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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 103-115 (1. September - 29. September)
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Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag
Donnerstag und Samstag.



108. Donnerstag den 13. September 1866.


Baden.
* Heidelberg, 10. Sept. Das Deutsche Wochenblatt ent-
hält in bündiger Kürze folgendes Wahlprogramm der Volkspar-
iei bei den in Baden jetzt bevorstehenden Nachwahlen:
„1) Deutsche Einheit, aber nur auf dem Wege der Frei-
heit; daher sofortige Begründung eines süddeutschen Bundes, so-
fortige Einberufung eines süddeutschen Parlaments.
2) Rascheste Umgestaltung des süddeutschen und namentlich
badischen Heerwesens auf Grundlage der allgemeinen Wehr-
pflicht*), Einführung der neuesten Waffen und Kriegsfortschritte;
durchgreifende Rüstungen für die bevorstehenden neuen und ern-
sten Conflikte in Deutschland und Europa.
3) Einführung eines neuen Wahlsystems aus Grundlage
des allgemeinen, gleichen und direkten Stimmrechts und dem
entsprechend Auslösung der gegenwärtigen, von der Zeit über-
lebten Kammer; Neuwahl der ganzen Volksvertretung.
4) Anstrebung eines Ministeriums von erprobter, groß-
deutscher und freiheitlicher Gesinnung."
Es ist das ein sehr patriotisches und politisch gesundes Pro-
gramm, das auch außerhalb der Volkspartei nicht ohne Anklang
bleiben wird.
* Heidelberg, 11. Sept. Die in Wien erschienene Schrift:
„Aktenmäßige Enthüllung über den badischen Verrath" ist gestern
hier polizeilich mit Beschlag belegt worden, d. h. man hat in
allen Buchhandlungen auf dieselbe gefahndet, indessen nur ein
einziges Exemplar zu finden vermocht. Wir haben bis jetzt die
betr. Schrift noch nicht gelesen und sind oaher auch nicht im
Stande ein Urtheil über dieselbe fällen zu können, was ohnehin
in einem badischen Blatte nicht ohne Schwierigkeiten sein dürste;
wir glauben aber, daß es weit zweckmäßiger wäre, die erhobe-
nen Beschuldigungen gründlich zu widerlegen, als die Schrift
selbst zu verbieten, die gerade durch das Verbot einen großen
Reiz für die Lesewelt erhält und manchen Verdacht erregt, der
bei einer offenen Besprechung und Widerlegung nicht aufkommen
könnte. Sollte von maßgebender Stelle eine Widerlegung gege-
ben werden, so ist das Publikum, wenn es nicht auch die geg-
nerische Schrift gelesen hat, nicht im Stande, ein gründliches
Urtheil zu fällen, und wird eben auch die besten Gründe badi-
scher Seits unberücksichtigt lassen, weil es nicht weiß, auf welche
Weise die Anklage begründet ist.
-s- Bruchsal, 10. Sept. Es gibt hier keine Leimsiederei
mehr; Inhaber derselben hat sich mit Zurücklassung seiner Schul-
*) Aber doch wohl nur nach schweizerischem und nicht nach preußischem
Muster? Der Bote.

den aus dem Staub gemacht, was den sofortigen Gantausbruch
zur Folge hatte, wobei die Gläubiger jedenfalls geleimt sind.
Diesem Flüchtling hat sich weiter angeschlossen der bisherige
städtische Diener und Exequent von hier, Verrechner der Schützen-
und Sterbekasse, welche wahrscheinlich nebst einigen Geldern der
schwer geprüften Stadtkasse die Reisekosten ins gelobte Land zu
bestreiten haben werden. Wir bedauern, derartige Nachrichten
in die Oeffentlichkeit bringen zu müssen und bekunden unser auf-
richtiges Beileid, daß das Ausreißen aus gewissem Lager ziem-
lich stark um sich greift, ohne den Zurückgebliebenen ein zufrie-
denstellendes „Lebewohl" zu gönnen.
A- Karlsruhe, 8. Sept. Es ist vielfach im Lande aus-
gefallen, daß der Drucker des „Bad. Beobachters" alsbald nach
dem Amtsantritte des neuen Ministeriums stillen Druckvertrag
aufkündigte. Der Eclat, womit diese geschäftliche Entschließung
von dem Gedachten veröffentlicht wurde, insbesondere auch in
der Karlsruher Zeitung, gab zu allerlei Vermuthungen Anlaß,
wobei man selbst daran dachte, daß dem Manne für die Auf-
gabe seines ansehnlichen Vortheiles noch bessere Aussichten eröff-
net worden seien; denn für wenig wahrscheinlich hielt man, daß
derselbe blos aus Angst wegen einer erhaltenen Verwarnung des
Ministeriums gehandelt habe. Inzwischen zeigen sich Merkmale
von Umtrieben, welche es Ziemlich deutlich machen, daß auch
Parteiinteressen dahinterstecken; man bildet sich in gewissen Krei-
sen, wie es scheint, wirklich ein, dem Beobachter auf diese Art
an das Leben zu können, und je näher der Termin des Wechsels
in der Druckerei für den Beobachter heranrückt, desto eifriger
werden Ausstreuungen betrieben, welche zu verbreiten suchen,
die Regierung werde dem Forterscheinen des Beobachters dadurch
Hindernisse in den Weg legen, daß sie bezüglich der Concession
für die anderweitige Druckerei Schmierigkeiten mache. Die Gr.
Regierung weiß hiervon natürlich kein Sterbenswörtchen, und
gewiß liegt derselben nichts ferner, als Hindernisse der gedachten
Art aufzuwerfen, die ohnehin den Zweck verfehlen würden, da
der Eigenthümer des Blattes selbst eine Druckerei besitzt, und es
höchstens Zu einer Ortsveränderung getrieben werden könnte,
wobei das Parteiinteresse der Gegner des Beobachters eher ver-
spielen als gewinnen müßte; denn in der Residenz hat man
sich doch immer gewisse Rücksichten aufzulegen, welche in der
Provinz Hinwegfallen. Wir haben, wie gesagt, keinen Grund
zu glauben, daß was hier.für Regierungsabsicht ausgegeben wer-
den möchte, irgendwie auf Anhaltspunkte sich stütze, möchten uns
auch nicht erlauben, nur den leisesten Gedanken zu hegen, daß
Jemand im Lande so vermessen sein dürfte, dem neuen Ministe-
rium, das mit parteiloser Gerechtigkeit eine kräftige Verwaltung

ff Pater Zeil.
Graf Georg Zeil war am 8. Januar 1823 aus Schloß Zeil von ächt
katholischen Eltern geboren, die nichts unterließen, den Geist Jesu Christi
und dessen Liebe in das zarte Kindesherz zu pslanzen. Schon frühzeitig
wurde der junge Georg zur Erziehung und weitern Ausbildung den Jesui-
ten in Freiburg übergeben, und hier in der Einsamkeit, in der Abgeschie-
denheit von der Welt gefiel es dem jungen Grafen so sehr, daß er sich
schon mit dem 17. Jahre entschloß Jesuite zu werden. Die Aeltern sahen
diesen Schritt zwar nicht gern, allein getragen von einer ächt christlichen
Gesinnung, gaben sie endlich ihre Einwilligung und elterlichen Segen da-
zu. Als Novize verrichtete Georg tue niedrigsten Dienste; es war dein
Grafen nicht zu gering, in der Küche zu arbeiten, die Zimmer zu reinigen.
Nach Vollendung des Noviziats wurde er nach Rom geschickt. Hier'im
Mittelpunkte des katholischen Lebens und der kirchlichen'Wissenschaft, an
den Gräbern der Apostelfürsten, sollte er sich in der Tugend weiter beför-
dern und jene Kenntnisse sich aneignen, die ihn befähigten, gegen Jrrthum
und >Lünde mit der Kraft des göttlichen Wortes anfzutreten. Der junge
Jesuite scheint dies im vollsten Maße gethan zu haben, den schon mit 25
Jahren wurde er zum Priester geweiht, was bei den Jesuiten eine Aus-
nahme rst und nur auf Grund wohlgeprüfter Tugend und hinlänglich er-
reichter Kenntnisse geschieht. In Folge der Revolution mußte er flüchten
und er kam in ärmlicher Kleidung auf Schloß Zeil an. Unter großer Be-
theiligung des Volkes las er hier seine erste hl. Messe, widmete sich dann
noch ein paar^ Jahre den theologischen Studien, und mit dem Jahre 1851
begann sein öffentliches Auftreten und seine apostolische Wirksamkeit. Wel-
chen Eifer der hohe Verewigte als Missionär entfaltete, dessen ist Zeuge
nicht blos das ganze Schwabenland, sondern fast alle Provinzen des großen

deutschen Vaterlandes. Die Länder an den Ufern des Rheinstromes, wie
jene der Donau, Sachsen und Franken, Hessen und die Pfalz, der Norden
wie der Süden sahen seine Hinopferung für das Heil der Seelen. Er
hielt nicht weniger als 120 Missionen, deren größere Zahl 15 Tage dauerte,
und um einen Begriff von seiner seelsorgerlichen Wirksamkeit in Köln, wo
er 9 Jahre lang thätig war, zu bekommen, brauchen wir nur zu wissen,
daß er daselbst in einem einzigen Jahre fast 16,000 gewöhnliche und 800
Generalbeichten hörte, daß er gegen 800 Krankenbesuche machte, 40 Sterben-
den im Todeskampfe beistand und 73 theils größere, theils kleinere Predig-
ten hielt, nicht zu reden davon, wie Vielen er Rath in ihren Angelegenhei-
ten und Trost in ihren Bedrängnissen spendete. Wahrlich mit Rücksicht
auf diese großen Arbeiten muß man sagen: „Die Liebe Christi drängte ihn."
Den Charakter des Verewigten anlangend, so leuchten aus demselben
gar glänzend hervor seine Nächstenliebe, seine Sanftmuth und Geduld und
besonders seine tiefe Demuth. Obwohl aus einem so hohen Hause entspros-
sen, obwohl von fürstlicher Abkunft, so wollte Pater Georg doch nicht mehr
sein, als jeder seiner Mitbrüder. Nie ließ er etwas zu, was ihn vor den-
selben hätte auszeichuen können. „Noch vorige Woche", sagte kN Ryßwick
in der Leichenrede, „sah ich, mit welcher Sorgfalt Pater Georg sein Zim-
! mer kehrte und wie er Alles in demselben reinigte", ja er ging in seiner
i Demuth so weit, daß er zu einem feiner Freunde sagte: „Lieber Pater!
! Ich muß gestehen, ich kann es gar nicht begreifen, wie die Oberen mich
; unnützen Menschen auch nur im Hause und im Orden dulden." Nach all'
! diesem braucht wohl nicht bemerkt zu werden, daß er auf seinem Tod-
tenbette die größten Schmerzen mit größter Geduld ertrug und mit
völliger Ergebung in Gottes heiligen Willen dem Tode entgegenging.
Als merkwürdigen Zug führen wir noch an, daß Pater Georg
 
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