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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 142-153 (1. Dezember - 29. Dezember)
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598

reich und die Schweiz. Rheinpreußen bezieht im Ganzen nicht
viel Holz aus Baden.
In Bezug auf den Tabak muß zunächst unterschieden
werden zwischen Roh - und fabricirtem Tabak. Wollte Preußen
eine hohe Eingangssteuer auf den badischen Rohtabak legen, so
würde es seinen Fabrikanten weher thun, als dem badischen
Bauer, der seine Hauptabsatzmärkte in Holland, England,
Spanien und Italien, wie auch die Hansestädte dadurch nicht
verlieren könnte. In Bezug aus fabricirten Tabak würde die
Maßregel des Gegenzolles als Retorsion die besten Dienste
leisten.
Ebensowenig gilt das Bangemachen hinsichtlich des Wein-
absatzes. Der badische Wein wird vorzugsweise im Inland
consumirt, diese Consumtion würde aber noch erheblich steigen,
wenn ein süddeutscher Zollbund die nassauischen, Mosel- und
französischen Weine mit höherem Eingangszoll belegen würde.
Die bedeutenderen Abnehmer sind dann Württemberg und
Bayern, ebenso die Schweiz; auch nach Amerika wird viel aus-
geführt und in England könnten die Geschäfte noch vermehrt
werden. Nach Norddeutschland wird im Ganzen nicht viel
badischer Wein ausgeführt und ist dabei bemerkenswerth, daß
unsere Weinhändler theils wegen der hohen Reisespesen, theils
wegen der großen Verluste durch Bankerott und Chikanen re.
nicht gerne mehr den Norden bereisen wollen.
Ob sonach eine große Gefahr für uns vorhanden ist, wenn
wir dem „raschen (!) Anschluß an das im Norden erstehende
neue und stärkere deutsche Reich hindernd entgegentreten", kann
ruhig dem Urtheil aller Einsichtigen überlassen werden. Was
aber in Bezug auf die Steuerverhältnisse an dem raschen An-
schlüsse drum und daran hängt, hat uns vor einigen Tagen
ein Frankfurter unter Wehklagen verkündet, der als Cassier
angestellt, bisher 40 st. an Steuern entrichtete, seitdem er aber
die Ehre genießt preußischer Unterthan zu sein, 336 fl. jähr-
lich zu entrichten hat. Der Umstand, warum seit Jahren so
viele Preußen auswandern, und „den engen Anschluß an Baden"
suchen, erklärt sich hieraus sehr einfach.
Wenn wir oben bemerkt haben, daß der Nachtheil, welcher
durch die Sprengung des Zollvereins verursacht würde, viel
größer auf Seiten des norddeutschen Bundes wäre, so kann dies
im Hinblick auf die Industrie im Norden leicht nachgewiesen
werden. Diese Industrie ist so ausgebildet und beschäftigt so
viele Hände, daß es der umsichtigsten Pflege bedarf, um ihren
Absatz aufrecht zu erhalten. Süddeutschland bietet bis jetzt den
besten Markt dar. Ist es durch Zollschranken versperrt, so hat
der norddeutsche Fabrikant den Wettkampf mit dem englischen
und französischen zu bestehen, der ihm, zumal bei seiner noch
wenig ausgebildeten Schifffahrt unendliche Opfer bereiten müßte.
Wäre das Bckd der Lanoeszeitung für den badischen Bauer zu-
treffend, was wir aber nicht Zugeben, so würde derselbe in
seinem Fette ersticken. Ganz anders erginge es den norddeut-
schen Arbeiterschaaren — sie würden verhungern. Gegen den
Fettansatz ist, wie der unsterbliche Banting lehrt, das Univer-
salmittel gesunden; der Hungertyphus dagegen fordert unerbitt-
lich seine zahllosen Opfer.
Gerne gestehen wir zu, daß der Norden und der Süden
Deutschlands in Bezug auf Handel, Industrie und Verkehrs-
verhältnisse aus einander angewiesen sind. „Keine Trennung"!
so rufen auch wir. Wenn aber der gute Süddeutsche durch
falsche Vorspiegelungen in's Bockshorn gejagt werden soll, dann
ist es Pflicht, gegen jede Ueberhebung des Preußenthums in
die Schranken zu treten.
Errichten wir darum frohen Muthes den süddeutschen Bund
und werfen wir unsere Blicke auf die glücklichen Zustände, welche
die viel kleinere Schweiz und das viel kleinere Belgien uns
darbieten.
B K Ä en.
? Heidelberg, 7. Dec. Das gestrige Regierungsblatt ent-
hält endlich das Gesetz, die Kriegskostenausgleichung betreffend.
Dabei ist ein Tarif über die Preise beigefügt, welche bei der
Ausgleichung zur Vergütung kommen. Derselbe enthält folgende
Bestimmungen:
I. Verpflegung der einquartierten Truppen, ch Soldaten.
Frühstück 5 kr. Mittagessen mit Wein 25 kr. Abendessen 12 kr. Zusammen
12 kr. Für Cigarren oder Tabak, wenn solche vom Quartiergeber zu ver-
abreichen waren, täglich 2 kr. b) Officiere, die im Osficiersrang stehen-
den Beamten, Feldwebel, Portepeefähnriche und in Officiersstellen sungirende
Unterosficiere. Frühstück 12 kr. Mittagessen 1 fl. 12 kr. Nachmittag- und
Abendessen 36 kr. Zusammen 2 fl.
II. Fouragc. Centner Haber 5 fl. 30 kr. Centner Heu 2 fl. 30 kr.
Centner Stroh 1 fl. 48 kr.
III. Lebensmittel. Centner Mehl 8 fl. 30 kr. Brod per Pfd. 3si°
kr. Fleisch, lebendig: Ochsen-, per Centner 45 fl., Rind-, per Centner
23 fl. Fleisch, geschlachtet: Ochsen-, per Centner 28fl., Rind-, per Centner
14 fl! Wein, per Ohm 30 fl. Bier, per Ohm 16 fl.

IV. fuhren. Pr. Tag und Pferd 2 fl., für andere Zugthiere per
Tag und Stück 1 fl. 30 kr., für 1 Wagen 30 kr., für 1 Chaise 1 fl.
Der Termin, bis zu welchem alle diejenigen, die Cntschädigungen für Kriegs-
kosten nach dem neuen Gesetz beanspruchen, dieselben amtlich anzumelden
haben, ist auf den 22. December d. J's. festgesetzt.
* Heidelberg, 8. Dec. Daß die verschiedenen Amtsver-
kündiger des Hinterlandes es versuchen würden, das Auftreten
des Herrn Amtmann Schmieder in Lauda in Schutz zu
nehmen, ließ sich bei der Abhängigkeit jener ärmlichen Blätt-
lein wohl voraussehen; immerhin hätte man erwarten können,
daß sie wenigstens ihre Entschuldigung mit irgend einem recht-
lichen Grunde, und sollte er auch noch so sophistisch sein, zu
begründen versuchen würden. Allein das ist durchaus nicht der
Fall; vielmehr beschränken sie sich auf eine dürftige Erzählung
des Vorganges und auf die eine oder andere armselige Stichelei
gegen Lindau, wobei, wie im Main- und Tauberboten, eine
Lüge hintendran geschmiedet wird. Dort heißt es nämlich,
wahrscheinlich um einen Grund für das Erscheinen des Amt-
mannes aufzufinden, es seien viele Männer und Frauen aus
den Nachbarorten nach Lauda gekomüien, um Lindau sprechen
zu hören, die aber umsonst den Weg gemacht hätten. Das ist
nun eine erbärmlich zurecht geschmiedete Lüge; denn es
war kein Mensch aus der Umgegend von Seiten der Bevölkerung
gekommen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil über-
haupt Niemand eingeladen war. Zudem hätte ja das kleine
1 Lokal, das die 40 Geistlichen kaum zu fassen vermochte, für
! eine größere Menge nicht ausgereicht. Das wird selbst Herr
Schmieder nicht in Abrede stellen können. Was aber letzteren
! Herrn anbelangt, so frägt der Freiburger Bote, ob das der-
! selbe Oberamtmann vr. Schmieder sei, der „vor gar nicht
! allzu langer Zeit noch als ein kirchlich gesinnter Beamter" hätte
angesehen sein wollen? Sollte uns diese Anfrage vielleicht in
die Zeit des Ministeriums Stengel - Meysenbug zurücksühren,
wo noch Anderes Mode war?
-s- Bruchsal, 8. Dec. Wie das Heidelberger katholische
i Casino, so hat auch der hiesige nahezu 400 Mitglieder zähl-
! ende kathol. Bürgerverein bereits eine Weihnachts besehe-
rung beschlossen und dieselbe aus den Zweiten Christseiertag
festgesetzt. Solche Christbescherungen bieten eine sehr günstige
j Veranlassung Zu einem überaus fröhlichen Vereinsfefte und sollten,
wo sich katholische Vereine gebildet haben, nicht übersehen wer-
I den. Die Angelegenheit ist sehr einfach. Jedes Mitglied, das
s eine Gabe gewinnen will, muß eine solche abliefern im Werthe
! wenigstens von 12 Kreuzern. Bei der Wahl der Gaben
! kann das Nützliche mit dem Angenehmen verbunden werden, so
! daß jede Gabe vom Gewinner im Haus gebraucht werden kann.
Darum vorwärts, ihr kathol. Vereine! Ein fröhlicher Abend ist
i in unserer trüben Zeit ein wahres Labsal und soll das Band
! der Eintracht unter Katholiken immer fester knüpfen!
H PM°Ahsim-, 4. Dec. Ein recht artiges Stücklein
spielte vor nicht langer Zeit in Heinsheim, eine halbe Stunde
von Mühlhausen an der Würm. Dort saßen in Gesellschaft
mit noch mehreren ein Hauptlehrer und ein Ortsschulrath bei-
sammen in einem Bierhaus. Im Verlauf des Gesprächs kam
man denn auch auf die Schulreform zu reden. Der Lehrer
äußerte sich unter Anderm dahin: er frage nichts nach den
Ortsschulräthen, die verständen doch nichts, viele könnten nicht
einmal ihren Namen schreiben, es müsse deßhalb Zuletzt auch
noch diese Art der Beaufsichtigung abgeschafft werden, jeder
Lehrer wisse selbst schon am besten was er zu thun habe. Als
hierauf der Ortsschulrath die Bemerkung machte, daß durch gewisse
in der Schule des betr. Lehrers verkommende Dinge, die die
Eltern der Kinder nicht ohne Besorgniß lassen können, eine
Ueberwachung des Lehrers nicht überflüssig sei, da vergalt der
Herr Hauptlehrer diese persönliche Anspielung mit einer Reihe
von gleichfalls sehr ehrenrührigen Auslassungen. Der Wort-
wechsel wurde je länger je hitziger, bis er endlich in Thütlich-
keiten überging. Wuthcuo standen Beide auf, packten sich und
nachdem sie eine Zeitlang gerungen, stürzten sie hin, und fest
i aneinander geklammert rollten sie, bald der Eitle bald der An-
j dere zu unterst aus dem Stubenboden herum. Auf dieser
Wanderung geriethen sie an die hinter dem Ofen stehende mit
; Mehl reichlich gefüllte Backmulde und Jeder suchte feinen Gegner
dort hinein zu drücken. Dem Dazwischenkommen des Wirths,
j der anwesenden Gäste und des herbcieilenden Ortsdieners ge-
i lang eS, die Schulvorstände auseinander zu bringen und jeden
(getrennt nach Hause zu schaffen. Wie der Hauptlehrcr später
augab, will er während obiger Affäre Wirkungen ivie von einem
Hausschlüssel oder einem zugemachten Sackmeßer empfunden
haben. Nachweisen ließ sich zwar nichts, aber Thatsache ist es,
daß er stark am Kopse blutete und mehrere Tage tätig das
Zimmer zu hüten genöthigt war. Da die Polizei von dem
! Vorgefallenen Anzeige machte, so sah sich der Hauptlehrer wohl
 
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