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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 103-115 (1. September - 29. September)
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«M. 107. Dienstag den 11. September 1866.


HI Die kathotikenfeindlichen Vorgänge zu Hems-
bach und Laudenbach während der preußischen
Occupation.
Am 9. Aug. gegen Mittag rückte die 12. Compagnie des
39. preuß. Linieninsanterieregiments (Garnison Koblenz) ohnge-
fähr 200 Mann stark unter dem Beseht des Hauptmanns Her-
mann hier ein, um Standquartier zu beziehen. Anstatt'der
dem kathol. Pfarrer Hofmann ungesagten 2 Mann erschienen
deren 23 unter Vorweis eines auf diese Zahl lautenden Billets
der hiesigen Einquartierungseommission im Pfarrhause zur Ein-
quartierung. Trotz der entschiedenen Protestation des Pfarrers
gegen diese Gewaltthätigkeit, da die norhandenen Räumlichkeiten >
des Pfarrhauses zur Aufnahme einer solchen Menge nicht vor-
handen seien, wurden sofort sämmtliche Zimmer des Hauses
vou den Soldaten in Beschlag genommen, die ihnen dann auch
ohne weitern Widerstand von Seiten des Besitzers überlassen
wurden. Mittag- und Abendessen wurde sofort unter Beihilfe
von aus der Nachbarschaft zusammeugelaufenen Leuten zube-
reitet, da die alte Schaffnerin des Hauses in Folge des Schre-
ckens bedenklich erkrankt war. Für das Nachtquartier wurden
sämmtliche Zimmer und Gänge des Pfarrhauses mit Stroh be-
legt, die vorhandenen Betten zusammengeschleift und darauf ge-
legt; der Herr des Hauses, dem nur ein kleines Gangstübchen .
zur Verfügung geblieben, mutzte sich ebenfalls die Streu gefallen
lassen.
Schon bei der Beschlagnahme des Pfarrhauses durch die
Soldaten hatte der Pfarrer durch einen hiesigen Bürger bei
den: Protest. Bürgermeister des Ortes anfragen lassen: warum
mau ihm allein eine solche Einquartierungslast aufbürde, mäh-
rend doch kaum die Hälfte der hiesigen Bürger mit Einquar-
tierung bedacht sei, und die reichsten Einwohner des Ortes nur
einen einzigen, höchstens zwei Mann Hütten? Dieser, dem Pfarrer
seit Jahren feindselig gesinnt, verweigerte barsch jede Aufklärung,
so daß über die ersten Veranlasser und Mithelfer des Gewalt-
streichs kaum noch ein Zweifel bestehen kann. Der Hauptmann
der Compagnie, Hermann, Zu dem sich der Pfarrer des andern
Tags begab, um den Grund der übermäßigen Einquartierung
zu erfahren, äußerte sich dahin: es bestehe in Hemsbach eine
preußenfeindliche Partei, deren Haupt der Pfarrer sei, der deß-
halb gestraft werden müsse. Pfarrer Hofmann erwiderte hier-
auf: daß hier eine preußenfeindliche Partei nicht vorhanden sei,
daß er weder vor dem Kriege, noch während desselben noch

nach demselben irgend eine feindliche Aeußerung gegen Preußen
gethan, noch weniger gegen dieselbe eine feindliche Handlung
begangen habe: könne man ihm das Gegentheil beweisen, so
mache er sich verbindlich die ganze Compagnie für die Dauer
ihres hiesigen Aufenthaltes allein zu unterhalten; aber jene
verläumderische Angabe sei nur der Deckmantel, unter welchem
man den katholischen Geistlichen, der zu jeder Zeit für die
Rechte seiner Kirche und Gemeinde ausgetreten sei, maßregeln
wolle, nachdem alle übrigen seit Jahren gegen ihn versuchten
Niederträchtigkeiten elender Menschen nicht zum Ziele geführt
hätten; er wundere sich, wie preußische Offiziere sich als Scher-
gen zur Ausführung von Privatrache hätten hergeben können;
er dringe auf Untersuchung, auf Angabe des elenden Denunci-
anten und auf genügende Satisfaeüon. Der Hauptmann ver-
weigerte dieses wie die/Hinwegnahme der Soldaten aus dem
Pfarrhause unter Berufung auf die ihm gewordenen „Insi-
nuationen." —
Mittlerweile beklagte sich die Besatzung des Pfarrhauses
bitter darüber, daß man sie, die schon seit fast 3 Wochen nicht
aus den Kleidern gekommen, zwinge fortwährend auf Stroh
zuzubringen, auch jetzt hier, wo doch nur ein Viertel der Bür-
ger mit Soldaten belastet sei, und man so, um an einem ein-
zelnen Mann Rache zu nehmen, den zehnten Theil der Compag-
nie mit ihm bestraft. Die -Klagen kamen beim Appell zu den
Ohren des (prot.) Lieutenants, der darauf die geistreiche Bemerk-
ung machte: der Herr Pastor werde doch soviel katholisches
Gefühl haben, um seine katholischen Glaubensgenossen nicht auf
Stroh schlafen zu lassen! Wahrscheinlich hielt der Hr. Lieutenant
das katholische Gefühl für irgend eine Maschine, die nach Be-
dürfniß Betten herausschüttelt, oder das katholische Pfarrhaus
für eine Kaserne, wo die nöthigen Betten auf Verlangen aus
den Wänden wachsen. Da die Mannschaft jedoch auf Ausquar-
tierung bestand, so wurden am Abend des 10. August von der
Garnison des Pfarrhauses 13 Mann anderwärts vertheilt, 10
blieben dort zurück.
Da der Pfarrer sich von der Civilbehörde keine Hilfe ver-
sprechen durfte, begab er sich am 13. August zu dem Obersten
des Regiments v. Schwerin nach Heidelberg, um ihm den Her-
gang vorzutragen und um Schutz zu bitten. Derselbe erklärte,
von der Sache nichts zu wissen, jedoch wolle er Untersuchung an-
stellen lassen; indessen möge sich der Pfarrer an den Comman-
danten des Bataillons, Major Curt in Weinheim, wenden, der
um die Sache wissen müsse. Der Pfarrer suchte diesen am
nämlichen Tage noch auf, der aber auch von der Sache nichts

* Flaschon's Reise.
I. M. Flaschon, der sich nennet
Bürgerredacteur des Boten,
Sendet allen seinen Lesern
Freundesgruß vor seinem Abschied.
Ist ihm doch gar sehr vonnöthen
Eine langre Ferienreise,
Theils von wegen der Gesundheit,
Theils zur besseren Belehrung.
Denn man hat ihm nachgewiesen,
Klar und unzweideutig richtig,
Daß er mangelhafte Kenntniß
Habe in den — H o s g e s ch i ch t e n.
Darum will er in der Einsam-
keit studiren die Karlsruher
Zeitung und dazu des Doctor
Vehse deutsche Hofgeschichten.
I. M. Flaschon, I. M. Flaschon,
Wie wird dir die Trennung schwierig
Von der alten Schloßbehausung*),
Wo du wohnst mit den Gespenstern!

ft Flaschon wohnt als Custos der bekannten v. Graimberg'schen Ge-
mäldegalerie im Heidelberger Schloß.

Wo die alten Pfälzer Ritter
Nächtlich dir Besuche machten
Und die Leitartikel schrieben
In der besten psälzer Mundart,
Ehrlich-deutsch, wie man's gewohnt war
In der alten Zeit, als man noch
Reden durfte ohne Schnörkel,
G'rad wie's Einem just um's Herz war.
Und es kamen selbst die Fürsten
Von der psälzschen Kur und grüßten
Dich als den erprobten Streiter
Für das fröhlich Pfälzerländlein.
In der Nacht vor deinem Abschied
Gaben noch die Ritter alle
Dir, dem lust'gen Pfälzerboten,
Eine große Abschiedsfeier.
Seine kurfürstlichen Gnaden
Karl Philipp war auch zugegen
Und geruhte nach dem Schmause
Huldreich Folgendes zu sprechen:
„I. M. Flaschon, psälzer Bote,
Willst du uns so bald verlassen.
Du, die Blüthe meiner Ritter,
Der du kämpfest mit dem Riemen?
 
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