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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 142-153 (1. Dezember - 29. Dezember)
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Bote
Preis: vierteljährl. 40 kr. ohne Träger
UM lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.Z

147. Donnerstag den 13. December 1866.

Die Kreisversammlung Mosbach.
Unsere Kreisversammlung war die letzte der 11 Versamm-
lungen, welche in Baden tagten. Dieselbe wurde am 3. Dec.
von Herrn Kreishauptmann Hebting mit einer schönen Rede
eröffnet. Zum Präsidenten wurde der frühere Stdatsminister
Freiherr v. Rüdt-Collenberg, welcher sich schon voriges
Jahr als gewandter unparteiischer Lenker der Versammlung
zeigte, einstimmig, und zu seinem Stellvertreter Herr Stadt- ;
director v. Stengel erwählt.
Der erste Gegenstand der Berathung war: „welche
Tagesgebühr den Kreisabgeordneten ausgezahlt werden solle".
Der Beschluß wurde dahin gefaßt, daß den außerhalb Mosbach
wohnenden Kreisabgeordneten eine Tagesgebühr von 3 fl. und >
die Reisekosten nach derselben Weise, wie es bei den Geschwor- !
nen zu geschehen pflegt, zu bezahlen sei, während die in Mos-
bach wohnenden Abgeordneten keine Diäten erhalten sollen, und
daß den Mitgliedern des Ausschusses für auswärtige Geschäfte
ebenso eine Diäte von 3 fl. bezahlt werde. Der zweite Gegen-
stand betraf die Errichtung einer Kreisverpflegungs-
anstalt.
Beschluß war: Der Ausschuß solle erst genaue Erhebungen
über Ausführung dieser so wichtigen Sache machen und
in der nächsten Kreisversammlung darüber berichten.
Der dritte Gegenstand war die Errichtung einer Waisen-
anstalt. Auch in dieser Sache wurde wie bei Nr. 2 beschlossen.
Bei der Berathung wurde besonders hervorgehoben, daß ähn-
liche Anstalten im Kreis Mosbach schon beständen, daß man
solche von Kreiswegen unterstützen, vergrößern solle; anderer-
seits wurde bemerkt, daß der Kreis höchstens Verträge mit den
schon bestehenden Anstalten abschließen könne. Vom Präsiden-
ten des Ausschusses wurde jedoch die Bemerkung gemacht, daß
dieselbe fremde seien, woraus Abgeordneter Dekan Haller die
Bezeichnung „fremd" mit Ernst mit den Worten zurückwies:
„daß die schon bestehenden Anstalten für Katholiken und
„Protestanten bestinimt und daß diese Landeskinder gewiß
„nicht fremd zu neunen seien".
Der Ausschußvorstand erwiderte öffentlich nichts darauf,
bemerkte aber später privatim, daß er, wenn er diese Anstal-
ten fremde genannt haben sollte, er es nicht in dem von Dekan
Haller aufgesaßten Sinne gemeint habe. Einsender dieses will
es nicht glauben, allein er erinnert sich noch lebhaft daran,
wie man in inländischen Zeitungen die Katholiken schon mehr-

mals als „Fremde" bezeichnete und meint, es könne daher die-
sen Worten des Ausschußpräsidenten vielleicht eine ähnliche
zu unterschieben sein.
Der fünfte Gegenstand betraf die Unterstützung der
Strohflechterei in Mudau und Umgegend.
Der Antrag, zur Tagesordnung überzugehen, wurde ver-
worfen, dagegen der Beschluß gefaßt, die Sache dem Ausschüsse
zur näheren Prüfung zu überweisen.
Der fünfte Punkt enthielt die Sorge für arme Augen-
kranke im Kreis Mosbach.
Darüber waren alle einig, daß in dieser Sache etwas ge-
schehen müsse. Der Antrag des Ausschusses, daß eine Bausch-
summe mit einer Anstalt vereinbart werden solle, wurde ver-
worfen, dagegen der Antrag des vr. Schachleiter ange-
nommen , daß für jeden Augenkranken eine Tagesgebühr bezahlt
werden solle. Der Vorstand des Ausschusses Rath Wallau hält
einen schönen, warm gehaltenen Vortrag in dieser Sache, konnte
aber den ebenso beredten Worten des Vr. Schachleiter gegenüber
doch nicht durchsetzen. Letzterer bemerkte, daß eine große
! Anzahl armer Augenkranken eben doch nicht in eine Anstalt
verbracht werden würde, da deren Uebel von einem anderen
! Arzt ebenso leicht geheilt werden könne, da das Uebel häufig
! einen raschen Verlauf nehme, schnelle Hülfe nöthig und eine
! Reise für dieselben höchst schädlich sei; aber auch der ärztliche
Ausschuß verweigere jede Art von Verträgen in Betreff armer
Augenkranken.
Hierauf wurde die Frage ausgestellt, in welche Anstalt die
Augenkranken verbracht werden sollen?
Der Antrag des vr. Schachleiter, daß man es den Kran-
ken überlassen solle, in welche der beiden Heidelberger Anstalten
sie gehen wollen, wurde verworfen, dagegen beschlossen, daß
dieselben in die Anstalt des Herrn Professor vr. Knapp zu
verbringen seien, mit welcher Anstalt eine Vereinbarung durch
den Ausschuß getroffeu werden solle.
Bei dieser Frage wurde vom Ausschuß bemerkt, daß es
nicht möglich sei, beide Anstalten genau zu überwachen, wäh-
rend aber I)r. Schachleiter meinte, daß, wenn dies dem Aus-
schuß nicht möglich sei, es demselben auch wohl nicht möglich
sei, auch nur eine gehörig zu überwachen. Schließlich wurde
noch beschlossen, daß die Reisegebühren der Kranken nicht vom
Kreise übernommen werden sollen.
Der sechste Gegenstand betraf die Einrichtung einer land-
wirthschaftlichen Schule.

Eine ausländische Soldatengeschichte. *)
Eben war ein großer Krieg zu Ende. Ein Bataillon wurde ausgeklei-
det und sollte schon morgen in die Heimath besördert werden. Es waren
die Leute kräftige Gestalten mit großen Bärten und ernsten Gesichtern.
Als das Commando zum Kriege erscholl, hatten sie Weib und Kinder und
schwache Eltern verlassen, sehr viele hilflos, dem Wohlwollen der Mitbürger
vertrauend. Wenn der Herd auch fernerhin nicht kalt blieb, so blieb doch
der Acker und der Garten wenigstens zum Theil unbestellt, und wer sich
und die Seinen nur mit der Hände Arbeit ernährte, sah traurigen Sinns
dem Winter entgegen; denn der Sommer war zu Ende und aus einen
ordentlichen Verdienst nicht mehr zu hoffen.
Und doch hatte sich das Bataillon mit am bravsten geschlagen! —
Nun waren sie alle fröhlich und vergnügt, denn es ging in die Hei-
math, wo das Schönste und Lieblichste ihrer wartete.
Der Lieutenant Schmidt, von dessen Gesicht jedem das treueste
und leutseligste Gemüth entgegenstrahlte, wie den Kindern die Liebe der
Eltern vom reichbesetzten Weihnachtstisch, — ein Landwirth von Hause
aus, ging langsam die Reihe hinab und streichelte in einem sort den
fuchsigen Bart, und dabei waren seine Augen so hell und so feucht und
die Lippen bewegten sich, und sein Gang war so leicht, daß es ihm Jeder
von weitem ansah, im Innern klinge und finge es ihm so schön, wie im
blühenden Garten an einem Maienmorgen. O, er dachte bereits daran,
wie ihm sein Weibchen um den Hals fallen, wie seine lieblichen Kinder

*) Diese von dem in Gumbinnen erscheinenden „Bürger- und Bauern-
freund" erzählte — „ausländische" — Geschichte ist wohl keine andere als
diejenige, welche sich mit dem preußischen 32. Landwehrbataillon zu Mainz-
Franksurt-Mainz abgespielt hat.

versuchen würden, ihm längs den Beinen in die Höhe zu klettern, wie
der Knabe an seinem Degen zerren und wie er allen das goldige Haar
streicheln werde!
„Ei, Kamerad Frieder, sind Sie nicht fröhlich? Denken Sie nicht
daran, wie glücklich Ihr Frauchen und Ihre Kinder Sie begrüßen werden,
vielleicht schon übermorgen?" So redete der Lieutenant einen Soldaten an
und ergriff seine Hand.
„O freilich, Herr Lieutenant", erwiederte dieser und seine Augen
strahlten, „und ganz kurios wurde mir zu Muth, als ich Sie auch daran
denken sah."
„So!" Und des Lieutenants Augen wurden noch feuchter.
„Aber —"
„Was aber?"
„Sehen Sie, Herr Lieutenant, da ist der Niklas geblieben in der
Schlacht. Der war mein lieber Nachbar im Dorfe, ein armer, aber ehr-
licher treuer Kerl und immer mein liebster Kamerad."
„Ja, der Krieg spaßt nicht, da muß man sich zufrieden geben."
„Das ist's nicht, Herr Lieutenant. Nur wenn ich nach Hause komme
und meine Frau und meine Kinderchen begrüße — ach Gott! — ich wollte
eben tanzen vor Vergnügen, da fielen mir des armen Niklas Frau und
vier Kinder ein, denen soll ich noch einen letzten Gruß bestellen und das
wird mir das Herz abdrücken — ach, hatten sich die lieb — Herr Lieute-
nant, und da wurde ich traurig."
„Ja, das ist freilich zum Traurigwerden", erwiderte der Offizier.
„Aber wiffen Sie, wir wollen das zusammen abmachen. Ich komm mit
Ihnen mit, zu zweien macht sich's leichter. Und nun seien Sie wieder ver-
gnügt."
Der Lieutenant ging weiter. Den Bart ließ er in Ruh. Nur fuhr
er wiederholt mit der Hand über die Stirn. Rumorte es ihm im Kopf? —
(Fortsetzung folgt.)
 
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