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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 14-25 (1. Feburar - 27. Februar)
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Die obligatorische Civilehe.
Aufgepaßt Ihr Katholiken in Stadt und Land! es gibt j
einen Sturm! Fremdwörter fliegen wieder in der Lust herum ,
und merkwürdiger Weise bedient man sich dieser Fremdwörter
gerade von jener Seite, welche seither die deutsche Sprache von !
allen Fremdwörtern säubern wollte. ObligatorischeCivilehe ruft >
man, das heißt aus Deutsch: gezwuugene Staats-Ehe-
schließung! bleiben wir bei diesem Ausdrucke, wir verstehen
ihn besser und stehen ihn als echte Reinsprachvereinsniitglieder
dem dunkelumhüllten Fremdworte „Obligatorische Civilehe" ent-
schieden vor.
Seither hatten wir keine Civilehe! der Geistliche durfte die
Eheleute erst dann einsegnen, wenn ihm von Seiten der Staats-
gemalt (des Bezirksamtes rc.) die nöthige Erlaubniß gegeben
mar, und durch die geschehene Einsegnung des Geist-
lichen war die Ehe in den Augen des Staates eine gültige. — ?
Standen der kirchlichen Einsegnung hie und da kirchliche !
Hindernisse nach bestimmten Normen entgegen, welche der Staats- !
gemalt nicht genügend erschienen, so war sür diesen seltenen
Fall die Einführung der sacultativen Civilehe (zu deutsch der
aushilssweisen Staatseheschließung) seit mehreren Jahren auch
Denjenigen ein Mittel zur Erreichung ihres Zieles geboten,
welche Katholiken sein, die Vorschriften ihrer Kirche aber
nicht für sich bindend betrachten wollten. So war für alle
Fälle geholfen, der Staat schützte seine Angehörigen gegen
„Uebergrifse der Kirche", wie man so zu sagen pflegt und selbst
für solche Katholiken, welche sich von ihrer rechtmäßig ange-
tranten Gattin trennten und noch zu Lebzeiten ihrer ersten eine
zweite nehmen wollten, gab es ein Mittel, ein Verhältniß
des Zusammenlebens in den Augen des Staats zu einem
„gesetzlichen" zu machen, welches die Kirche ihrer Lehre
gemäß, als ein unerlaubtes, als ein Concubinat (der Anstand
verbietet nns hier die deutsche Uebersctzung) erklären muß und
es auch immer als ein gewissenloses erklären wird, selbst dann
noch, wenn die Stimme des Gewissens im Einzelnen durch das
Gesetz als „öffentliches Gewissen des Landes" einmal erstickt wor-
den sein sollte. — „Und nun Ihr Katholiken! empfindet Ihr
die Nothwendigkeit in diesen Verhältnissen eine Aenderung
eintreten,zu lassen? Weil die Kirche frei sei, sagen unsere
liberal sein wollenden Fortschrittler, deßhalb könne man
eine kirchliche Eheeinsegnung nicht mehr als genügend
betrachten, deßhalb müsse der Staat die Ehe einsegnen
wenn sie gültig ^sein solle und wenn der Spruch gesprochen
wäre: Was der Staat bindet, das soll der Mensch nicht trennen,
dann könne sich noch kirchlich einsegnen und trauen lassen, wer
dazu noch Lust und Geld habe! — Ich habe gerne das Ver-
hältniß in klarem, reinen: Deutsch vorgezeichnet, wie es sich
gestalten würde!
Die Kirche ist frei, sagt man! die Kirche, die katholische
Kirche ist anerkannt, und diese Kirche lehrt seit Jahrtausenden
wie heute, und wird es wohl noch in Jahrtausenden lehren, daß die
Ehe ein Sakrament sei. Ein Sakrament kann aber nur die Kirche
spenden, nicht der Lüaat, und wenn deßhalb der Staat die
kirchliche Einsegnung des Ehebundes als unwichtig und zur Gil-
tigkeit der Ehe eine staatliche Formel als einzige Bedingung
erklärt, so setzt er sich in seinem Ehegesetze in entschiedenen
Widerspruch mit der Lehre der anerkannt zu Recht bestehenden kath.
K:rche, er mißhandelt die religiösen Gefühle derjenigen Staats-
bürger, welche sich zu dieser Kirche bekennen (fts des Landes),
er wirft von neuen: die Fackel der Zwietracht in friedliche Ver-
hältnisse— einzig u. allein, um eine weitere Theorie der unseli-
gen Professorenweisheit und des „modernen Staatsrechts" in
der Praxis völlig Fiasco machen zu lassen, denn Unser Staats-
recht lautet folgendermaßen: Wir find Katholiken und haben
das, Recht als Mitglieder der katholischen Kirche in den Vor-
schriften derselben unser Heil zu suchen. Wir betrachten eine

Ehe erst dann für gültig, wenn sie eine sacramentale ist
und wir finden in dem Bestreben die Civilehe zwangsweise ein-
zuführen, nur einen frivolen Versuch durch Staatseinrichtungen
die Gewissen der gläubigen Katholiken noch mehr in Widerspruch
zu bringen, mit dem was sie für. wahr halten, als dies schon
seither der Fall ist. —
Ein anderes Verhältniß ist es bei unseren protestantischen
Mitbürgern. Dort wird die Ehe nicht als Sakrament betrachtet
und da zudem die „Trennung der Kirche vom Staate" gegen-
über der protestantischen Kirche noch nicht zur Wahrheit ge-
worden ist, so kann es uns wohl begreiflich scheinen, wie der
neu gegründete „Protestantenverein" dafür schwärmen mag, daß
die Staatseheeinsegnung eine zwangsweise werde.
Allein der Protestantenverein möchte doch ja nicht die Thatsache
aus den: Auge verlieren, daß wenn auch in Folge der neueren
staatlichen Entwickelungen er es sür eine Nothwendigkeit des
Staates, der Bürger und der Kirche hält, daß der kirchlichen
Einsegnung des Ehebundes ein staatliches Zusammenbinden vor-
hergehen müsse, (obligatorisch sei) doch mit ihm, unter ihm und
neben ihm im Ländchen fts Katholiken wohnen, die ein staatliches
Ehebiuden so lange für eine Comödie betrachten müssen,
als sie ihrem Glauben nicht untreu werden, der sie lehrt, die
Ehe sei ein Sakrament. Möge der Protestantenverein insbe-
sondere die Wahrheit beherzigen, daß in unserem Lande erst
seit jener Zeit der confessionelle Friede nicht mehr ungestört
nestelst, als der Grundsatz ein leitender wurde, daß die Aner-
kennung der Rechte der kathol. Kirche uud die Regelung der Ver-
hältnisse der Katholiken Badens von den zufälligen Launen
einer zufällig herrschenden Partei abhängen solle und daß gerade die
jetzigen Führer des Protestantenvereins es sind, welche wir in
jener Durlacher Versammlung diesen schlüpfrigen Boden betreten
sahen, der heute noch unglückselige Zwistigkeiten religiöser Art
bei uns aufrecht erhält. -
Kämpfe der Protestantenverein für die Regelung der ihm
unterstehenden protestantischen Verhältnisse, dies berührt uns nicht
und wir gönnen ihm seine Erfolge auf seinem Gebiete — aber
rühre er nicht rein katholische Verhältnisse an und versuche er
nicht protestantische Anschauungen in katholischen Verhältnissen zur
Herrschaft zu bringen — die Katholiken würden einen solchen
Eingriff in ihre heiligsten Angelegenheiten energisch zurückzu-
weisen nicht verfehlen. Der Staat betrachte die kirchliche
Einsegnung der Katholiken wie seither für genügend zur
Giltigkeit der Ehe, er gestatte dagegen den Mitbürgern, welche,
bannt nicht zufrieden sind auch noch eine, vielleicht für Fort-
schrittsmänner festere Weihe durch staatliche Segenssprüche, dann
bleibt der Friede im Lande erhalten und es ist Jedem geholfen —
mit Ausnahme von Jenen, die selbst dann noch auf Theorien
reiten, wenn auch Alles zu Grunde geht! Indessen Gefahr ist
im Anzuge, deshalb rufen wir Euch zu: Katholiken paßt auf! Es
handelt sich um die Heiligkeit Eurer Religion! Seid wachsam
und schlafet nicht!

Baden.
* Heidelberg, 4. Febr. Unser gestriger Vereinsabend war
äußerst zahlreich besucht, so daß die ohnehin etwas engen Loca-
litäten kaum für die Menge der Anwesenden ausreichen konnten.
Auch einige Gäste aus benachbarten Orten hatten sich einge-
funden. Herr Lindau hielt seinen im Pfälzer Boten angekün-
digten Vortrag über die Z wangs civilehe und wußte sein
Thema ebenso umfassend als populär faßlich zu behandeln. Ein
anderer Vortrag bezog sich auf unfern Verein betreffende An-
gelegenheiten. Mehrere Lieder theils ernsten, theils humoristi-
schen Inhalts erhöhten die festliche Stimmung.
* Heidelberg, 6. Febr. Bei einer gestern in den Räumen
des hiesigen katholischen Casion's stattgehabten äußerst zahlreichen
Versammlung von Geistlichen und Laien aus der Nähe und
 
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