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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 26-39 (1.März - 31. März)
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Donnerstag und Samstag. -lohnu.Postausschlag. Jns.-Geb. ^,kr. d.^,.

M Z9. Donnerstag, den 8. März 1866.

Baden.
* Heidelberg' 5. März. Die Kölnischen Blätter ent-
halten einen interessanten, „die deutschen Katholiken gegenüber
den Tagesfragen" überschriebenen Artikel, der hauptsächlich
auf die Katholiken Badens berechnet ist und von einem Briefe
ausgeht, der den Köln. Blättern aus Baden zugekommen,
worin uni Abdruck eines beiliegenden Artikels gebeten wird, der
eine preußische Intervention zu Gunsten der katholischen und
conservativen Sache, also ein unmittelbares Eingreifen Bis-
marck's, verlangt. Die Köln. Blätter weisen mit Entrüstung
und Hohn diese an sie gestellte Forderung mit den Worten
zurück: „In den 6 Jahren, während deren wir der Redaktion
dieser Zeitung vorstehen, haben wir von hüben und drüben
schon manches tief Kränkende erfahren müssen, die Zumuthung
aber: wir sollten die Hand bieten, das Ministerium B i s m a r ck
zum Schutze des verletzten Rechtes der badischen Katholiken
anzurufen, übersteigt alles bis jetzt Dagewesene." Wir danken
den Köln. Blättern für den rücksichtslosen Freimuth, mit wel-
chem sie derartigen Bestrebungen, die der katholischen Partei
vollkommen ferne stehen, entgegentreten: Wir wollen — ächt groß-
deutsch wie wir sind — nichts wissen von preußischer Einmi-
schung, sei es im reaetiouären, sei es im liberalen Sinn. Uns
hat Preußen noch nie etwas Gutes gebracht und wir hassen
eine Politik, die nach Innen und Außen die Gewalt über das
Recht stellt. Uns ist die Biacht und Vielregiererei unserer eige-
nen Büreaukratie schon zu lästig; bewahre uns der Himmel
gar vor der preußischen! Die junkerlichen Säbelschlepper und
Hausknechtsmörder waren uns von jeher ein Gegenstand des
Gelächters und der Erbitterung; behaltet diese Waare bei Euch,
wir haben kein Verlangen darnach! Unsere Sache steht Gott-
lob so grün und nimmt täglich an innerer Stärke zu, daß wir
schon selbst mit unseren Feinden fertig werden wollen. Würde
sie aber auch noch so schlecht stehen, so dürfte der jetzige Zu-
stand der Dinge bei uns immer noch weit einer Bismarckischen
Wirthschaft vorzuziehen sein. Die Ehre preußische Annexions-
und Jnterventionspolitik zu treiben, überlassen wir mit der
größten Bereitwilligkeit der Badischen Landeszeitung und den
badischen Correspondenten des Frankfurter Journals.
Sehr richtig ist, was die Köln. Blätter am Schluffe ihres
Aufsatzes sagen: „Es läuft eben der Katholik in unfern Tagen
Gefahr, sich den Uebergriffen und gefährlichen Tendenzen der
ultra-liberalen Partei gegenüber einem strengen Conservatismus
zuzuneigen, der dann als eine mit dem Wesen des Katholicis-
mus verbundene „feudale und reactionaire" Politik öffentlich
gebraudmarkt wird. Damit aber nicht genug; viele Katholiken
unterliegen sogar der Versuchung, auf dem Wege eines solchen
strengen Conservatismus nicht nur selbst einherzugehen, sondern
eben diesen Weg, als den specifisch und für ihre Glaubens-
genossen einzig correcten, auch Andern anzuweisen. Wir aber
sind der Meinung, es sei nicht nothwendig und förderlich, und
auch nicht recht, die politische Stellung des Katholiken durch
irgend eine Doctrin beherrschen oder normiren zu wollen. Wir
erinnern an die Worte, welche Hr. de Gerlache vor einigen
Jahren aus der Versammlung zu Mecheln sprach: „In allen
politischen Dingen wird der Katholik nur durch sein Gewissen
und seine persönlichen Ueberzeugungen bestimmt." Wenn
allenfalls Jeniand dieses Princip als ein gefährliches zu be-
trachten den Lcrupel hätte, so kann ein solcher sich die prak-
tische Illustration zu demselben leicht selbst verschaffen. Die
politisch-liberalen Katholiken Belgiens haben nämlich diesem
Prmcip gemäß bisher ihr politisches Verhalten geregelt, und
meses ist also gewissermaßen die Probe für jenes. Und welchem
Urtheu unterliegt denn, vom strengsten katholischen Standpunkte
aus, die politische Thätigkeit der liberalen Katholiken Belgiens?
Hören wir darüber die, in diesem Falle sicherlich nicht partei-
ischen Historych-politischen Blätter: „Der liberale Katholik in
Belgien, wie auch in Frankreich" — so steht Seite 300 des

54. Bandes jener Zeitschrift zu lesen — „ist politisch das Wi-
derspiel der Hallerffchen Schule, die vor 30 Jahren bei uns
die herrschende war. Er ist nicht nur Anhänger des Rechts-
staates in parlamentarischer Form, er ist liberaler Doctrinair
ohne Scrupel, er ist durchsättigt mit demokratischen Ideen; aber
er ist kirchlich völlig eorrect, nicht nur im Dogma, sondern
auch in den Fragen der kirchlichen Politik, und insbesondere
führt ihn, gerade weil er politisch sehr freisinnig ist, niemals
irgend ein nationaler Schwindel zu National-Kirchen-Jdeen.
Selbst in der Kirchenstaats-Frage haben daher die liberalen
Katholiken in Belgien und Frankreich keineswegs eine aparte
Stellung eingenommen; vielmehr sind gerade aus ihren Reihen
die gewichtigsten Apologeten für die weltliche Herrschaft des h.
Stuhles hervorgegangen."
Mit dieser Auffassung stimmen vollkommen die im Pfälzer
Boten niedergelegten Anschauungen überein. Unsere Sache ist
im Volke entstanden und hat dort seine Wurzeln. Wir ver
treten deßhalb auch alle volksthümlichen freiheitlichen
Grundsätze, soweit sie dem wahren Wohle des Volkes nützlich
sind. Meist junge Kräfte stehen au der Spitze unserer Partei,
und sie begegnen sich überall in dem gemeinsamen Ausruf:
„Fort mit dem Polizeiknüppel! Recht und Freiheit für
uns — aber auch Recht und Freiheit für Alle!"
* Heidelberg, 5. März. Die Landesmordbase hat sich
abermals die perfideste Denuneiation und niederträchtigste Ge-
meinheit gegen uns zu Schulden kommen lassen, indem sie in
ihrer sog. neukatholischen Rundschau anläßlich der Untersuchung
gegen einige Edinger Katholiken, die statt „zum Teufel mit dem
Gothathum" gesungen haben sollen: „mit dem Großherzogthum",
behauptet, der Pfälzer Bote habe offenbar die Silbe „thum"
nur aus Schonung gegen seine Partei an das betreffende Wort
angehängt." Kann es in der That etwas Schändlicheres geben,
als eine derartige Unterstellung? Nein, edle Base; denn die
Leute, die unsere Blätter schreiben und unsere Lieder dichten,
haben sich von jeher als die treuesten Unterthanen des Fürsten
und des Staates gezeigt und haben der provisorischen Regierung
des Jahres 1849 keinen Eid der Treue geschworen. Aber unter
dem Troß der Correspondenten der Landesbase und ihrer sau-
beren Colleginnen ist kaum Einer aufzufinden, der in jener Zeit
nicht offen oder versteckt mit der Wirthschaft gehalten hätte, die
den verstorbenen Großherzog zum Flüchtling gemacht hat. Behüte
Gott, daß unser edler Fürst jemals in die Lage käme, in Tagen
der Stürme und des Wankens der Throne jene Menschen auf
die Probe stellen zu müssen; wir aber werden wissen, —jetzt
wie damals — beim Fürsten, der Verfassung und dem Tande
Baden auszuharren. Freilich ist die Landesbase schon so weit
im gothaischen Lager festgerannt, daß sie das „Gothathum" für
gleichbedeutend mit dem „Großherzogthum" zu halten scheint
und daß sie die gothaischen Fremdenlegionüre mit einer Frechheit
neben die Person des Landesfürsten rückt, die für diesen höchst
beleidigend und für das Gefühl jedes conservativen Mannes
widerlich fein muß. Wie darf aber endlich ein Blatt sich heraus-
nehmen, uns die hochverräterischsten Absichten anzudichten, die
wir eine ächt großdeutsche Politik verfolgen d. h. eine solche,
die die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Einzelstaaten
vertritt und Recht über Macht schätzt, während jenes
Blatt selbst offen die Grundsätze der preußischen Annexionspolitik
billigt und vertheidigt, die bei consequenter Durchführung auch
die Auflösung und Einverleibung unseres Staates in einen
andern und die Entthronung unseres Fürsten zur Folge haben
müßte, weil bei jener von der Landesbase verfolg-
ten Politik Macht über Recht geht.
* Heidelberg, 6. März. Die Bad. Landeszeitung hat
einen höchst schmutzigen lügenhaften Artikel gegen Herrn Pfarrer
Benz vom Dilsberg gebracht, worin diesem vorgeworfen wird,
er treibe sich beständig außerhalb seiner Gemeinde herum, be-
sonders in hiesiger Stadt, wo er eifrig mithelfe den Pfälzer
 
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