kleb-
rigen sich fremde Staaten nach den Bedürfnissen des Augen-
blickes schließen und löten: er soll Deutschland jene Vereint-

gung seiner Kräfte und Interessen sichern, durch welche es allein
im Stande ist, die Stellung einzunehmen, die Aufgaben zu lösen,
welche ihm seine geistigen und materiellen Hülfsmittel und seine
Geschichte anweisen: er ist nicht ein blos völkerrechtliches Ver-
hältniß, er hat immerwährende Zwecke und bedarf einer dieser
Bestimmung entsprechenden Verfassung, entsprechender Organe."
Der Herr Verfasser verlangt daher vor allem die Betheili-
gung des deutschen Volkes an der Ordnung seiner eigenen An-
gelegenheiten.
„In der Volksvertretung am Bunde liegt unverkennbar der
Schwerpunkt der ganzen Reform. Selbst die Frage der Cen-
tralgewalt, deren Schwierigkeit keineswegs unterschätzt werden
soll, ist wesentlich dadurch bedingt. — Sie ist allerdings vor-
zugsweise eine Frage der Macht, aber auch hier fallen die
moralischen Elemente, welche in der Volksvertretung liegen,
schwer ins Gewicht. Die Erfahrung der letzten Zeit hat zur
Genüge gezeigt, wohin es führt, wenn lediglich die materielle
Gewalt entscheidet, wenn Oestreich und Preußen mit ihren noch
so vielfach widerstreitenden Ansichten und Interessen sich nur
verständigen, um Deutschland einmal zu den Zwecken ihrer
Großmachtspolitik zu gebrauchen, wenn selbst die Mehrheit der
Bundesstaaten der Uebermacht jener gegenüber ihr gutes Recht
nicht zur Geltung bringen kann! — Ist aber anzunehmen, ist
es nur denkbar, daß die Mehrheit am Bunde so haltlos hin
und hergeschwankt hätte, wenn neben dem sorgfältig verschlosse-
nen Sitzungssaale der Bundesversammlung auch die Vertreter
des deutschen Volkes, — und wären es immerhin auch nur
jene seiner Zeit so bitter angefeindeten Delegirten gewesen,
— die Ansichten, die Rechtsüberzeugungen des deutschen
Volkes in gesetzlich berechtigter und dafür anerkannter Weise
auszusprechen, seine Interessen geltend zu machen in der Lage
gewesen wären, — hätte ein Mehrheitsbeschluß der Bundesver-
sammlung, dem die Mehrheit der Volksvertretung zur Seite
stand, so unbeachtet, so durch diplomatische Abmachungen lahm
gelegt werden können?
Es ist nicht zu leugnen, die hier geltend gemachten Vor-
schläge sind nur eine schwache Abschlagszahlung den großen
Hoffnungen und Erwartungen gegenüber, welche von mancher
Seite angeregt wurden: — allein auch die großen Dinge fan-
gen klein an, — und wer nicht beginnen will, wenn er nicht
sofort das vollendete Ganze in seinem weitesten Umfange er-
langen kann, wird eben nie etwas erreichen. — Die Geschichte
der Reformbestrebungen auf allen Gebieten liefert dafür eben
fo zahlreiche als lehrreiche Belege!
Nichts ist leichter, als ausführliche Systeme der besten
Bundesverfassung, geistreiche Abhandlungen über die Unter-
schiede von Bundesstaat und Staatenbund, über die zweck-
mäßigste Gestaltung der Centralgewalt ans dem Papiere aus-
zuarbeiten.
Leicht bei einander wohnen die Gedanken,
„Doch hart im Raume stoßen sich die Dinge!"
„Wo Eines Platz nimmt, muß das Andre weichen,
Da herrscht der Kampf, und nur die Stärke siegt!"
Nicht darum handelt es sich im Leben, was wohl, der
Theorie nach, das Beste wäre, sondern was unter den ge-
gebenen Verhältnissen erreichbar ist. — Deutschland zählt nun
einmal unter seinen Staaten Oestreich und Preußen, von denen
jedes dem gesummten übrigen Deutschland an Machtmitteln
mindestens gleich steht, wohl überlegen ist, die also nur dann,
wenn sie uneins sind, wenn mindestens eines derselben in der
Mehrheit sich befindet, sich zur Nachgiebigkeit veranlaßt sehen
können. — Es ist nun nichts leichter, als dies Verhältniß un-
beachtet lassen oder dessen Beseitigung empfehlen, — es heißt
das aber in Wirklichkeit nichts anders, als Krieg bis auf das
Messer oder eine Revolution, welche mindestens den einen Groß-
staat vernichtet. Freiwillig wird sich^ keiner von beiden dem
andern unterwerfen, eben so wenig sich aus Deutschland hin-
 
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