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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 40-50 (5. April - 28. April)
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Donnerstag und Samstag.


B a Ä e u.
* Heidelberg, 26. April. Bei der heutigen Abgeordneten-
wahl erhielt von den 3 Candidaten Wundt, Flaschon und
Pfeifer ersterer fast alle Stimmen. Wie wir erfahren, tröstet
sich der patriotische Bürgerredakteur damit, daß der Prophet
nichts gilt in feiner Vaterstadt.
* Heidelberg, 26. April. Die Heidelb. Zeitung enthielt
in ihrem Bericht über die Verhandlungen in Michelstadt wegen
des Neckarsteinacher Casinos die Angabe, der Vertheidiger habe
sich die Leumundszeugnisse der Hauptzeugen kommen lassen und
aus diesen gehe hervor, daß die 4 Zeugen Daniel, Ludwig,
Martin und Michael Amor Feuerstein aus Schönau, schon mehr
oder weniger bestraft worden seien und ihr Betragen überhaupt
nicht lobenswerth sei. Nun ist es allerdings richtig, daß die
3 Letzteren wegen unbedeutender Excefse kleine Gefängnißstrafen
erhalten hatten und der Eine in eine Untersuchnng verwickelt
war, bei der seine Unschuld sich schon nach einigen Tagen her-
ausstellte, dagegen sind wir in Stand gesetzt, aufs Entschiedenste
jene angeblichen Behauptungen des Verteidigers in Betreff des
Daniel Feuerstein vollkommen in Abrede stellen zu können.
Daniel Feuerstein hat niemals eine Strafe erlitten und gehört
zu den ruhigsten und geachtetsten Bürgern Schönau's.
(ff Heddesheim, 24. April. Heute ist eine Vorstellung
von 107 katholischen Männern- dahier gegen die bürgerliche
Zwangsehe an die hohe I. Kammer der Landstände abgegangen.
In dieser Eingabe sind unter Anderm folgende Sätze enthalten:
„Wir Katholiken erkennen nur jene Ehe vor Gott und der
Kirche für giltig, welche durch den Segen des Priesters und
durch das Sakrament geheiligt ist.
Das Zusammenleben von Mann und Frau — ohne Sa-
krament ist im Angesichte der Kirche sündhaft, und schließt bei
beharrlichem Fortleben in einem solchen verbotenen Verhältnisse
von allen Segnungen und Heilsmitteln der katholischen Kirche aus.
Welche Verwirrung der Gewissen und welche Auflockerung
aller religiösen Begriffe hieraus entstünden — ist leicht be-
greiflich."
T Hemsbach, im April. Wie es mit Bestellung der
Briefe auf dem Lande hergehl, davon haben wir hier kürzlich
ein Beispiel erlebt. Bei hiesiger großh. Postexpedition kommen
täglich 3 mal auf der Eisenbahn Posten an, Morgens 8 Uhr,
Mittags und Nachmittags halb I Uhr. Das hiesige Publikum
war nun seither der Meinung, daß es berechtigt sei, alsbald
nach Ankunft der Posten die Zustellung der angekommenen Post-
stücke zu verlangen, wie dies auch in dem benachbarten Wein-
heim und Heppenheim geschieht. Diese Meinung wurde jedoch
dieser Tage durch das Großh. Postamt Heidelberg als eine irrige
bezeichnet. Der hiesige Postexpeditor, der auch feinen eigenen
Briefausträger macht, legte am 27. v. M. Morgens 8 Uhr einen
Brief, der schon Tags zuvor um halb 4 Uhr hier angekommen
war, einem hiesigen Bürger an's Fenster. Der Adressat stellte
den Postexpeditor sowohl über die Art der Zustellung als über
die Verspätung derselben vor Zeugen zur Rede, ohne jedoch
durch dessen Ausflüchte befriedigt Zu werden. Adressat begab
sich deßhalb eine Stunde später auf das Paßbüreau und ver-
langte das Beschwerdebuch, um darin den Vorgang zur Kennt-
niß des Großh. Postamtes Heidelberg zu bringen. Der Post-
expeditor verweigerte die Herausgabe, angeblich weil dasselbe
eben dem Postamte vorliege. Der Adressat verlangte dann das
andere Beschwerdebuch, das noch vorhanden sein müsse, was
jedoch der Postexpeditor geradezu verweigerte. Der Adressat be-
richtete nun den Vorgang an das Großh. Postamt Heidelberg,
von wo alsbald die Entscheidung kam: der Postexpeditor in
Hemsbach habe nicht 2 mal des Tags eine Zustellung der an-
gekommenen Poststücke zu machen, weil diese Auflage für kleinere
Orte nicht bestehe. — Hemsbach ist nun eine Gemeinde von
über 300 Bürgern, wovon viele Gewerbs- und Handelstreibende
sind. Nach der Erklärung des Großh. Postamtes Heidelberg

können also nur die Morgens 8 Uhr hier ankommenden Post-
stücke ausgegeben werden; die Mittags ankommenden lagern auf
der hiesigen Postexpedition bis zum andern Morgen um 9 Uhr,
ebenso die um halb 4 Uhr Nachmittags eintreffenden, kommen
also 21 und 17 Stunden verspätet in die Hände der Adressaten;
die Möglichkeit der Rückantwort ist dann erst nach weiteren
24 Stunden, also nach zwei Tagen vom Tage des Hierein-
treffens gegeben, und zwar alles dieses ohne einen anderen
Grund als die Bequemlichkeit des hiesigen Postexpeditors, da
die Zustellung in höchstens einer halben Stunde jedesmal ge-
schehen könnte. Gegen die Bestellung des Briefes durch Hin-
legen an das Fenster oder durch Hineinwerfen durchs Fenster,
was hier auch vorkommt, gegen die Verweigerung der Heraus-
gabe des Beschwerdebuchs hat Großh. Postamt Heidelberg nichts
zu erinnern gefunden. Wir fragen: Bestehen die Verordnungen
über das Postwesen blos für die Städie, und haben die Land-
gemeinden keinen Anspruch auf rechtzeitige und ordnungsmäßige
Zustellung? Ist die Post für das Publikum oder das Publikum
für die Bequemlichkeit der Postbeamten da? Ist die Entschei-
dung des Postamtes Heidelberg eine richtige, was wir aber sehr
bezweifeln, so hätte die hiesige Gemeinde sich um die Erwerbung
einer Postexpedition nicht so große Mühe zu geben brauchen wie
geschehen, und bliebe den hiesigen Handelsleuten kein anderer
Ausweg um sich gegen Verschleppung ihrer Correspondenz zu
sichern, als sich Postgefache in Weinheim oder Heppenheim an-
zulegen, oder zu den zwar theueren aber sicheren Telegrammen
auf der Eisenbahn ihre Zuflucht nehmen zu müssen.
(D Seckenheim, 25. April. Heute geht auch von hier eine
Adresse gegen die Zwangscivilehe mit 146 Unterschriften an
die hohe erste Kammer ab. Unser Verein blüht immer schöner
und kräftiger auf.
H Roth, 22. April. Am 16. d. M. ist eine Adresse von
106 kathol. Männern an die erste Kammer gegen die obliga-
torische Civilehe abgegangen, und am 22. eine Bitte an Ihre
Köuigl. Hoheit die Frau Großerzogin in demselben Betreff mit
269 Unterschriften von hiesigen Frauen und Jungfrauen.
U. Untergrombach 22. April. Unser kath. Bürgerver-
ein, der im vorigen Monate gegründet wurde, zählt heute über
200 Mitglieder.
x Lauda, 23. April. Folgende Adressen sind heute gegen
die Civilehe abgegangen: eine solche von 166 hiesigen Bürgern
und jungen Männern an die erste Kammer, eine weitere von
Oberlauda von 154 Männern und Bürgern, darunter der
Bürgermeister, fümmtliche Gemeinderäthe, Stiftungsvorstände
und Ortsschulräthe desgleichen eine Adresse an Ihre Königl.
Hoheit die Frau Großherzogin von 245 hiesigen und eine solche
von Oberlauda von 186 Frauen und Jungfrauen.
X Götzingerr, 24. April. Eine Adresse von 100 hiesigen
Bürgern ist gegen die obligatorische Civilehe an die hohe erste
Kammer abgegangen.
ffsj Sickingen, A. Bretten 23. April. Lieber Bote! Mit
Freude thue ich zu wissen, daß heute von sämmtlichen hiesigen
Bürgern und Volljährigen (mit Ausnahme von 3) eine Zu-
stimmungsadresse zu der Protesterklärung der Hubbader Katho-
likenversammlung, die bürgerliche Zwangsehe betreffend, mit
56 Unterschriften an die hohe erste Kammer abgegangen ist.
Aus d. Taubergrunde. Es ist bemerkenswert^ mit
welchem Eifer alle Gutgesinnten zur Unterzeichnung des Pro-
testes gegen Einführung der obligatorischen Civilehe an die hohe
Erste Kammer sich herandrängen. Jeder, der mit dem biedern
Volke in nähere Beziehung tritt und nicht durch die gefärbte
Brille der neuen Aera schaut, wird die Wahrnehmung machen,
daß, wenn die Unzufriedenheit und Abneigung gegen die neue
Schulunordnung groß und allgemein ist, sie über die auf die
Tagesordnung gesetzte Einführung der zwangsweisen Civilehe
wo möglich noch tiefer geht. Die letzten Ziele, worauf die Fort-
schrittler lossteuern, springen immer deutlicher in die Augen.
 
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