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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 116-128 (2. Oktober - 30. Oktober)
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Pfälzer »H Bote
für SIM und Land.
M 127. Samstag den 27. October 1866^

* Noch nie dagewesen! Höret und staunet, Ihr
Freunde des Boten!
Die alte Landesbase, die den Boten „confessioneller Hetze-
reien" zu zeihen wagte, wurde von diesem arg in die Enge ge-
trieben, indem er von ihr die Beweisstücke sorderte und sie, so
lange letztere nicht erbracht werden könnten, der schmählichsten
Schurkerei und Büberei bezichtigte. Zu einer so schmeichelhaf-
ten Aufforderung durfte die Base natürlich nicht stillschweigen,
sondern mußte in den früheren Nummern des Boten nachbläs-
tern, um diesem recht gründlich darzuthun, wie er die Katholi-
ken gegen ihre protestantischen Mitbürger „gehetzt" habe. Doch !
laßt uns sehen, was für eine große Maus der fchwellende Land- >
graben geboren hat.
Die Vase bringt eine Menge von Kraftausdrücken des Bo-
ten gegen die Gothaer, wie „Schufte", „Verräther", „character-
loses Gesindel", Ausdrücke, die der Bote niemals zu revociren
gesonnen ist. Was hat denn das aber mit „confesfionellen
Hetzereien" zu schaffen? Der Herr StaatsanwaltRegensbür-
ge r, der vielleicht in Betreff der Gothaer pro clonio sprach,
hat in dem Prozeß des Pfalz. Boten bereits auf Strafe hierfür an-
getragen, weil die Gsthaer eine anerkannte politische Partei!
seien, was freilich auch die „Schwärzen", die „Rothen" u. f. w. !
find, ohne daß sie als solche klagberechtigt wären; nun kommt
aber gar die Landesbase und scheint den Gothaern eine con- s
fessionelle Eigenschaft bsUsgsM zu wollen, so daß alle An- -
griffe auf sie zugleich dem Protestantismus zu gelten hätten!
Hei, das'ist lustig! Was hat man nicht alles schon mit den ar-
men Gothaern angestellt! Der Bote leugnet also gar nicht, daß
er gegen diese „Gothaer" stark zu Felde gezogen ist, begreift
aber nicht, wie die Base daraus confessionelle Feindseligkeiten
ableiten mag, zumal sa unter den Gothaern gewiß nicht minder
viele Katholiken als Protestanten vertreten find!
Mit Uebergehung also dessen, was uns die Base in Betreff
der Gothaer zur Last legt, was bleibt da noch von „confessionel-
len Hetzereien" übrig? Komischer ist noch nichts dagewesen, ko-
mischer aber hat sich auch noch nie eine Verlegenheit ausge-
nommen als die der Base. So rechnet es diese unter die „con-
fessionellen Hetzereien", wenn der Bote es getadelt hat, daß ir-
gendwo keiner von den (katholischen!) Schulräthen bei der
Frohnleichnamsprozession anwesend war. Welch' schreckliche
Hetzerei! Ferner wird es dem Boten zum Vorwurf gemachl, daß
er berichtete, die Katholiken in Plankstadt wollten eine eigene
Wirtschaft haben, weil sie sich in den protestantischen Wirths-
häusern tagtäglich den gröbsten Schmähungen ausgesetzt sähen.
Und das soll „confessionelle Hetzerei" fein, wenn die friedlieben-
den Katholiken von den Orten fern bleiben, wo sie sich unaufhörlich
geschmäht seheu und wenn sie — gerade um des lieben Frie-
dens willen und zur Vermeidung kircff confessioneller Hetzereien
und Anfeindungen — für sich eine Wirtschaft zu haben wün-
schen, in welcher sie ungekränkt nach des Tages Mühen ihr Glas
Bier trinken können? Wenn die Base Verlangen darnach hat,
wollen wir ihr, durch Unterschriften katholischer Landleute be-
glaubigt, die haarsträubendsten Dinge über die „confessionellen
Hetzereien" von der Seite bringen, die zu der Partei der Lan-
desbase steht und deren kirchliche Anschauungen theilt. Dann
folgen — außer den ans die Gothaer bezüglichen Stellen —
verschiedene gegen Lamep gerichtete Aeußerungen, die aber doch
wahrlich nicht als „confessionelle Hetzereien" betrachtet werden
können, da unsers Wissens Herr Lamep bis jetzt noch nicht als
das Haupt irgend einer staatlich anerkannten Confession zu be-
trachten ist, obgleich eine seiner berühmten Reden, in welcher
er die Katholiken als „Gimpel" bezeichnete, was natürlich keine
„confessionelle Hetzerei" in den Augen der Landesbase war, ihm
vielfache Bewunderung zugezogen hat.
Doch weiter! Die Base macht uns sogar zum Vorwurf,
daß wir den württembergischen Landtag und das hinter ihm

stehende Volk der biedern Schwaben lobten. Was hat denn
das mit „confessioneller Hetzerei" zu thun? Oder ist es ein
— am Ende gar „confessionelles" Verbrechen — wenn man
auch einmal andere Regierungen, Volksvertretungen und Völker
lobt, als immer nur Baden und wieder Baden? Ist man bei
uns so sehr an's Lobhudeln gewöhnt, daß man nicht einmal
das Andern zukommende Lob ohne Neid hören kann?! Traurig
genug, wenn es unsre Musterpresse dahin gebracht hat!
Weiter wird als Beweis Seitens der Base angeführt, daß
der Bote sich über die „Gesinnungstüchtigkeit" eines Polizeidie-
ners lustig machte, der Adressen für Lamep warb, wobei das
Hauptverbrechen darin besteht, daß der Bote die Confession des
Polizeidieners (Protestant) angegeben hatte. Ist das nicht ent-
setzlich ? Auch daß bei der Frohnleichnamsprozession in Bruchsal,
wie man dem Boten berichtete, das Militär statt der Feuerwehr
das Ehrengeleite gegeben habe, wird zu einer „confessionellenHetze-
rei" gestempelt, was wenigstens über unser und wohl auch unsrer
Leser Begriffsvermögen geht. -Auch ka.^.es ebenso wenig eine
„confessionelle Hetzerei" sein, wenn-iwd^em Artikel aus Lau-
' denbach gesagt und bewiesen war, daß die Katholiken ihr Schul-
haus durch die andre Confession gegen alle Billigkeit eingebüßt
hätten, eine Thatsache, die nirgends, selbst nicht bei der Base,
Widerspruch gefunden hatte.
Endlich aber wird uns ein großes Verbrechen daraus ge-
macht, daß wir unsere Mißbilligung darüber aussprachen, daß
von Seiten unserer Gegner die Religion hereingezogen worden
sei und daß man oen unseligen deutschen Bruderkamps zu einem
Religionskrieg stemple. Stärker und mißbilligender kann man
sich doch wahrlich unsererseits nicht gegen die scheußlichen
„confessionellen Hetzereien" aussprechen, aber seltsamer Weise,
gerade unser Abscheu gegen ein derartiges Hereinziehen von con-
fessionellen Dingen wird uns zum Verbrechen gemacht, sowie
auch daß wir es mißbilligten, daß man Preußen immer für
identisch betrachte mit der „Herrschaft des modernen Protestan-
tismus." Wir sind also die Männer des confessionellenFriedens,
wir verabscheuen alle Hetzereien, die — stets von unfern Gegnern
ausgehend — diesen schon so schwer gefährdet haben. Was Wun-
dern, wenn wir jenen Hetzern zuriesen: „Gebt Acht, daß man
Euch nicht einmal die Schädel einschlägt" d. h. laßt um des
Himmelswillen alle religiösen Leidenschaften in politischen Din-
gen ruhen, laßt das „Hetzen", weil das Volk in diesen Dingen
keinen Spaß versteht und leicht sonst einmal handgreiflich wer-
den könnte! Wir würden ein derartiges Ausschreiten der Volks-
leidenschaften, wie sich von selbst versteht, tief beklagen, aber
gerade aus dieser Ursache war es ein wohlgemeinter Rath, alles
i das zu unterlassen, was die Erbitterung des Volkes noch höher
steigern und möglicherweise zu bedauerlichen Excessen führen
könnte.
Was aber hat dagegen die Landesbase im Punkte „con-
! fessioneller Hetzerei" geleistet? Wäre es möglich, die Tausende
! von Stellen zusammenzutragen, die das unselige Treiben dieses
! Blattes kennzeichnen würden? Wir wollen uns dieser Mühe
nicht unterziehen — wir haben ja ohnehin eine Masse der
frappantesten und saftigsten Sätze und Drohungen jenes Blattes
! fast in jeder Nummer des Boten unfern Lesern vor Augen
! geführt. Von dem Ausdruck: „Schlagt ihn todt, den Hund, er
ist ein Jesuit" bis zu den neuesten Halsabschneiderdichtungen,
! die, wie wir aus sicheren Mitttzeilungen erfahren, in letzter
Zeit wesentlich dazu beigetragen haben, den allmählich sich schlie-
! ßenden Riß zwischen Katholiken und Protestanten zur breitesten
! Kluft auf dem Lande auseinanderzureißen, ist es eine lange
! ununterbrochene Kette der giftigsten Katholikenschmähungen und
der furchtbarsten „confessionellen Hetzereien", wie sie wohl ein-
! zig in der Presse irgend eines Landes dastehen dürsten, wobei
! die niedrigsten und verächtlichsten Denunciationen von Persön-
I lichkeiten noch nicht einmal in Anschlag gebracht sind.
 
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