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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 77-89 (3. Juli - 31. Juli)
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Donnerstag und Samstag.

' für Stadt


Bote

M LkO.

Preis: vierteljährl. 40 kr. ohne Träger-
lohn u. Posiausschlag. Jns.-Geb. 2 lr. d.Z.

M. 78. Donnerstag den 5. Jnli 1866.


Einladung znm Abonnement.
Da mit dem 1. Juli ein neues Abonnement beginnt, so ersuchen wir unsere auswärtigen Abonnenten, ihre Bestellungen
rechtzeitig zu erneuern. Auch ist jeder Landpostbote verpflichtet, Bestellungen anzunehmen und Zu besorgen. Für Heidelberg,
Neuenheim und Schlierbach nimmt Anmeldungen entgegen die Expedition von L. Schweiß.
Bestellungen in Paqueten (nicht unter 10 Exemplaren), wobei wir auf je 10 Exemplare eilt Freiexemplar geben, wolle
man gleichfalls an die Expedition des Blattes richten, und ersuchen wir besonders die seitherigen Empfänger, uns recht bald die
Zahl der gewünschten Exemplare mitzutheilen.
Der Preis des Blattes — 40 kr. ohne Postausschlag — bleibt derselbe. Inserate, st 2 kr. die Spaltzeile, erfahren bei
der großen Auflage unseres Blattes die beste Verbreitung.
Heidelberg, den 13. Juni 1866.
Die Redaktion.

B ade u.
Heidelberg, 2. Juli. Gestern hatten mir die Freude, die
ersten Bundestruppen in unfern Mauern zu beherbergen; es waren
württembergische Reiter und Artillerie, die uns heute früh bereits
wieder nach der Bergstraße verließen. Betrübend war nur der
eisig-kalte Empfang, der den biedern, martialisch aussehenden
Schwaben zu Theil wurde, worüber wir laute Klagen unter den
Offizieren und Gemeinen hörten. Um so mehr muß es hervorge-
hoben werden, daß auf ergangene Einladung das hiesige kaihol.
Casino ungefähr 50 württemb. Krieger in seinem Lokale festlich
und splendid bewirthete, wofür die biederen Krieger ihren herz-
lichsten Dank aussprachen, mit der Nersicherumg, daß ihr Aufent-
halt in den Räumen der Gesellschaft ihnen die einzige freudige
Erinnerung an Heidelberg bleiben würde. Bis gegen Mitternacht
herrschte die lebhafteste fröhlichste Unterhaltung; feurige Reden
wechselten mit muntern wie ernsten Gesängen und nut stürmischen
Hochs wurde des Kaisers von Oesterreich, des Königs von Würt-
temberg und unseres Großherzogs gedacht. Daß Deutschland und
die Bundeskrieger nicht vergessen wurden, versteht sich von selbst.
* Heidelberg, 2. Juli. In dem Augenblick, in welchem
Deutschland am Wendepunkt seiner Geschicke steht und Tausende
von braven jungen Männern, fern von der Heimath und den Ih-
rigen, in der furchtbarsten Julihitze marschiren und kämpfen,
entbehren und dursten, verwundet und sterbend aus den Schlacht-
feldern liegen müssen, da ist es für unser Gefühl stets ein wider-
licher, zornerregender Anblick, wenn wir in öffentlichen Anschlägen
mit fetten Buchstaben die zahllosen Tanzmusiken angezeigt finden,
wie sie in Städten und deren nächster Umgebung fast wöchentlich
einmal vorkommen. Wir meinen, noch nie sei ein ernsterer Buß-
nnd Bettag, ein traurigerer Aschermittwoch über das Vaterland
hereingebrochen, als jetzt, — und bei uns, weil wir noch nicht
so unmittelbar von der gräulichen Kriegsfurie heimgesucht worden,
tanzt man lustig drauf los. Ließe sich hier keine, dem schweren
Ernste der Zeit entsprechende Abhülfe treffen, und zwar um so
mehr, als diese Tanzmusiken in der Regel die Psuhllöcher aller
Rohheit und Gemeinheit zu sein pflegen?
(/Heidelberg, 4. Juli. Wir glauben unsere Leser besonders
da auf aufmerksam machen zu müssen, daß die Frankfurter Post-
zeitung, die Pfälzer Zeitung und die Kölnischen Blätter sich
kräftig und wiederholt gegen die Maßnahmen gegenüber der
großdeutsch-katholischen Presse Badens, insbesondere dem Pfälzer
Boten, ausgesprochen haben. Wir geben ein Beispiel aus der
Postzeitung, die andern weit stärkeren Artikel können wir wegen
nicht genügenden Spielraums unserer Presse unfern Lesern nicht
mittheilen. Die Frankfurter Postzeitung schreibt u. A.:
„Unter den großdeutschen badischen Blättern ist bisher
der hier erscheinende „Pfälzer Bote" dem Gothathum am schon-
ungslosesten zu Leib gestiegen. In Folge seiner Haltung wurden
drei frühere Nummern, die bereits erschienen waren, gerichtlich
angeklagt, sogar bei vielen Privaten durch Geusüarmen und
Polizisten wieder zurückverlangt, die heutige und vorgestrige
Nummer von der Polizei mit Beschlag belegt. Der Pfälzer
Bote verlangt Versöhnung, aber auch eine theilweise Aenderung

des Ministeriums, weil noch gothaische Größen darin befindlich.
Gleiches Schicksal hat der „Freiburger Bote" erlitten."
* Heidelberg, 4. Juli. Nach dem Oberrheinischen Courier
herrscht in Leipzig, wo die Preußensreunde von jeher ihr Nest
vorwiegend aufgeschlagen hatten, ein unerhörtes, schamloses De-
nuncialionswesen. Die Gothaer sind es natürlich, die dieses
saubere Handwerk — wie überall — so auch dort betreiben,
und zwar in so colossalem Maßstab, daß der preuß. Cominan-
dant ihrer Angebereien sich kaum mehr erwehren kann.
Saubere Vögel!
/X BoM Neckar, 3. Juli. Die neueste Preßverordnung
wird von der außerbadischen, wie von der demokratischen und
großdeutsch-katholischen Presse (so weit letzterer dies gestattet ist)
sehr ungünstig beurtheilt. Auch viele andere Dinge kommen
zur Sprache, die sich aus die Haltung Badens und die klein-
deutsche Presse dieses Landes beziehen, Dinge, die wir ber den
jetzt üblichen staatsauwaltlichen Belehrungen unbesvrochen lassen
müssen. Nur ermähnen wollen wir, daß die N. Franks. Zeitung
in Nr. 176 einen vortrefflichen Artikel aus Baden hatte, in
welchem die neueste Preßoroonnanz, die Haltung der Kammer,
das Zwangsanlehen u. s. w. mit Schärfe besprochen wird; fer-
ner hat die Neue Bad. Landeszeitung eine Reihe sehr bezeich-
nender Artikel über die gegenwärtige Situation gebracht, und
dazu kommt nun gar der von Meisterhand geschriebene Aufsatz
des demokratischen Wochenblattes über die Gothaer, den wir
unfern Lesern nicht vorenihalten werden. In der auswärtigen
Presse enthielten — außer der anvähnten N. Franks. Zeitung
— irr jüngster Zeit die Franks. Postzeitung, ein Blatt das mit
den Kreisen der großdeutschen Diplomatie in nahen Beziehungen
steht, die Kölnischen Blätter, die oft gemaßregelten, die trefflich
redigirte Pfälzer Zeitung, auch jetzt endlich wieder bas Mainzer
Journal, die Augsburger Allgemeine (über den „Ernst der
Lage," worücker die 8alvu vsuin Base so tief den Kopf hängen
läßt), der wüntembergsiche Staatsanzeiger, der sich aufs Kräf-
tigste gegen die schändlichen Auslassungen des genannten 8. v.
Blattes vom Landgrabru, die wünt. Truppen betr., verwahrt, aus-
gezeichnete Aussätze, die wir theils aus Mangel an Raum, theils
aus Mangel an Preßfreiheit unfern Lesern nicht mittheilen können.
Uebrigens mögen sich unsere Parteigenossen damit trösten, daß
man heut zu Tage, wo die Presse eine so gewaltige Macht auf
die Gestaltung der Diuge ausübt, unmöglich durch Maßregel-
ungen einzelner unbequem gewordenen Blätter der freimüthigen
Kritik den Mund stopfen kann; wir sehen vielmehr aus den
angeführten Beispielen, daß man jenseits der Gränzen unsers
Landes, wo größere Freiheit für die Presse besteht, namentlich
in den Staaten, in welchen die früher als Reactionäre verschrie-
enen v. der Pfordten, Varnbüler, Dalwigk das Ruder führen,
ein geneigtes Ohr bei den großdeutscheu Redaktionen sich zu
verschaffen weiß und wohl in der nächsten Zeit noch mehr zu
verschaffen wissen wird.
(7) Hemsbach, 30. Juni. Der hiesige Ort war vor eini-
gen Tagen der Schauplatz eines wahrhaft empörenden Vorgangs.
Nachdem schon seit einigen Wochen die hiesigen Protestanten und
 
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