Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

DOI Kapitel:
Nr. 129-141 (1. November - 29. November)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43883#0521

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

„Ist der preußisch-deutsche Bundesstaat
noch möglich?"
Unter diesem Titel bringt das neueste Deutsche Wochen-
blatt einen vortrefflichen Aufsatz, aus dem wir unfern Lesern
Folgendes mittheilen:
„Die süddeutschen Gothaer führen den Bundesstaat noch
heute im Munde, und der Schwabe Holder verwahrt sich feier-
lich dagegen, daß er einen Einheitsstaat wolle, ähnlich wie
unfere badischen Anschlußmänner von einer Schonung der ba-
dischen Verfassung und Selbstständigkeit faseln und träumen.
Der Bundesstaat als solcher ist jedoch nach unserer unmaßgeb-
lichen Ansicht derart zu einer Illusion geworden, so daß wir
nicht wissen, ob jene Herren Agenten der preußischen Vergewal-
tigung sich selbst oder Andere täuschen.
Ein Bundesstaat ist nur möglich Zwischen gleichberechtigten
Gliedern; um sich dieses gleiche Recht zu wahren, müssen sie
auch von möglichst gleicher Stärke sein. Sonst erwacht im grö-
ßeren Staate fortwährend das Gelüste, den kleineren Zu verzeh-
ren, und dieser schleppt sich bis zum Ende seiner Tage in einer
unwürdigen sklavischen Abhängigkeit hin.
Man sehe nun diesen sogenannten norddeutschen Bundes-
staat an. Da steht.Preußen mit etwa 26 Millionen, einer Schaar
von Stäätchen mit 3 Millionen gegenüber! Sind das Bundes-
genossen? Puppen sind es, mit denen man spielt, Mäuschen,
welche sich Frau Katze zum Dessert verspart.
Warum verzögerte sich der Friede zwischen Preußen und
Sachsen so lange, und warum ist er auch jetzt nur provisorisch
abzuschließen gewesen? Weil sich für König 'und Volk von Sachsen
keine würdige Stellung in dieser Posse eines Bundesstaats
mehr fand, weil König Johann wohl fühlte, daß er zum preu-
ßischen Hoflakai herabgesetzt ist.
Man wendet uns freilich die ReichSverfassung ein und
fragt, ob mir denn nicht selbst eine solche Unterordnung der
Einzelstaaten unter die Gesammtmacht erhofft und crsuugen hät-
ten? Eine Unterordnung gewiß, aber unter das Parlament
der Nation, unter eine von der Nation bestellte und von
ihr eontrollirte Ceutralgewalt!
Dieser Unterschied wird wohl Niemanden entgehen.
Die „Alte Badische Landcszeitung" empfindet das unmür- !
dige Verhältniß der norddeutschen Kleinstaaten, welche ihre Be- j
fehle in Berlin zu holen haben, selbst und wünscht nun, um '
denselben — Höri! — ihre Loge erträglicher Zit machen, '

einen baldigen Beitritt der drei, vier süddeutschen Staaten zum
norddeutschen Bunde. Wohl in der Hoffnung, die hinzutreten-
den neun Millionen würden den Druck Preußens mildern! Auch
das ist eine Täuschung. Entweder fühlt Bayern, auf das es
hier hauptsächlich ankommt, die schmachvolle Stellung, die ihm
in jenem Bündnisse zu Theil würde, oder nicht. In letzterem
Falle wird also nichts gebessert, im ersteren Falle käme es,
wenn man Bayern gewaltsam in den Bund zwingen will, zu
hinein neuen Kriege, der — ohne Oesterreichs oder Frankreichs
Hülfe — mit der Eroberung Bayerns, daher mit seiner Ver-
knechtung enden würde.
Die badischen Gothaer haben es ja mit ihren schüchternen
Wünschen für Baden's innere Zustände bereits erfahren, wie
man in der Oberregierung denkt. Bismarcks Organe spotten
über die Anmaßung, daß Baden noch heute, wie unter dem
Bundestage, ein Staat zu fein glaube, mit dem Preußen
auf Du und Du stehe! Das fei gründlich vorbei! Das
heißt auf deutsch: mit der Gleichberechtigung der Bundesstaaten
ist es vorbei; Ihr habt uns zu gehorchen, und Eure Verfas-
' sungen, Euer von unserem Militärwesen bald durchlöchertes
Budgetrecht sind von der Zeit überholt; solche patriarchalische
Lächerlichkeiten passen nicht für einen Großstaat. Löscht Euern
Durst nach Freiheit mit der Einheit und sättigt den Hunger
nach Volksherrfchaft mit etwas Gloire!
Wer, nachdem Schleswig-Holstein nicht selbstständig consti-
tuirt wurde, nachdem Hannover, Kurhessen und Nassau (nicht
die Fürsten, sondern die Staaten) von der Karle geschwunden
sind, nachdem Frankfurt a. M., eine der wenigen deutschen Re-
publiken, eine Perle unserer Freiheitsanfänge, zemrümmert am
Boden liegt, wer jetzt noch von einem Bundesstaate träumen
kann, ist ein Thor oder ein Lügner.
Was sollen die Unterfürften in einem solchen Bundes-
staate? Wenn auch sie selbst eine solche Vasallenstellung anneh-
men wollen, um ihre Civiliiste und ihren Hofstaat und eine
Scheinsouveränität und die Domänen zu retten, dem
Volke kann damit nicht gedient sein. Wenn unser König von
Württemberg, wird es sagen, nichts ist als ein Satrap, dann
ist es ja wohlfeiler, wir haben gleich nur einen Gouverneur
wie die in Hannover und ersparen so und so viele Millionen
für unnölhige Hosmaskeraden und überflüssige Hochpreisliche
i Ministerien. Preußen wird solche Volkswünsche sehr gern hö-
! ren und eines schönen Tages erfüllen; dann können die Herren
i Monarchen, nachdem man sie in den Bundesstaat hineingelockt
Hal und jetzt wegwirsl, über die sibyllinischen Bücher der De-

Einige Notizen über Kloster und geistliche Lrden.
Bon R. G.
(Fortsetzung.)
Eine zweite Beschuldigung ist diejenige, daß sie durch ihr abgesondertes
Leben menschenfeindlich und hartherzig werden. Nun ist es aber wohl jedem
Menschen bekannt, daß die Neigungen, Bestrebungen und Ansichten grund-
verschieden von einander sind: die Einen haben ihre Freude an den körper-
lichen Beschäftigungen rind am Umgang mit der Natur, die Andern an den
Wissenschaften und Künsten, und wieder Andere fühlen sich von Natur aus
zum Staatsleben hingezogen. Wir müssen jedoch noch eine weitere Klasse I
von Menschen unterscheiden, die sich weder ausschließlich mit Handarbeit
beschäftigen, noch viel in der Politik verkehren, oder sich ausschließlich mit
den Wissenschaften nbgeben, sondern in schönem Ebenmaaße das materielle
Leben mit dein Geistesleben verknüpfen, und diese 4. Klasse hat die religiösen §
Orden bervorgebracht. Der Beweis dafür, daß die Ordensleute wirklich
nach Weser Weise leben, kann aus den Regeln sämmtlicher Orden, am
schönsten aber aus der Geschichte selber gezogen werden.
Derlei Menschen hat es zu allen Zeiten gegeben; man erinnere sich
beispielsweise nur an die Patriarchen der Urzeit, an die Propheten des
alten Bundes, an die Einsiedler der ersten christlichen Jahrhunderte.
Wenn es nun, um auf die Sache näher einzugehen, von Jedermann
anerkannt werden muß, das; jeder Mensch Vernunft und freien Willen hat,
sich folglich auch einen Stand wählen darf, zu dem er Beruf und Neigung
fühlt, warum sollte ich denn nicht Ordensmann, werden dürfen, wenn ich
Beruf dazu irr mir fühle? wäre es für mich nicht drückend, wenn ich in
einen Stand treten müßte, für den ich einmal nicht eingenommen bin, der
mir dann zum nagenden Wurm meines ganzen Lebens würde, und mir

schließlich, wenn ich mich nicht darein schicken könnte, mein dies- und jen-
seitiges Glück rauben könnte?
Handelt nun ein Staat im Rechte, wenn er nicht einmal Anstalten
duldet, in denen ein Mancher feiner Angehörigen leibliches und ewiges
Glück finden kann? oder handelt er, beiläufig klug, wenn er dergleichen
Anstalten nicht duldend, viele reiche Leute zwingt ihr Vermögen, das sie
zur Erbauung von Klöstern bestimmt haben, in ein anderes kirchlich freieres
Land zu tragen, und wenn er eine Menge von Jünglingen und Jungfrauen
nöthigt, ihrer Heimath den Rücken zu kehren, um ein fremdes Land auf-
zusuchen und nun dort nach ihrem Gewissen leben zu können?
Darüber, daß man die Ordensleute mit scheelen Augen ansieht, weil
sie sich freiwillig zur steten Keuschheit verpflichtet haben, will ich ganz schwei-
gen, und statt meiner einen Protestanten reden lassen. A. August Wilden-
hahn sagt an einer Stelle:
„Es gibt sog. alte Junggesellen, die als ein warnendes Beispiel Herum-
laufen, wie sich die Nichtachtung, vielleicht auch Verachtung des Wortes:
„Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei", an den Schuldigen rächt;
aber es gibt auch solche, die das Wort Pauli des Apostels: „Es ist den
Ledigen gut, wenn sie bleiben, wie ich", nämlich unverheirathet, aus eine
solche Weise an sich darstellen, daß man sie gar herzlich lieb hat. Während
jene nämlich nur Opfer ihres Egoismus sind, in aller Lust des Fleisches
und der Welt sich ohne alle Rücksicht auf Gottes Gebote gütlich thun und
gewissermaßen Kuckucksseelen sind, als wären sie un fremden Neste ohne
eigentliche Vater - und Muttersorge aufgewachsen und hätten somit keine
Schuld an Weib und Kind abzuzahlen, und wären nur da, um zu em-
pfangen, ohne an's Wiedergeben denken zu dürfen — sind diese nur Opfer
ihres Geschicks, ihrer Verhältnisse, und wenn sie sonst aus christlich männ-
licher Entsagung und Unterwerfung sich in ihr Schicksal gesunden und sich
 
Annotationen