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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 142-153 (1. Dezember - 29. Dezember)
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M 146. Dienstag den 11. December 1868.

- Ein süddeutscher Bund und die Volks-
wirts ch ast.
Man muß dankbar sein für jede Belehrung. Diese Mah-
nung sollte insbesondere in der heutigen Zeit beherzigt werden,
denn die traurigste Erscheinung besteht gerade darin, daß der
politische, wie religiöse Fanatismus die Geister in der Beur-
teilung der Tagesfragen äußerst befangen macht, daß dadurch
die Belehrung erschwert, wenn nicht gar unmöglich geworden
ist, wenigstens, daß sie viel zu spät eintritt. Oder würden
die Nassauer und Kurhessen, (der Hannoveraner und Frankfurter
wollen wir gar nicht gedenken) die gothaische Fahne so hoch
gehalten haben, wenn sie gewußt hätten, was sie heute wissen,
und was ihnen die Nichtgothaer seit Jahren vorausgesagt
haben?
In der Absicht, uns Belehrung zu verschaffen, haben wir
den Aufsatz „ein süddeutscher Bund und die Volkswirtschaft"
in Nr. 281 der „alten" Bad. Landeszeitung nicht blos gelesen,
sondern auch darüber nachgedacht. Dieser Aufsatz warnt vor
Bildung eines süddeutschen Bundes, weil die Volkswirtschaft
Süddeutschlands dadurch bedroht sei. Wir Süddeutsche, die
wir im Ackerbau die Hauptrolle spielen, seien für unsere Er-
zeugnisse notgedrungen an den Norden als Abnehmer angewie-
sen und fänden ohne diesen keinen andern Markt. Das Bild
der Zukunft wird schauerlich in folgenden Worten gemalt:
„An der Isar ist man nicht so albern, daß man diese Sachlage und
daraus hervorgehenden Folgerungen mißkennt und deshalb sür einen süd-
deutschen Bund schwärmt. Wenn man aber etwa am Nesebach und großen
Woog sich aus Preußenhaß, Partikularismus und Angst vor Souvernni-
tätsverlusten zu dem Schritte verleiten lassen wollte, an die Herstellung
eines süddeutschen Bundes näher heranzutreten und dem raschen Anschlüsse
an das im Norden erstehende neue und stärkere deutsche Reich hindernd ent-
gegen zu treten, so dürste die Zeit nicht ferne sein, wo unser Bauern-,
Gewerbs- und Handelsstand die Folgen davon schwer empfinden würde.
Denn dann würden alsbald die bisherigen hohen Einnahmen magerer wer-
den und schwinden, der Getreidepreis würde die Zinsen der hohen Güter-
preise und die Pachtsummen nicht mehr aufbringen, Holz aus Schweden,
Rußland und Amerika würde im Norden das süddeutsche verdrängen, unsere
Tabaksfelder müßten großentheils umgepflügt werden und ganz besonders
würden auch die gestiegenen Weinpreiie fallen, da der Norden sich den ebenso
billigen französischen Weinen zuwenden würde, wofür dann der bisher in
Rücksicht auf Süddeutschland festgesetzte Zoll bald eine Herabsetzung erführe.
Man versuche es nur, in der bisherigen Weise fortzufahren, den Norden
abzustoßen und dazu zu drängen, die bestandenen Rücksichten und Verträge
fahren zu lassen, und man wird in der allerkürzesten Zeit sehen, wohin
dies führt."
Wäre dem also, so würden wir dazu rathen, daß wir
Süddeutsche eiligst mit Sack und Pack in's norddeutsche Lager
übergingen. Doch wir wollen die einzelnen Züge dieses Bildes
etwas näher betrachten; wir finden dann vielleicht, daß mir es
mit einem Zerrbilde, mit einem Gespenst zu thun haben, wo-
mit man nur Thoren und Kinder zu erschrecken vermag.
Wir möchten vor Allem darüber uns Aufklärung erbitten,
was unter den Worten verstanden wird, „in der bisherigen
Weise fortznfahren, den Norden abzustoßen" ? Wir wissen recht
gilt, wer den Süden vom Norden abgestoßen hat. Es war
Preußen, welches dies im Prager Frieden that. Dasselbe
Preußen hat ferner in demselben Friedensvertrag die Existenz
eines besonderen internationalen süddeutschen Bundes ausge-
sprochen, und als einige preußisch gesinnte süddeutsche Staats-
männer gleichwohl den engsten Anschluß des süddeutschen Gebie-
tes an Preußen verlangten, hat dasselbe Preußen mit Hohn
sie abgewiesen. Um aber nicht den mindesten Zweifel übrig zu
lassen, hat die preußische ofsicielle Presse auf die Bestrebungen
hin, den Südbund herzustellen, ihre vollste Zustimmung erklärt,
diesen Südbund freudig begrüßt. Wenn nun gleichwohl dem
preußischen Cabinet die Absicht zugeschoben wird, es wolle mit
der Verwirklichung des Südbundes den Zollverein mit dem
Süden lösen, es wolle dann die volkswirthschaftlichen Zustände
in Süddeutschland schädigen, so wird ihm damit eine Nieder-

trächtigkeit, die ihres Gleichen noch gar nicht gehabt, zuge-
! traut, eine Niederträchtigkeit, die im Munde der Gothaer dop-
- pelt verächtlich ist.
Wir sind aufrichtige Freunde des deutschen Zollvereins.
Wir betrachten ihn als letztes Band, welches uns noch ge-
blieben ist; wir erblicken in ihm ein Pfand, welches die Wie-
dervereinigung in politischer Beziehung verbürgt. Die Spreng-
ung des Zollvereins würde von den unabsehbarsten Folgen be-
gleitet sein und da trauen wir doch dem deutschen Volke noch so
viel gesunden Sinn zu, sich zweimal und dreimal vorher zu
besinnen und seine volle Kraft zur Erhaltung cinzusetzen, selbst
wenn es einem noch so wagehalsigen Cabinette nach einer Probe
gelüsten sollte. So immens die Calamität wäre, welche die
Ausscheidung Süddeutschlands aus dem Zollverein nach sich ziehen
würde, so wäre aber der bei weitem größere Nach-
theil auf Seite Preußens.
Die Grundlage des Zollvereins besteht bei weitem mehr
in dem Schutz der Gewerbbthätigkeit, als im Schutze der Land-
wirthschaft. In welchem Theile Deutschlands sind aber die
meisten Fabrikunternehmungen? Im Norden. Der Bewohner
des Nordens macht im Süden ungleich mehr Geschäfte, als
umgekehrt. Man möge sich nur einmal in unfern süddeutschen
Gasthäusern umschauen, dann wird man finden, daß 9/io der
Geschäftsreisenden im Auftrage norddeutscher Etablissements
ihre Waare anbieten. Diese Thatsache fällt um so schwerer
ins Gewicht, wenn man bedenkt, daß unsere süddeutschen Ge-
schäftsleute viel weniger an Reisespesen im Süden aufzuwenden
haben. Und warum werden denn die preußischen Thalerscheine
mit einem Aufgelds bei uns bezahlt? Wahrlich nicht wegen
der erhöhten Sicherheit dieses Papiers, sondern weil viel
mehr Geld aus Süddeutschland nach Preußen geht als umge-
kehrt.
Die Gefahren sür Süddeutschland bei einer Sprengung des
Zollvereins findet der fragliche Artikel der alten badischen Lan-
deszeitung zunächst im Fallen der Getreidepreise. Werfen
wir deshalb einen Blick auf die Ausfuhr des badischen Getrei-
des. Als Hauptabnehmer erscheint in dieser Beziehung die
Schweiz, deren Bodenverhältnisse es nicht gestatten, daß sie
ihren Bedarf an Früchten selbst producirt. Dieser Absatz ist
nicht bedroht, im Gegentheile ließe sich denken, daß die Schweiz
i einem süddeutschen Zollbund noch weitere Vortheile bezüglich
i der Getreideeinfuhr einräumen würde. Sodann findet eine
Ausfuhr von Getreide nach Frankreich und Rheinpreußen statt;
diese Ausfuhr ist aber keineswegs constant, sondern sie hängt
von den Erndten ab. Sind letztere in Frankreich und am Nie-
derrhein gut ausgefallen, so wird badisches Getreide vergeblich
dorten angeboten. Auch kann noch erwähnt werden, daß wir
bei Mißerndten in Baden viel preußisches Getreide von der
Ostsee einführen sahen. Ein weiterer Abnehmer der badischen
Früchte ist Holland; derselbe kann uns nicht entzogen werden,
da die Schifffahrt auf dem Rhein frei ist und etwaige Hinder-
nisse von Frankreich entschieden zurückgewiesen würden. Im
klebrigen läßt sich eine Kurzsichtigkeit, wie ein Getreidezoll in
der That wäre, von der preußischen Regierung nicht erwarten,
denn sie kann bei der Ungeheuern Industrie, die in Rhein-
preußen und Westphalen vorhanden ist, nimmermehr Maßnah-
men ergreifen, welche die Brodpreise sür die unruhige Fabrik-
bevölkerung künstlich steigern würden. Sollte gteichwohl das
! Unglaubliche eintreten, so kann unsere Ueberproduction von
! Getreide und Kartoffeln durch neue Anlage von Spiritus- und
! Stärke-Fabriken verwendet werden.
Was die Holzausfuhr anbelangt, so kommt für uns in
! Baden nur das Bauholz in Betracht. Für solches ist der be-
deutendste Abnehmer Holland, welches zugleich den Holzhandel
! weiterhin vermittelt, wo aber jetzt schon die Concurrenz von
! Schweden, Rußland und Amerika existirt; dann kommen Frank-
 
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