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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 103-115 (1. September - 29. September)
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Preis: vierteljährl. 40 kr. ohne Träger-
lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.Z.


§ Herrlich ausgedacht! §
Wenn in einem Hause mehrere Bewohner leben und einer
derselben fängt an die übrigen zu verläumden, zu kränken und
zu verdächtigen, so wäre es doch gewiß sehr auffallend und nagel-
neu, wenn der Ruhestörer des Hauses sich beschweren oder gar
noch die gerichtliche Hilfe nachsuchen wollte gegen diejenigen, die
er mit Schmach überhäuft hat. Und eine sonderbare Gerechtig-
keitspflege müßte die sein, welche den Urheber des Hauszwistes
in Schutz nehmen und den verläumdeten Hausleuten den Prozeß
machen wollte. * ,!
Nichts mehr und nichtZ weniger verlangt die „Badische
Landeszeitung", wenn sie in jüngster Zeit wegen des von ihr
selbst auf die Spitze getriebenen unwürdigen Spieles der Ver-
dächtigung der katholischen ConfessioNsgenossenschaft meint: es sei
eine unabweisbare Pflicht der Regierung und aller Bessern, solchen
Schädigungen der Sittlichkeit, der Bildung und des friedlichen
Beisammenwohnens mit aller Kraft entgegenzutreten.
Man weiß wirklich nicht mehr, was man von der Badischen
Landeszeitung, in Anbetracht ihres Verhaltens gegen die Katho-
liken hallen soll, da sie sich unterstehen kann, gegen diese die
Maßregelung der Regierung anzurufen.
Ueber die Verworfenheit der französischen Presse, welche die!
furchtbare Umwälzung zu Ende des vorigen Jahrhunderts ein-
einleitete und in religiöser Beziehung Alles in den Koth herabzog,
schrieb Mercier, der sich selbst zu den Philosophen zählte, die
Worte: „Gebt eine Feder in die Klaue des Satans oder irgend
eines anderen menschenfeindlichen Geistes und er wird es nicht
ärger machen können."
Wenn man die Stellung der Landeszeitung gegenüber den
Katholiken richtig bezeichnen will, so passen obige Worte voll-
kommen auf sie. Jeden nichtswürdigen Klatsch, den irgend ein
Artikelschreiber aufzutreiben weiß oder anrichtet, schleudert sie mit
eurer Keckheit in die Welt hinaus, die unerhört ist und häuft mit
einer beispiellosen Verwegenheit die schwersten Anschuldigungen auf
die Katholiken, so daß man beinahe zu glauben versucht ist, das
fragliche Blatt besitze einen Freibrief zur Brandmarkung derselben.

Und nach dem allerneuesten Ansinnen, sollen diese auch noch von
Regierungswegen dazwischen genommen werden!
Der Tyrann Tiberius ließ die unschuldigen Schlachtopfer
seiner Wuth zuerst durch die Henker schänden, ehe sie hingerichtet
wurden. („Vitiatas prirm a Oarnitios, äslrine 8trunZuIatus."
Lustou.) Ganz ähnlich möchte die Landeszeitung nut den Katho-
liken umspringen. Nachdem diese von ihr als eine blutdürstige
Rotte gebrandmarkt worden, die nur darauf sinne, Protestanten
und Juden bei günstiger Gelegenheit zu erwürgen, sollen sie —-
dieselben geschändeten Katholiken — nachträglich auch noch ge-
büßt werden. Doch die Sache hat keine Eile, vielleicht nimmt
dieselbe einen ganz anderen Verlauf. Das ist sicher, die Katho-
liken fürchten keine gerichtliche Verhandlung, welche die Landes-
zeitung herauf beschwören möchte, im Gegentheil, sie wünschen sie
und bedauern, daß eine solche nicht schon längst eingetreten ist.
Es rase die Landeszeitung nur in ihrer bisherigen Weise fort,
einmal doch wird das wüste Geschwür aufgestochen werden müssen,
aus dem unaufhörlich der größte Theil der badischen Einwohner
mit ekelhaften Unrath überschüttet wird.
Man hat für die Kriegsdauer von hoher Stelle jede „auf-
reizende Polemik" gegen die Confessionsgenossenschaften untersagt;*)
die Landeszeitung hat in einem fort dieser Aufforderung Hohn
gesprochen und ärger denn je ihre aufreizende Sprache fortgesetzt,
*) Der erste Erlaß des Ministeriums Lamey in Betreff der Haltung
der Preffe während der Kriegsdauer ist, so viel wir wissen, allen badi-
schen Blättern zugegangen; der andre dagegen, den das neue Ministerium
den Druckern, nicht den Redaktionen, zukommen ließ, und in welchem
ausdrücklich jede feindliche Polemik gegen andere Lonfessionsangehörige
strenge untersagt ist, wurde nur den Druckern einiger katholischen Blätter
und so weit uns bekannt einem Mannheimer demokratischen Blatte zugestellt,
die Landeszeitung und ähnliche Blätter wurden nicht in der gleichen Weise
verwarnt, wahrscheinlich weil diese Organe der Presse niemals gegen andre
Confessionen, insbesondere gegen die Katholiken, sich feindlich gezeigt haben.
Wer wird denn auch in Aeußerungen, wie sie die Landesbase gebraucht, wie
z. B. „die Katholiken wollen den Protestanten die Hälse abschneiden und
den Juden die Bäuche aufschlitzen, um sie dann mit siedenden Flüssigkeiten
zu füllen", etwas Anderes als einen liebevollen, herzlichen Beweis ächt brü-
derlicher Toleranz der Landesbase und Cons. gegen ihre katholischen Mit-
bürger zu finden vermögen? Der Bote.

Ein Besuch auf den Kriegsschauplätzen am Main.

(Pfälzer Zeitung.)

(Schluß.)
In Oberaltertheim trafen wir noch bayerische Verwundete in dem Zim-
mer eines verlassenen Bauernhauses, das zwei alten Junggesellen gehörte.
Drei der Kranken hatten Schenkel und Arm im Gypsverband liegen und
waren recht froh, als sie einmal Besuch sahen. Wärter und Pfleger waren
wohl da, aber im ganzen Haus sah man, daß keine weibliche Hand schaltete,
und die armen Soldaten beklagten gar sehr, daß die zwei „alten Kerle"
dereinst nicht geheirathet hatten. Einige Flaschen Wein, frisches Gebäck und
Cigarren ließen wir zurück und fuhren nach Unteraltertheim. Hier lagen
im Lazareth eines Wirthshauses dreizehn Preußen; die in schönster Ord-
nung aufgestellten Pickelhauben, die dazugehörigen Zündnadeln und Mäntel
an der Wand sagten uns, daß die Daliegenden nicht im Getümmel des
Kampfes mit Wunden vom Schlachtfeld gebracht waren, sondern daß sie
von den langen Strapazen erkrankt lagen. Der Krankenwärter sagte uns
denn auch, daß Sämmtliche Typhus- und Cholerakranke wären. Einer lag
eben im Todeskampf, der Prediger von Helmstadt war inzwischen auch an-
gelangt, beugte am Fuß der Lagerstätte das Knie und sprach ein lautes
Gebet, bis das Auge des Verscheidenden gebrochen. Die Gefährlichkeit eines
solchen Lazareths in einem kleinen Dörfchen hatte sich auch schon unter
den Bewohnern fühlbar gemacht und meine Würzburger Herren trugen
Sorge dafür, daß Desinfektionsmittel hinausgeschafft wurden.
Wir fuhren wieder auf der Straße, an Kist vorbei, nach Würzburg
nw wir nach acht Uhr Abends vor den Festungsthoren anlangten.
Die Wache rief uns ein Halt zu, wir mußten eine Zeitlang im Regenwetter
harren, bis uns das Bekanntgeben unserer Sendung und die Genfer Binde
am Arm die Thore öffneten. Die Preußen in der Stadt ließen uns un-
gehindert passiren und so begaben wir uns bald nach unserer Ankunft zur
Ruhe. Am nächsten Tage trat ich den Rückweg an über Aschaffenburg
und Darmstadt, wohin seit einigen Tagen wieder die ersten regelmäßigen
Züge gingen. Rasch brachte uns die Bahn durch die wunderliebliche
Maingegend in den Spessart, wo der ganze Bahnzug mitten im Walde
angehalten wurde und zwar durch die Schadhaftigkeit der Locomotivpfeife.

Sie war gesprungen, der Dampf entströmte mit lautem Gezisch den Oeffnun-
gen und die ganze Maschinerie blieb still stehen. Vom nächsten Wärter-
häuschen aus wurden Nothsignale nach Aschaffenburg hinein gegeben, und
nachdem wir uns zwei Stunden lang den Wald angesehen hatten, langte
eine Locomotive an, die uns weiter brachte. In jedem Bahnwärterhäus-
chen des Spessarts liegen zwei Mann Preußen als Einquartierung, ob
wegen des Schutzes der Bahn oder aus sonstigen Gründen weiß ich nicht.
Der Abend begann zu dämmern, als wir vor Aschaffenburg ankamen;
die Thürme des Schlosses spiegelten sich im Main, über dessen Brücke das
Musikcorps des in der Stadt garnisonirenden preußischen Regiments daher-
zog von Schönbusch herüber, wo eine Produktion stattgefunden hatte. In
den Pfeilern der Brücke waren noch die Vertiefungen aufgeworfen zum
Sprengen der Brücke, was die Preußen dereinst beabsichtigt hatten. Die
Truppen in der Stadt waren meistens Polen, die mit ihren Quartiergebern
die Fingersprache redeten. Die Last der Einquartierung hat Aschaffenburg
sehr schwer betroffen, bei einer Beamtenwittwe, die ich besuchte, waren
innerhalb drei Wochen nach und nach über achtzig Mann einquartiert ge-
wesen. Es lagen auch noch ziemlich viel Verwundete, Preußen und Oester-
reicher, in den Lazarethen. Ueber den Kamps um Aschaffenburg, der sich
bis durch die Straßen der Stadt sortsetzte, wußten die Leute viel zu erzäh-
len; ein pensionirter Beamter aus Speyer, der hier lebte, holte während
unseres Gesprächs eine Kugel aus der Westentasche, die durch seine Fenster-
scheiben geflogen. Im Gasthaus war Abends eine ziemlich große Gesellschaft
von Offizieren, die über das preußische Vaterland sprachen; bei der Lebens-
mittelnoth in Unterfranken waren die Preise im Hotel billig zu nennen.
Andern Tages in der Frühe fuhr ich über Darmstadt, das ebenfalls überall
mit Preußen besetzt war, nach Mainz, wo der Zug vor der Einfahrt in
die Festung von nassauischen Jägern visitirt wurde, da den preußischen
Soldaten der Eintritt in die Festung verboten ist; sie steigen aus in
Bischofsheim, eine der letzten Stationen vor dem Festungsgebiete.. In
Mainz lagen meistens Kurhessen, dann noch Bayern und Nassauer, sowie
einige Oesterreicher, die letzten Weißröcke aus der Bundeszeit. Abends war
ich wieder glücklich in der Pfalz angelangt, wo ich, im Hause eines Freun-
des herzlich ausgenommen, bald alle Reisestrapazen vergaß.
K. A. Woll.
 
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