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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 77-89 (3. Juli - 31. Juli)
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Baden.
§ Heidelberg, 28. Juli. Kaum lesen wir die Entlassung
Edelsheims, als auch schon die Nachricht von der Abdankung des
Gesammtministeriums eintraf. Wir haben außer Edelsheim kei-
nen Grund, den Fall irgend eines der gestürzten Minister zu be-
dauern; was wir gelitten haben durch die Verfolgungen der
neuen Aera ist zu viel, als daß wir es vergessen könnten. Hun-
derte unserer Parteigenossen sind in dem unseligen Schulstreite
um Geld gestraft worden, andere sind zum Gefängniß verurtheilt
und unsre Presse ist in Prozesse verwickelt. Eine ruhigere und
und freiere Zeit wird uns vielleicht Gelegenheit bieten, unsere
Leidensgeschichte ausführlicher zu schildern. Trotz alle den: haben
wir von dem Augenblicke an, in welchen: es feststand, daß die
Träger des Ministeriums die Bundespolitik gegen die Vergewal-
tigungen Preußens Zu verfechten entschlossen seien, alle Opposition
in inneren Fragen eingestellt und selbst Männer zu unterstützen
versucht, die uns bei allen Gelegenheiten, und selbst vor der
Volksvertretung, auf's Schroffste behandelt haben.
ff- Heidelberg, 28. Juli. Der I6rap8 sagt, die Härte
Preußens gegen Frankfurt lasse sich unter Andern: auch, dadurch >
erklären, daß Bismarck als Bundestagsgesandter seiner Zeit von!
den Patrizierfamilien Frankfurts sehr vernachlässigt worden sei,
während der österreichische Gesandte sowie andere Collegen Bis-
marcks von der frankfurter Geldaristokratie nut den zuvorkom-
mendsten Artigkeiten behandelt worden seien. Von der Zeit an
habe Bismarck einen verbissenen Groll gegen die Stadt gehegt,
dem er jetzt endlich Ausdruck zu geben Gelegenheit habe.
x Bom Neckar, 28. Juli. Von Nah und Fern müssen
Brodlieferungen nach der Taubergegend gesendet werden, ja selbst
von dem entfernten Heidelberg, um den Leuten den bittersten
Hunger zu stillen. In Wertheim wurden gestern lange Wagen-
züge von preußischen Tobten und Verwundeten hereingefahren,
und alsbald bekannt gemacht, daß bei hoher Geldstrafe keine
Leichname mehr in den Fluß geworfen werden dürften. Nach
dem Gefecht von Tanberbischofsheim war die männliche Bevöl-
kerung in Masse beschäftigt, den ganzen Tag über die Todtcn
zu begraben. Fortwährend wird viel Vieh mit der Odenwalo-
bahn nach Mannheim geflüchtet, um dort rasch verkauft zu wer-
den, da die Preußen alles schlachten, was in den Ställen steht.
2 Heidelberg, 27. Juli. Hätten wir eine allgemeine
Volksbewaffnung, so wären die Streifzüge weniger preußischer
Husaren, die sich herausnehmen, größere Orte und Städte zu
brandschatzen, rein unmöglich. Wir erinnern nur an das Bei-
spiel der kleinen Stadt Limburg in Nassau: wie wäre es denk-
bar, daß ein Städtchen von mehreren Tausend Einwohnern bei
allgemeiner Bürgerbewaffnung durch 30— 40 preußische Sol-
daten mit den härtesten Contributionen belegt werden könnte!
Jedenfalls müßten die Preußen überall hin größere Militärab-
theilungen zur Eintreibung von Contributionen absenden, was
ihrer Hauptarmee eine bedeutende Schwächung verursachen
würde, oder — wenn sie dies nicht für thunlich hielten, was
das Wahrscheinlichste wäre — müßten sie auf derartige Raub-
züge, wie sie längs der ganzen Mainlinie von ihnen ausgeführt
werden, Verzicht leisten, was ein großer Segen für die Bevölker-
ung wäre. Und doch ist dieser von uns hervorgehobene Punkt
nur einer von den vielen großen Vorteilen der Volksbewaff-
nung !
Karlsruhe, 28. Juli. Die Karlsr. Ztg. schreibt: Nach-
dem am 26. d. M. die sämmtlichen Mitglieder des bisherigen
großh. Staatsnünisteriums ihre Entlassung nachgesucht hatten, be-
auftragte Se. Königl. Hoheit der Großherzog gestern Nachmit-
tag Hrn. Staatsrach Mathp nut der Bildung eines neuen Mi-
nisteriums. Dieselbe war bis zum Abend ausgeführt, und wie
wir hören, dürften die zur Constituirung erforderlichen Formali-
täten noch im Lauf des heutigen Tages vollzogen werden.
^-e. Königl. Hoh. der Großherzog haben zum Präsidenten
des Staatsministeriums und Staatsminister der Finanzen den

Hrn. Staatsrath Mathp ernannt, und demselben auch die Lei-
tung des Handelsministeriums übertragen.
An die Spitze des Ministeriums des großh. Hauses und der
auswärtigen Angelegenheiten tritt als Präsident Hr. Ministerial-
rath v. Frepdorf; an diejenige des Ministeriums des Innern
ebenfalls als Präsident Hr. Dr. Jolly; Letzterer wird interi-
mistisch auch das Ministerium der Justiz führen.
Das Ministerium des Kriegs bleibt in den Händen des Hrn.
Generalleutnants Ludwig; Hr. Staatsrath Nüßlin wird auch
ferner den: Staatsministerium als Mitglied angehören.
Die HH. Staatsräthe Lamey und Vogelmann sind in
den Ruhestand versetzt und Hr. Staatsminister Dr. Stadel ist
einstweilen bis zur Wiederherstellung seiner sehr angegriffenen
Gesundheit in Ruhestand getreten.
Die großh. Staatsregierung wird, wofür ihre dem Lande
genug bekannten Mitglieder Gewähr geben, sich auch ferner an
das Programm vom 7. April 1860 anschließen. Sie wird ins-
besondere die Verwaltung des Landes kräftig zu führen suchen,
und gegen staatsfeindliche Agitationen nötigenfalls rasch und ener-
1 gisch einzuschreiten wissen. Die Verfassung und die Landesgesetze
! bieten dazu die hinreichenden Mittel. In Betreff der äußern An-
> gelegenheiten wird das Streben der großh. Staatsregierung auf
die großen nationalen Ziele gerichtet sein, so daß den: deutschen
Vaterland die schweren Krisen erspart werden, welche dasselbe in
jüngster Zeit in die äußersten Gefahren gebracht haben.
Karlsruhe, 28. Juli. Oesterreich hat sich, wie. wir er-
fahren, mit Preußen jetzt über die Friedenspräliminarien ge-
einigt und zwischen beiden Mächten ist ein Waffenstillstand
abgeschlossen, welcher am 2. Aug. beginnt und zunächst auf
4 Wochen festgesetzt ist. Bis 2. Aug. dauert die Waffenruhe.
Im Lager Sr. Mas. des Königs von Preußen verhandelte
gestern Hr. v. d. Pfordten über die Ausdehnung des Waffen-
stillstandes auf Bayern, und der württembergische Minister des
Aeußern ist ebenfalls nach Nikolsburg gereist. Wie man hört/
zeigt Preußen sich geneigt, die Waffenruhe den Truppenkontin-
genten des bisherigen 8. Armeecorps gegenüber auch vor Ab-
schluß der Waffenstillstände faktisch eintreten zu lassen.
In Folge dessen hat die großh. Staatsregierung einen Be-
vollmächtiglen in das Hauptquartier des Generals v. Manteuffel
abgesendet, welcher in der vorigen Nacht dorthin abgegangen
ist und mit dem förmlichen Abschluß einer Waffenruhe zwischen
den großh. badischen und den königl. preußischen Truppen be-
auftragt ist. Zur Verhandlung der Friedenspräliminarien
und des Waffenstillstandes dürfte noch im Lauf des heutigen
Tages ein Bevollmächtigter in das Hauptquarier Sr. Majestät
des Königs von Preußen abreisen. (K. Z.)
Karlsruhe, 28. Juli. Die neuernannten Minister bzw.
Ministerialpräsidenten haben ihre Funktionen bereits angetreten.
Alle drei neuernannten Ministerialvorstände sind
Männer von ganz entschiedener Energie, gleichsam
ausgesucht für eine Entscheidungszeit wiedie jetzige.
(Mannh. Journ.)
M. Voxberg, 28 Juli. Für den hiesigen Amtsbezirk
war als Kriegssteuer vompreuß. Commando Folgendes bestimmt:
63 Ochsen ü 500 Pf. Schlachtgewicht, 1200 Malter Haber,
10,000 Laib Brod ä, 5 Pf. und verschiedene Zentner Salz,
Zucker, Kaffe re. Heute sollte Alles nach Wertheim, wenn ich
recht berichtet bin, abgeliefert werden. Da kommt ein preuß.
Dragoner und bringt die Nachricht, daß die Lieferung nach
Würzburg geschehen müsse. Heute dagegen erscheint plötzlich
auf einmal eine Eskadron würt. Uhlanen vom 4. R. mit eini-
gen blauen bad. Reitern von Mergentheim nach Schweigern
zu und hat nun 32 Ochsen und die Haber- und Brod-Wagen
abgefangen.
Deutschland.
Marktheidenfeld, 22. Juli. Heute langte ein Trans-
port Pferde und Waffen im Divisionsquartier an, welchen ein
 
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