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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 77-89 (3. Juli - 31. Juli)
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Bote


Preis: vierieljährl. 40 kr. ohne Träger-
lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.Z.


* Krieg den Preußen und Gothaern! Kein
fauler Friede!
Das Kriegsglück hat sich im ersten Akte unglücklich für die
Oesterreicher gezeigt — sie sind der überlegenen Taktik, den über-
legenen Massen, den überlegenen Waffen, nicht der überlegenen
Tapferkeit der Preußen erlegen; der Waffenstillstand unter Na-
poleon's Vermittlung soll aus die Dauer von 6 Wochen angenom-
men werden. Fürwahr, eine allzulange Zeit, die bei den ungeheu-
ren unter Waffen befindlichen Truppenmassen Deutschland eben-
soviel Geld kosten würde, als der Krieg selbst, eine allzu lange
Zeit, weil die Ränke der Diplomaten den weitesten Spielraum
haben zur Herbeiführung eines Friedens, der — im jetzigen Au-
genblick abgeschlossen — Oesterreich und Deutschland ungeheure
Opfer zu Gunsten Preußens auserlegen und die Sache der Ge-
walt und des Friedensbruchs zu einer ehrlichen und gesetzmäßi-
gen stempeln würde. Deßhalb rufen wir nochmals: Fort mit
der Feigheit und Halbheit, Krieg gegen das Bismarckthum bis
zu dessen völliger Demüthigung — oder lieber, wenn es nicht
anders sein könnte, ein ehrenvoller Untergang!
Und ist denn die Lage so ganz trostlos, wie sie so häufig
von kleingläubigen-Philistern geschildert wird? Hat Oesterreich
nicht noch seine freilich geschlagene und decimirte Nordarmes,
die aber in Kürze wieder bedeutend verstärkt werden kann?
Kann es nicht nach dem Verzicht auf Venedig eine zweite, bis-
her siegreiche Armee mit bewährten Führern auf den Kriegs-
schauplatz entsenden? Ist nicht die Bundesarmee in bedeutender
Stärke, gilt ausgerüstet und von Kriegsfeuer lodernd, noch ganz
unversehrt? Auch dürfen wir ja nicht vergessen, daß auch die
Preußen schwere Einbußen erlitten haben und jetzt schon
genöthigt sind, sogar das zweite Aufgebot ihrer Landwehr unter
die Waffen zu rufen — d. h. das letzte Aufgebot ihrer
militärischen Kräfte. Das Kriegsglück ist wandelbar — und
wenn es sich im zweiten Akt gegen die Preußen wenden sollte,
haben sie — wie Tell — keine weiteren Pfeile mehr zu versen-
den und liegen wehrlos am Boden. Um aber ein so günstiges
Resultat zu erreichen, an dem wir durchaus nicht verzweifeln,
wenn Muth und Geschicklichkeit die Oberhand erhalten, ist vor
allen Dingen nöthig, wie wir schon das letzte Mal ausführten,
daß der Krieg mit Anspannung aller Volkskräste fortgesetzt werde,
daß überall die Volksbewaffnung in's Leben trete und daß die
Fürsten sich auf die Demokratie stützen. Namentlich Oester-
reich kann im Volkskriege Außerordentliches leisten; die natur-
wüchsige Kraft seiner Völker befähigt es vorzugsweise dazu, und
jetzt schon ersehen wir aus wiener Briefen, daß die Ungarn dem
Kaiser 150,000 Mann zur Versügrng stellen wollen, wenn er
ihren — allerdings weit gehenden — Forderungen Genüge leistet.
Auch nut dem mächtigsten ungarischen Parteichef, Deak, sind
bereits in dieser Richtung Unterhandlungen eingeleitet.
So also muthig und frisch voran, und keine voreilige Ver-
zagtheit, die schließlich nur dahin führen müßte, die Bismarck'-
sche Junkerherrschaft über Deutschland zu begründen! Denkt Euch,
Ihr badischen Bürger, die Ihr an dem Uebermuth und der Ar-
roganz unserer zahlreichen preußischen Fremdenlegionäre und son-
stigen Emissäre schon einen widerlichen Vorgeschmack des preu-
ßischen Dünkels habt, denkt Euch, Bismarck selber und seine
pommer'schen Krautjunker würden über Euch und unser schönes
Land nach Wohlgefallen den Stock schwingen —- wäre das zum
Ertragen? müßte man sich nicht in Verzweiflung auf deu Weg
nach Amerika machen, weil der an ein freies gemüthliches Leben
bei uns gewöhnte Süddeutsche sich in die preußische Dictatur
nicht fügen könnte?
Diese Ausführung wäre allein schon genügend unfern Stand-
punkt zu bezeichnen gegenüber den schmachvollen Zumuthungen
der Gothaer auf Neutralität des badischen Staates und Zurück-
ziehung unserer Truppen von der Bundesarmee, wie sie dies in
ihrem Flugblatte aufs Unverschämteste gefordert haben. Baden

hat sich nun einmal dem Bunde angeschlossen; dürfte es die
Bundessahne in einem Augenblick verlassen, in welchem diese
in der höchsten Gefahr schwebt? Wäre das etwas anderes als
der schmählichste Verrath, wenn man im Glück sich einer
Sache weiht, um sie im Unglück zu verlasseu? Wir wisseu aber
Gottlob! daß unser Fürst zu edel und zu gewissenhaft denkr,
als daß er derartigen Einflüsterungen sich zugänglich zeigt —
und wir sind deßhalb vollkommen beruhigt. Die verräterischen
Gothaer und ihr großprenßisches Treiben haben wir aber
schon zu ost unfern Lesern geschildert, als daß mir nöthig hät-
ten, noch viele Worte zu verlieren. Sie sind es vor allem, die
von Baden aus die verderblichsten Grundsätze und Irrlehren
über die Nothwendigkeit der preußischen Spitze in den Mittel-
staaten gepredigt und durch ihre Nationalvereinspresse überall
hin verbreitet haben; sie sind es daher, die den Bismarck'schen
Uebermuth gestachelt und die Eroberungsgier des preußischen
Volkes großgezogen haben — sie sind die wahren Urheber des
ganzen Unglücks. „Wer nicht mit uns handelt und denkt, ist ein
rechtloser Mensch", steht aus ihrer Fahne geschrieben — und
Bismarck hat genau nach diesem Grundsätze gehandelt. Diese
Menschen haben Italien gelicbkost und Preußens Bündniß mit
den Watschen gehätschelt und laut gepriesen — und jetzt haben
sie die Unverschämtheit, die Abtretung Venetiens an Napoleon
einen Verrath zu nennen, weil Oesterreich dadurch sich freie Hand
in Böhmen verschafft. Der Lieblingswunsch Eures Herzens, Ihr
Herren, die Freiheit Italiens, ist ja jetzt erreicht -— was wollt
Ihr noch weiter? Ihr verlangt in Eurem Flugblatt von uns
eine offene Mißbilligung dieser Abtretung und sprecht von einem
Bündniß mit Frankreich, das Euch Schrecken einjagt. Welche
Logik! Wo ist denn irgendwo von einem französischen Bündniß
die Rede? wo könnt Ihr ein solches nachweisen? wie dürft Ihr
Euch überhaupt erfrechen, Oesterreich und seinen Anhängern der-
artige Vorwürfe zu machen, Ihr, deren sonst stets schlagbereite
„sittliche Entrüstung" nicht vorhanden war, als Preußen mit
Victor Emanuel das schmählichste aller Bündnisse einging? Eure
ganze Wuth und Angst rührt einfach daher: daß Ihr innerlich
fühlt und eingestehen müßt: Preußen hat für Frankreich
Venedig erobert, ohne daß es bis jetzt weiß, ob und was es
für sich erhält.
Darum rufen wir mit den sämmtlichen Großdeutschen noch-
mals: „Kein fauler Friede!" Gerade das Unglück muß uns
stählen und das feste Ziel nicht aus dem Auge verlieren lassen:
Fort mit dem preußischen Sonderbund! Still geschwiegen, ihr
Gothaer und Bismärcker!

Baden.
* Heidelberg, 9. Juli. Die N. Franks. Zeitung ist heute
hier polizeilich mit Beschlag belegt worden, offenbar wegen einer
rechtfertigenden Antwort auf die Erwiderung der Karlsruher
; Zeitung in Betreff gewisser Vorgänge in Frankfurt. Die Neue
Frankfurterin wird somit unser Schicksal eines Preßprozesses in
Baden zu theilen haben, was einer Reihe von Blättern bekannt-
lich in der letzten Zeit begegnet ist, so außer einigen einheimi-
schen — insbesondere der Kreuzzeitung, den Kölnischen Blättern,
der Pfälzer Zeitung und dem Mainzer Journal.
Heidelberg, 11. Juli. In einem „die Taktik der Go-
thaer" überschriebenen Aufsatz des Deutschen Wochenblattes (Nr. 27),
auf den wir zurückzukommen unfern Lesern versprochen haben,
heißt es u. A. sehr treffend: „Als es entschieden war, daß Ba-
den, woran wir nie zweifelten, zur deutschen Sache stehe, stos-
sen die Gothaer auf einmal über vor Ruhe und Versöhnung!
Die Parteien sollten auf einmal bei Seite gelegt werden! O der
Klugen! Weil ihre Zeit als Partei, wenigstens aus den Augen-
blick, dahin war, weil nun die Zeit der Volkspartei gekommen
war, weil nun wir uns unter einem wahrhaft deutschen Banner
sammeln könnten, jetzt soll es auf einmal keine Parteien mehr
geben! Wir möchten die Regierung beschwören, diese falschen
 
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