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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 40-50 (5. April - 28. April)
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W. 41. Samstag, den 7. April 1866.



Oesterreich, Preußen und die deutschen
Bundesstaaten.
Die Nachrichten aus Wien und Berlin von heute (4. April)
lauten zwar etwas friedlicher, allein immerhin ist seit den preu-
ßischen Noten vom 20. und 26. Januar d. Js. ein solch tief-
schwarzes Gewölk zwischen den beiden deutschen Großmächten
heraufgezogen, daß es des allseitigen besten Willens, des hin-
gebensten Patriotismus bedarf, um den ganz unverhüllt auf-
tretenden Antagonismus des Bismarck'schen Preußenthums gegen-
über Deutschland friedlich zu lösen. Wenn es sich bestätigt, daß
Preußen seine Rüstungen sistirt hat, so ist damit ein geeigneter
Zeitpunkt eingetreten, um eine Betrachtung über die bisherige
Haltung der Großmächte wie der andern deutschen Staaten an-
zn stellen.
Graf Bismarck wollte zur Realisirung feiner Annexions-
gelüste die österreichische Verwaltung des durch den Gasteiner
Vertrag in österreichische Hände gegebenen Holsteins beherrschen,
wollte sogar das österreichische Cabinet zu Polizeidiensten ver-
wenden. Die österreichische Regierung wies natürlich dieses An-
sinnen ruhig ab. So erschien die erste drohende preußische Note,
welche in brüsker Manier eine Allianz Preußens mit auswär-
tigen Staaten in Aussicht stellte. Nur der Erzfeind Oesterreichs,
nämlich das neue Königreich Italien, konnte, nachdem Napoleon
dem Herrn v. Bismarck die Thüre gewiesen hatte, darunter
verstanden sein, jenes Italien, welches am finanziellen Bankerott
stehend gleichwohl noch eine große Armee auf den Beinen erhält,
um bei schicklicher Gelegenheit seinen letzten Trumpf gegen Oester-
reich auszuspielen.
Halten wir bei dieser nichtswürdigen Bismarck'schen Drohung
etwas ein. Oesterreich hatte seinerseits niemals sich in die
schauderhafte preußische Verwaltung von Schleswig eingemischt
und doch stand ihm (nach preußischer Auffassung) als eonäo-
NÜNN8 (Miteigenthümer) ein viel größeres Recht dafür zu; denn
die Akte der Vergewaltigung von der Absetzung treuer Beamten
bis zu der berüchtigten Zuchthausverordnung waren Legion. Der
Ruin des schleswig'schen Landes, die Möglichkeit einer gewalt-
samen Erhebung des Volkes gegen seinen Unterdrücker boten
viel triftigeren Anlaß zur Einmischung, als der von Preußen
hervorgehobene Schutz des Herzogs von Augustenburg durch
Oesterreich. Keine Regierung irgend eines civilisirten Staates
hätte, wenn sie nicht einen Krieg muthwillig heraufbeschwören
wollte, zu einer so unwürdigeil u.übermüthigen Drohung an einen
Bundesgenossen gegriffen; sie hätte entweder die Vermittlung
eines andern befreundeten Staates nachgesucht oder in richtiger
Würdigung der Verhältnisse, da Holstein zum deutschen Bund
gehört, den Conflict vor den Bundestag gebracht. Dieses feind-
selige Gebühren Preußens wird noch weiter illustrirt, wenn man
sich verschiedener anderer Schritte noch erinnert, z. B. des lange
fortgesetzten preußischen Liebäugelns mit Italien, der preußischen
Machinationen an der Börse, um ein neues österreichisches An-
lehen scheitern zu machen, der preußischen Emissäre in Ungarn.
In diesem Verhalten lagen deutliche Winke für das österreichische
Cabinet, nicht jenen Bruch des Völkerrechts und der deutschen
Verfassung sich wiederholen zu sehen, wie ihn Friedrich II. (von
den Preußen genannt „der Große") durch seinen plötzlichen
Raubzug in Schlesien und durch seinen Uebersall in Sachsen
ausgeführt hat. Oesterreich war sonach zur Vorsicht gemahnt, es
mußte seine Gränzen durch Truppen decken; nur ein Bismarck
kann hierin etwas Provoeirendes entdecken. Während nicht allein
die gesammte deutsche Presse, sondern auch die französische und
englische der würdigen Haltung Oesterreichs ihren vollen Beifall
zollt und das österreichische Cabinet als den angegriffenen Theil
bezeichnet, wagt es Herr v. Bismarck in seinen Organen, die
österreichische Regierung auf das Aergste zu verunglimpfen und
sie als den Friedensstörer darzustellen. Er verschmäht es nicht,
ein Bündniß mit Italien emsig zu betreiben, ja er geht in

seinem kecken Uebermuth so weit, die übrigen deutschen Regie-
rungen zu Genossen des von ihm beabsichtigten Bundesbruchs
machen zu wollen. Seine Note an dieselben vom 24. März
übersteigt hierin alles Maß und Ziel. Er schlägt ihnen darin
nichts Geringeres als einen neuen Bund vor, einen Bund zu
Gunsten der Hohen zoll er'sch en Dynastie. Hat bereits
ein großer Theil des preußischen Volks in den Versammlungen
zu Solingen, Cöln, Graudenz, Stettin u. s. w. hierauf die rich-
tige Antwort gegeben, so ist es erfreulich zu eonstatiren, daß
sämmtliche deutsche Bundesregierungen, auf Art. I I der Bundes-
akte gestützt, sich gegen die preußische Hauspolitik erklärt haben.
Aber sie können bei der nun einmal offen zu Tage getretenen
preußischen Politik hiebei nicht stehen bleiben, sie müssen voran-
gehen und nicht, wie gewisse kleindeutsche Jntriguanten Vor-
schlägen, die ihre Verbindung mit Bismarck zwar öffentlich ab-
leugnen, aber den sog. „Beruf" Preußens immerhin noch auf
ihrer Fahne aufrechterhalten, eine bewaffnete Neutralität beo-
bachten. Schon jetzt liegt die Sache so klar vor Augen, dah-
die Stellung der übrigen deutschen Regierungen vorgezeichnet ist;
sie müssen erklären: wir stehen und fallen mit Oester-
reich. Denn das österreichische Cabinet hat in seiner Note
vom 31. März es offen ausgesprochen, es stütze sich auf den
Art. Il der Bundesakte; alle Schritte, die es bisher that, be-
weisen, daß es sich nicht über den Bund hinaussetzen will.
Preußen dagegen, das schon im Jahre 1859 dem Bunde er-
klärte, es lasse sich nicht majorisiren, hat sich durch seine Note
vom 24. März außerhalb des Bundes gestellt, und wenn es
darin befürchtet, daß der deutsche Bund Deutschland vor dem
Schicksale Polens nicht schützen werde, so ist es jetzt Sache der
deutschen Mittel- und Kleinstaaten zu zeigen, daß jene Zeiten
niemals wieder hereinbrechen dürfen, welche dem schmachvollen
Basler Frieden vorausgegangen sind.
Doch wenn wir verlangen, daß die deutschen Regierungen
ihr Möglichstes thun zur Erhaltung des letzten Bandes, so können
wir nicht unterlassen, eine gleiche Mahnung an das deutsche
Volk zu richten. Möge es vergessen den Zwiespalt in inneren
Angelegenheiten, möge es seine ganze Kraft und Begeisterung
dem höchsten Ziele zuwenden: Deutschlands Vergewaltigung
durch Bismarck und preußische Hauspolitik abzuwenden!

„Das Verfahren der deutschen Großmächte gegen
Schleswig-Holstein und den Bund."
Unter obigem Titel ist in diesen Tagen eine Broschüre
von Gustav Frhrn. v. Lerch en seid erschienen (Jena,
Friedrich Frommann), die die höchste Beachtung für die groß-
deutsche Partei, wie für die mittelstaatlichen Regierungen ver-
dient; sie ist endlich einmal wieder ein Lebenszeichen des fast
erloschenen großdeutschen Resormvereins, zu dessen Leitern Herr
v. Lerchenfeld gehört, und darf daraus Anspruch machen, als
das Programm aller derer fortan zu gelten, die in der deut-
schen Frage jenem Vereine nahe stehen, mögen sie in den übri-
gen Dingen noch so verschiedenen politischen und kirchlichen Ten-
denzen anhängen.
Die Schrift selbst zerfällt in zwei Abschnitte, von denen
der eine über Schleswig-Holstein, der andere über die Bundes-
reform handelt.
Der Verfasser geht im ersten Theils von dem Satze aus,
daß von der Entscheidung der schleswig-holsteinischen Frage der
Fortbestand oder die Auflösung des Bundes abhänge; es handle
sich also jetzt darum, ob Föderalismus oder Hegemonie, ob groß-
deutsch oder kleindeutsch, ob durch Freiheit zur Einheit oder,
wie die Koryphäen des Nationalvereins träumen, durch preu-
ßische Einheit zur Freiheit.
Was zunächst Preußen anbelangt, so hat es in der Sache
der Herzogthümer von Anfang an Eroberungsplane gehegt, denen
 
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