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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 26-39 (1.März - 31. März)
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Bote


Pr*eis: vierteljährl. 40 kr. ohne Träger-
lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 tr. d.Z.


Ginladung
zu einer Versammlung katholischer Männer auf Mittwoch den 21. d. M., Nachmittags 2 Uhr im H^bbade bei Bühl.
Die mn 15. v. M. stattgefundene Katholikenversammlung in Bruchsal sprach sich über die Unzulässigkeit der
obligatorischen Civil-Ehe und den allgemeinen Widerwillen der christlichen Bevölkerung Badens gegen dieselbe aus.
Die unterdessen erfolgten Verhandlungen der II. Kammer über die Eckart'sche Motion ans Einführung der obligatorischen
Civil-Ehe haben die Befürchtungen der Katholiken Badens noch erhöht. —
Das in Bruchsal eingesetzte Comitä hält sich unter diesen Umständen verpflichtet, die oben erwähnte Versammlung
anzuberaumen, und ladet die katholischen Mitbürger zu recht zahlreichem Besuche dringend ein, um über die weiteren notwendigen
Schritte zu berathen.
Es werden ferner bei dieser Zusammenkunft die für die Gemeinde- und Staatsverhältnisse wichtigen
Fragen bezüglich der Abänderung des Gemeinde- und Wahlgesetzes eingehend besprochen werden.
Heidelberg den 12. März 1866.
Das Co mitv.

Schleswig-Holstein in der II. Kammer.
Auf die Kunde von einer Interpellation über die schleswig-
holsteinische Frage war die Theilnahme des Publikums bei der
Sitzung der 2. Kammer v. 15. März eine ungewöhnlich starke. Man
erwartete nicht anders, als daß von Seiten der Regierung ein
klar sormulirtes Programm über ihre Politik in der schleswig-
holsteinischen und deutschen Frage der Kammer mitgetheilt und
daß von der Kammer selbst, namentlich von der „muthigen"
Fortschrittspartei, aus ein solches gedrungen werden würde. In-
dessen sollte man sich bald stark enttäuscht finden. Der Abg.
Knies hielt eine sehr fließende, schön stylisirte Kathederrede,
wie sie von diesem allerdings gewandten Redner nicht anders
zu erwarten war. Es war ganz der gothaische Standpunkt,
von dein aus der Redner die schleswig-holsteinische Sache behan-
delte. Die alten Phrasen von der „preußischen Spitze", von
dem „Berufe Preußens", von der „Führerrolle Preußens" bil-
deten den Grundton der Rede; nebenbei wurde auch Schleswig-
Holsteins erwähnt. „Der preußische Staat dürfe nicht mit den:
jeweiligen Ministerium verwechselt werden," war auch eine
Redensart, die wir schon hundertmal in den verschiedensten
Wendungen gehört und gelesen haben. Es ist wirklich ein
fatales Ding, daß König und Ministerium in Preußen nie-
mals begreifen wollen, daß sie nur mit Hülse gothaischer
Kathederweisheit an die Spitze Deutschlands gebracht werden
können, ja, es zeugt von der höchsten Undankbarkeit, daß man
die Nationalvereinler, die doch Alles für Preußen thun, und
die gothaer Nationalennuchen in Berlin in die Rumpelkammer
geworfen hat und sie als alberne Hanswurstfiguren behandelt!
Mit einer geschickten Wendung aber sprang Redner Knies zu
dem Selbstbestimmungsrecht der Herzogthümer über, das uns frei-
lich niit der Bewunderung für den „Beruf Preußens" nicht recht
vereinbar erscheinen will, und endete mit der heroischen Aufforderung,
die Kammerherrn möchten sich von ihren Sitzen erheben,
was dazu beitragen soll, daß die staatsrechtlichen Verhältnisse
Schleswig-Holsteins und die Mitwirkung seiner Stände in Bälde
festgestellt würden. Und sie erhoben sich allevonihren
Sitzen! Die Sache Schleswig-Holsteins aber wird unstreitig
dadurch in ein neues Stadium gerückt werden!
Der Minister des Auswärtigen, Frhr. v. Edelsheim,
gab hierauf eine sehr geschraubte und vorsichtige Erklärung, die
uns so klug ließ, als wir vorher waren. Wir ersehen blos
daraus, daß die Regierung noch keinen bestimmten Standpunkt
in der deutschen Frage gewählt hat, das sie ihre Handlungs-
weise von den Umständen abhängig macht und daß Baden als
Kleinstaat bei den schwer drohenden Verwickelungen vorsichtig be-
scheiden zwischen durch schwimmen möchte. Dies scheint vorder-
hand der Compromiß zu sein, den man im Staatsministerium
geschlossen hat; denn es nnterliegt keinem Zweifel, daß in letz-
ter Zeit schwere Differenzen der auswärtigen Politik wegen
unter den Ministern stattgefunden haben/insbesondere daß
Ltabel und Larney ganz auf preußisch-annerionistifcher,

! Edelsheim auf der Seite des Bundesrechtes stehend sich ein-
ander bekämpft haben. Mag es sein, daß vor der Kammer-
sitzung ein Abkommen auf einstweiliges Zuwarten Badens ge-
troffen worden sei, um das Auseinanderfallen des Mini-
steriums zu verhüten, so daß der Schwäbische Merkur jede
ernstliche Differenz neuestens in Abrede stellen konnte, — keinen-
! falls kann bei der stets dringender heranrückenden Entscheidung
! des Schicksals der Herzogthümer dieses völlig reservirte Gehen-
lassen Badens beim Bunde beibehalten werden. Ausgefallen ist
uns bei der Haltung der Kammer hauptsächlich nur die völlige
Schweigsamkeit, die den Reden von Knies und Edelsheim folgte.
Was war das sonst für ein amüsanter Sturm im Glase
Wasser, wenn eine Haupt- und Staatsaktion, wie die schleswig-
holsteinische Frage in der Kammer aufs Tapet kam! Welches
Geschrei von „Gut und Blut", welches Schwärmen für das an-
gestammte Recht des „Herzogs Friedrich von Schleswig-Holstein!"
Was für ein lautes Sübelgerassel von tapferen Professorenhau-
degen und von Begeisterung glühenden Gesichtern, die freilich
auch das Geschäft des Weinhandels mit sich zu bringen vermag!
Und jetzt! Siehst Du, badisches Volk, das waren alles
leere Worte; siehst Du, badisches Volk, daß es weise von Dir
war, daß Du Deine Söhne nicht beim Ausbruch der schleswig-
holsteinischen Bewegung aus das Leichentuch des Schlachtfeldes
gelegt hast, als die von gothaischen Kathederhelden geleiteten
Volksversammlungen die Arme und das Herzblut Deiner Söhne
verlangten! Ganz wie in den Sturmj.ahren 48 und 49, wo die
nämlichen Helden, die den Zündstoff zusammengetragen, das
Volk im Stiche ließen und all ihr früheres Reden und Treiben
verleugneten!
Indessen können wir unsre Freude nicht verbergen, daß
wir Recht hatten, als wir in den Organen unserer Presse die
Großmachtspolitik des Herrn v. Roggenbach lächerlich fanden,
jenes Trommeln ohne Soldaten, jenes „Marschiren au der
Spitze Deutschlands", jenes pochende Notenschreiben an die gro-
ßen Staaten, jenes Freiwilligenwerben, jenes mit „Gut und
Blut" Unterstützen des „Herzogs Friedrichs", den selbst die
Gothaer jetzt den „Augustenburger" nennen! Wie gar bescheiden
tritt dagegen Herr von Edelsheim auf, und wahrlich, er hat
Recht, daß er Baden die ihm angewiesene Stellung eines Klein-
staates nicht überschreiten läßt, daß er die Wahrheit des Satzes:
„Schuster bleib bei Deinem Leisten" beherzigt, ein Satz, der
stets als Regel richtig ist, die nur bei Flaschon ihre Ausnahme
findet; denn Flaschon ist überhaupt eine Ausnahme.
Wie kommt es aber, daß die „muthige" Fortschrittspartei
sich so schweigsam und stille verhält, wie kommt es, daß der
sonst so krakehlsüchtige Gothaer Moniteur über so manche Vor-
gänge der letzten Zeit, die enge mit dem Ministerium und
dessen Bestand Zusammenhängen, nicht, wie er sonst gewohnt
war, den drohenden Finger des Schultyrannen aufhebt? Oder
sollte der auchpriesterliche Correspondent des Schwäbischen Mer-
kur und der Heidelberger Zeitung Recht haben, daß die Parteien
(Fortschritt, Gotha u. s. w.) sich in der letzten Stunde genähert
 
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