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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 90-102 (2. August - 30. August)
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.HZ 96. Donnerstag den 16. August 1866.



(D Eino Rechtfertigung.
Italien, welches seit vielen Jahren in seinem Vorgehen gegen
die katholische Kirche unermüdlich ist, hat jüngst durch einen
Kamm erb eschülß sämmtliche religiöse Genossenschaften für ausge-
hoben erklärt, und jede Stimme, die stir die Erhaltung derselben
sich hören ließ, blieb unberücksichtigt. Die königliche Regierung
behielt sich zwar vor, bezüglich derjenigen Ordenspersonen, welche
sich mit dem Unterricht und der Krankenpflege befassen, besondere
Bestimmungen zu treffen, allein, wer die Verhältnisse Italiens
kennt, wird an der Regierungszusage wenig Hoffnung finden.
Was kümmert sich der Staatsmann, welcher um seines Amtes
willen von der revolutionären Strömung sich treiben läßt, unr
die Klasse der leidenden Menschheit? Um dem allgemeinen Hasse
gegen die kirchlichen Einrichtungen seine eigene Person nicht zu
opfern, verabschiedet man selbst die christliche Charitas! Die
beschlossene Aufhebung der geistlichen Orden bedroht auch die
barmherzigen Schwestern in Italien und vielleicht ist der
Tag nicht mehr ferne, wo sie den Stätten des Elends und des
Schmerzes entrissen, eine ihnen noch unbekannte Heimath suchen
müssen. Es ist in der That sonderbar, daß nebst den Jesuiten
gerade die barmherzigen Schwestern, die so uneigennützig ihrem
schweren Berufe sich hingeben, wie ein gefährliches Wild gehetzt
und von einem. Orte zum andern vertrieben werden. Was haben
sie verschuldet? Als der Krim krieg sie aus die blutge-
tränkten Schlachtfelder führte und sie in den Spitälern von Con-
stmitinopel den türkischen wie den christlichen Soldaten pflegten,
bezeugte ihnen selbst der Sultan seine Hochachtung. — War viel-
leicht das ein Verbrechen? Als vor neun Jahren in Oberitalien
tausend und tausend Krieger, vom feindlichen Geschosse ereilt, ver-
wundet aus den Schlachtfeldern und in gen Lazarethen lagen,
waren sie wiederum da mit der alten Opserwilligkeit, so daß selbst
der wilde Zuave sie lieb gewann und ihnen nie die soldatische
Ehrenbezeugung schuldig blieb. Soll denn das ein Verbrechen
sein? Als im fernen Amerika der lange Bürgerkrieg Wunden schlug
und in fürchterlicher Weise die Spitäler bevölkerte; waren sie
wiederum zugegen und wohl gelitten überall, weil sie an den
Kranken und Verwundeten Dienste verrichteten, wie sie eben nur
eine barmherzige Schwester zu thun im Stande ist. Soll das
etwa ein Verbrechen sein? Und wenn all das keines sein kann,
was haben sie verschuldet? Wir sinnen hin und her und finden
keine Schuld an ihnen. Woher nun der Haß, die Anfeindung,
die Verfolgung nicht nur in Italien, sondern auch an vielen an-
deren Orten? Wir finden an ihnen zwei Dinge, die sie mißliebig
machen — das Gewand und ihr Glaube!
Die neueste Kriegsgeschichte hat übrigens wieder eine durch-
dringliche Rechtfertigung für den gehaßten Orden gebracht. Geht
nach Böhmen, sagen wir den bittern Gegnern, und beobachtet
die Schwestern in den Spitälern, wie sie unermüdet unter den
Verwundeten und Fieberkranken zubringen, und sagt uns dann,
sind sie werth, daß matt sie in der menschlichen Gesellschaft bei-
behält oder sie ausrottet? Besucht, sagen wir weiter denselben
Feinden des Ordens, die Lazarethe an der Donau, am Main
und der Tauber, und habet acht auf die. Schwestern mitten
unter den Jammerscenen der Verwundeten und Cholerakranken
und bezeichnet uns dann den Grund eures Hasses näher und
urtheilet, ob es wohl gethan, wenn man den barmherzigen
Samariter wegjagt, damit der Unglückliche desto eher aus jammer-
volle Weise zu Grunde geht?
Es haben sich viele Frauenspersonen von Auszeichnung in
jüngster Zeil zur Pflege der Verwundeten und Kranken aner-
boten und wir sind weit entfernt, die schuldige Anerkennung
zu versagen; allein es ist eine Täuschung, wenn man glaubt,
die fragliche Pflege mache sich von selbst, wenn nur Theilnahme
und Mitgefühl vorhanden seien. In der Schrift ist die Rede
von etuer „Gabe zu heilen." Eilte solche Gabe kann kein
Mensch sich selbst verleihen, sie ist eine Gnadengabe nur für
diejenigen, welche Berufung in sich fühlen nnd diese selbst muß

lange Jahre die Feuerprobe bestehen, damit sie gestählt wird,
nun allen erdenklichen Begegnissen gewachsen zu sein. Die
barmherzige Schwester besitzt diese Bedingungen, darum sie in
der Krankenpflege bevorzugt ist und in erster Reihe begehrt wird.
Wenn längere Zeit die Menschen verschont sind mit
schmerzlichen Heimsuchungen, so geschieht es gar gerne, daß der
frevelhafte Hochmuth alles feindlich benagt, was ihm zuwider
ist. Dieß Schicksal theilen auch die barmherzigen Schwestern.
Welch unwürdige Anfeindungen von ganz verkommenen Personen
haben sie nicht schon erleiden müssen? Aus einmal aber fährt
unsägliche Noth, wie sie z. B. der Krieg über die Völker aus-
schüttet, über die Länder und Staaten hin, und es zwingt die
eiserne Noth zum billigen Urtheil. Joung beklagte einst den
Verlust der klösterlichen Institute mit folgenden Worten: „der
Mensch sinkt in's Grab, um sich unsterblich wieder zu erheben.
O! da muß mau seine Laufbahn endigen, da muß man lernen
den Abend zu beschließen, der keinen morgenden Tag mehr
haben wird. Alles überläßt da den Menschen sich selbst, und
frei vor allen Täuschungen erkennt er um desto besser die
Wahrheit. Ich bedaure es, daß keins von diesen stillen Häusern
mehr vorhanden ist, wo der Mensch gequält und gebrannt von
irdischen Leidenschaften, hingehen könnte um sich zu erquicken
und sich Zn erneuern, indem er die Ruhe oder vielmehr die
innige Freude genießt, welche man unter der Herrschaft der
Religion empfindet, wenn man sich ihr aufrichtig unterwirft."
Verbannt die Orden der werktbätigen Barmherzigkeit und
in Millionen Herzen werden ähnliche Klagen über deren Fall
wachgerusen werden. Italien und auch manch anderes Land
der gebildeten Welt verdrängt die religiösen Orden; doch in
demselben Augenblick öffnen sich die Thore des menschlichen
Elendes; die Verfolgten ziehen ein, thun Engelsdienste mit
Hintansetzung des eigenen Lebens — Dank der Vorsehung, es
ist die Zeit der Rechtfertigung da!

Bade n.
* Heidelberg, 13. Aug. Was wir stets warnend voraus-
gesagt haben, geht seiner Erfüllung entgegen. Das Geschrei go-
thaischer und anderer zur Kriegspolitik des Grafen Bismarck
haltender Blätter über die Uneigennützigkeit des Friedensver-
mittlers Napoleon war uns von vocneherein höchst albern er-
schienen. Napoleon hatte beim Ausbruch des Krieges in Deutsch-
land offenbar sehr hochfliegende Pläne im Hintergrund: er
glaubte nicht anders, als daß die kriegführenden Theile sich so
ziemlich an Macht die Waage halten und auf diese Weise, bei
wechselnden Erfolgen, beide sich ausreiben würden, so daß Frank-
reich leichtes Spiel haben und große Beutestücke aus dem Leibe
Deutschlands sich werde herausschneiden können. Das ist nun
freilich anders gekommen durch die unerwartet plötzliche Nieder-
werfung Oesterreichs und seiner Verbündeten. Napoleon muß
sich jetzt mit einer geringeren Beute begnügen — ganz wird er
sie freilich nicht fahren lassen — nnd so verlangt er denn die
Gränzen von 1814 oder 1792. Das ist das Minimum, das
er der französischen Eitelkeit und den Traditionen seines eigenen
Hauses wird anbieten müssen. Eine ungeheure Hetze ist bereits
in den französischen Blättern organisirt, und wenn die Forde-
rung verweigert wird, schreitet Napoleon zum populärsten aller
! Kriege in Frankreich. Aber auch wenn das Verlangen des Kai-
sers gewährt werden sollte, ist doch damit der Friede nicht ge-
sichert; man wird vielmehr in Frankreich bald erkennen, daß
diese Abfindung eine viel zu geringe sei und — l'uxpstit
en vmnZsunt! Hören wir zunächst was ein stets gut unter-
richteter Correspondent der A. Allstem. Zeitung unter dem 7. d.
aus Paris schreibt:
„Der Compensationspartei, welche man leider vielleicht bald
die Kriegspartei wird nennen müssen, scheint es gelungen zu
sein, den Kaiser zu der Ueberzeugung zu bringen, daß die Lö-
 
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