Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

DOI Kapitel:
Nr. 77-89 (3. Juli - 31. Juli)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43883#0325

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Donnerstag und Samstag.

vierteljührl. 40 kr. ohne Trüger-
Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.Z.

ÜN 80.

Dienstag den 10. Juli

1866.

„Nur kein fauler Friede!"
Mit diesem Ausruf beginnt I)r. Ludwig Eckardt, der
Redakteur des demokratischen Deutschen Wochenblattes, die erste
Nummer seiner politischen Flugblätter, die nach Anzeige der
Verlagsbuchhandlung von I. Schneider in Mannheim rasch auf
einander folgen werden und die wir der Aufmerksamkeit unserer
Parteigenossen dringend empfehlen zu müssen glauben.
„Nur kein fauler Friede!" rufen auch wir, da noch lange
nicht aller Tage Abend ist und Oesterreich durch die Abtretung
Venetiens nunmehr nach jener Seite hin freie Hand erhält und so
im Stande ist, seine siegreiche italienische Armee rasch auf dem
böhmischen Kriegsschauplätze erscheinen zu lassen und so nochmals
mit mehr Aussicht auf Erfolg das Schlachtfeld betreten kann.
Die Abtretung Venetiens war ein meisterhafter diplomatischer
Schachzug, der mit einem Schlage der politischen Situation
eine gänzlich veränderte Wendung gibt und der es hoffentlich
verhindern wird, daß nicht ein ebenso voreiliger Friede wie
nach der Schlacht von Solferino zum Abschluß komme. Das
fühlen denn auch lebhaft unsere gothaischen Neutralitätsritter,
deren bisher freudestrahlende Gesichter sich plötzlich in bedenk-
liche Falten legen.
lieber die Abtretung Venetiens, und zwar an Frankreich,
sagt I)r. Eckardt sehr treffend:
„Erstens bestand für Oesterreich und seine Diplomatie das
Königreich Italien bis heute nicht; es konnte daher mit dem-
selben nicht unterhandeln. Zweitens mußte Oesterreich, das
seine gesummte Südarmee rasch nach dem Norden ziehen will,
mit Einem Schlage dein Kriege im Süden Einhalt thun. Nun
ist Italien ohne Zweifel mit Preußen vertragsmäßig dahin einig
gewesen, keinen Frieden ohne Preußen zu schließen.
Es hätte also eine direkte Abtretung Venetiens vielleicht gar
nicht annehmen können, wenigstens nicht ohne Verhandlungen.
Dadurch aber, daß Venedig heute von der französischen Fahne
gedeckt wird, ist ein fernerer Krieg Italiens gegen Oesterreich
eine Unmöglichkeit geworden. Ein Angriff auf Südtyrol oder
Triest jetzt noch, wäre eine Tollheit, die von ganz Europa
verurtheilt würde. Während wir dieses schreiben, wird das
Festungsviereck bereits verlassen, wird der letzte Mann und die
letzte Kanone mit fliegenden Eisenbahnzügen nach Norden geführt."
„Die Preisgebung Venetiens in diesem Augenblick", fährt
Eckardt fort, „spricht für den Entschluß Oesterreichs seine
deutsche Stellung um jeden Preis zu behaupten
und den Krieg im Norden mit Aufbietung der gan-
zen Kraft, auf Tod und Leben sortzusetzen.
Wenn Oesterreich einen allgemeinen Frieden gesucht hätte,
würde es Louis Napoleon's Vermittlung um einen Waffenstill-
stand angerufen, aber Venedig bis Zum Friedensabschlusse be-
halten Haben, um sein sogenanntes Tauschobjekt zu besitzen und
mit ihm feilschen zu können. Nern, es warf es rasch entschlos-
sen weg und proklamirte damit — oder wir müßten uns sehr
irren, und es wäre ein Jrrthum, unter dem ganz Deutschland
litte, — die Permanenz des Krieges im Norden."
Wenn dieser Krieg aber zum Ziele führen soll, müssen die
deutschen Regierungen — und auch hierin sind wir vollkommen
mit den Demokraten einverstanden —alle Volkskräfte ge-
gen Preußen entfesseln, d. h. das ganze Volk unter die
Waffen rufen. Es wird diesem Ruf aber nur folgen, wenn
ihm die unzweideutigsten Garantien für den Ausbau frei-
heitlicher, aus völlig demokratischer Basis ruhenden Institutionen
gewährt werden. Wir rufen deßhalb mit Eckardt laut und ein-
dringlich zu den deutschen Thronen empor: Gebt allgemeine
Volksbewaffnung, schafft „ein in Freiheit geeinigtes Deutschland
mit Parlament und Lentralgewalt."
Mit Verwirklichung dieser billigen Forderungen des deut-
schen Volkes ist — worauf es vor allem ankommt — das V e r-
1 rauen zwischen den Thronen und den Völkern hergestellt, und
wenn Eckardt, wohl im Einklang mit der Demokratie, die Auf-

forderung an die „„großdeutsch-conservative"" Partei richtet,
„zur Entwaffnung der Gothaer und Entfernung aller Befürch-
tungen, öffentlich eine Erklärung in dem Sinne herbeizuführen,
„„daß auch sie allen inneren Streit fallen lasse und das Mini-
sterium in seiner nationalen Haltung unterstützen wolle"", so
können wir darauf mit Freuden die Antwort geben, daß wir
jetzt — namentlich nach der Entfernung Jollp's und MtUhy's —
aus allen Kräften Mitwirken wollen, die gegenwärtige bundes-
treue Politik der Regierung zu unterstützen und alle früheren
trennenden Streitigkeiten auf politischem und kirchlichem Gebiete
ruhen zu lassen. Auch glauben wir, daß jetzt die Zeit da ist,
wo man nicht mehr sprechen sollte von der „großdeutsch-conser-
vativen" und der „großdeutsch-demokratischen", sondern überhaupt
nur von der „großdeutschen Partei".
Friede und Versöhnung zwischen der gegenwärtigen groß-
deutsch gewordenen Staatsstellung unseres Landes und den mit
ihr einverstandenen Parteien, aber auch Krieg gegen die unver-
besserlichen Gothaer, die unsere braven Truppen vom Kriegs-
schauplatz zurückrufen und die Bismärcker uns auf den Hals
Hetzen möchten; Krieg mit den Menschen, die ein ähnliches De-
nunciationswesen beim Einrücken der Preußen organisiren wür-
den, wie in Leipzig, Kassel und Hannover! Wir wissen, daß
die Minister Edelsheinr und Lamep einen schweren Stand seit
der unglücklichen Schlacht von Königgrütz gegen das Andringen
des Gothathums haben; darum nochmals Einigkeit unter Allen,
die der großdeutschen Fahne zugeschworen! Sind wir ja doch
einig in allen politischen Zielpunkten: deutsches Parlament und
feste Centralgewalt, Volksbewaffnung, frche-Bewegung der Geister
in Presse, Vereinen und Volksversammlungen, Zerbrechen des
Polizeiknüppels im ganzen deutschen Vaterlande, und Freiheit
für Alle sind unsere gemeinsame Losung! Dies ist
die schlichte und offene Antwort, die wir Herrn Dr. Eckardt und
seinen demokratischen Freunden zu geben haben; möchte sie bei-
tragen zu einer besseren und gerechtereil gegenseitigen Würdig-
ung der Parteien, möchte sie alte Vorurtheile verscheuchen und
zu der Erkenntniß beitragen, daß wir kein anderes Ziel verfol-
gen, als die Herrschaft des Rechtes und die Größe und Ehre
des gemeinsamen Vaterlandes! Das walte Gott!

Baden.
* Heidelberg, 8. Juli. Das heutige Hauptblatt der N.
Franks. Zeitung ist in Frankfurt polizeilich mit Beschlag belegt
worden, weil in demselben seltsame Angaben über verschiedene
Vorgänge zwischen dem Prinzen Alexander von Hessen und dem
Commandirenden der badischen Truppen, Prinzen Wilhelm, ent-
halten waren. Die Karlsruher Zeitung hat bereits in offiziel-
ler Weise alle Nachrichten über den Abfall der badischen Trup-
pen von dem Bundesheere mit Entschiedenheit in Abrede gestellt.
Wir haben alle Ursache dem Regierungsargan Glauben beizu-
messen, Zumal die Haltung des Herrn von Edels heim, der
jetzt nach Frankfurt abgereist ist, eine musterhaft bundestreue
genannt zu werden verdient, besonders wenn man berücksichtigt,
welche Schwierigkeiten ihm von den Gothaern in den Weg ge-
legt werden. Allein die Karlsruher Zeitung beruhigt nicht über
den angeblichen Streit der Prinzen Alexander und Wilhelm,
sowie über den vom Obercommando nicht angeordneten Rückzug
der badischen Truppen auf Frankfurt. Es scheint uns Pflicht
des Negierungsorgans zu sein, alle näheren Umstände der Vor-
kommnisse in Frankfurt mitzutheilen, zumal die N. Frkf. Zeitg.,
trotz der Beschlagnahme des Hauptblattes, in dem zweiten Blatte
alle ihre Behauptungen aufrecht erhält. Bis zur Constatirung
der Thatsachen enthalten wir uns jedes Uriheils.
* Heidelberg, 7. Juli. Von vielen Seiten, namentlich
auch von unfern Karlsruher Freunden, ist das hiesige Comite
unsrer Partei zur Unterstützung verwundeter Bundeskrieger auf-
gefordert worden, sich als Centralcomitk zu betrachten ohne
weitere Herbeiziehung anderer Männer der Partei. Wir sprechen
 
Annotationen