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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 129-141 (1. November - 29. November)
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Bote

: vierteljährl. 40 kr. ohne Träger
UM lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.Z

Donnerstag den 29. November

* Zur Lage.
Die neugeschaffenen Zustände der jüngsten Zeit bieten noch
nirgends etwas Festes und das Gefühl der Unsicherheit und des
Zweifels in die Dauer derselben macht sich in allen Kreisen
geltend. Nicht blos der europäische Krieg wird von Tag zu
Tag Angesichts der zahllosen diplomatischen Verwickelungen im- !
mer unvermeidlicher, sondern auch innere Zuckungen und Krämpfe
werden Europa Heimsuchen, wenn mit dem Tode des kranken
französischen Kaisers die entfesselten Leidenschaften der verschie- j
denen Parteien des französischen Volkes aufeinanderplatzen wer-
den und die republikanische Propaganda auf dein ergiebigen
Boden der Nachbarländer ihre Erndten zu halten gedenkt. Zu-
nächst aber findet sich Napoleon in immer wachsenden Verlegen-
heiten. Mexiko und Rom drohen seine Politik völlig zu
Schanden zu machen, nachdem der unerwartete Ausgang des i
deutschen Krieges nach dieser Seite hin seinen ehrgeizigen Spe-
culationen vorläufig ein Ziel gesetzt hat. Die Kaiserschöpfung
in Mexiko ist soeben aus's Kläglichste zusammengebrochen, Kai-
ser Maximilian befindet sich schon auf der Rückreise nach Eu- !
ropa und die französischen, belgischen und österreichischen Trup-
pen, die den neuen Thron hatten stützen sollen, schweben in >
der größten Gefahr von dem fanatisirten Volke Mexikos, das
mit Ausnahme weniger Verräther sich wie ein Mann in Was- !
fen erhebt, niedergemetzelt zu werden.
So arg der Stoß aber auch ist, den Napoleon durch den
Untergang seiner transatlantischen Schöpfung erhält und so
wenig ihm die Franzosen den enormen Verlust an Menschen
und Geld verzeihen werden, so ist doch seine Niederlage in der
römischen Frage kaum minder groß. Durch Napoleonas
Waffen ist der Papst in seine weltliche Herrschaft wieder einge-
setzt worden, weßhalb die ganze katholische Welt dem franzö-
sischen Staatsoberhaupte sich zum innigsten Danke verpflichtet
fühlte, und namentlich diesem Umstande ist es auch zuzuschrei-
beu, daß die großen Massen der an der Kirche festhaltenden
Gläubigen in Frankreich die enorme Stimmenzahl für Napoleon
zu Wege brachten, als er es für geboten erachtete, an das
Volk in seinen Urversammlungen zu appelliren. Und jetzt!
Von feinen Feinden auf's Aeußerste bedroht, hat Papst Pius IX.
abermals keinen ändert! Schutz mehr, als die Zuflucht zum Ge-
bet. Napoleon selbst aber ist es diesmal, der die drohenden
Gefahren über Pius heraufbeschworen hat, weil er den bittersten
Feind der weltlichen Macht der Kirche allzu groß und mächtig

hat werden lassen, so daß er selbst nicht mehr im Stande ist,
Rom vor dem Andrängen des italienischen Sturmangriffes sicher
zu stellen. Auch hier müssen seine Soldaten in wenigen Tagen
sich einschiffen, gleichwie in Mexiko. Wie Recht hatte Thiers,
als er in seiner berühmtesten Rede die italienische Politik Na-
poleons vom französischen Standpunkt aus schwer verurtheilte,
eine Politik, die in ihrer neuesten Auflage in dem jüngsten
deutschen Kriege eine noch wuchtigere Niederlage erlebt hat!
Untröstlich ist namentlich die Kaiserin über die traurige Lage
des heiligen Vaters. Sie weiß, daß Napoleon die großen
Massen des gläubigen Volkes in Frankreich gänzlich von sich
abstößt und in die Bahnen der Revolution hineinwirft, wenn
er das Oberhaupt der katholischen Kirche aus Rom, dem Mittel-
punkte der kathol. Christenheit, vertreiben läßt. Ihre Thränen
sind bis jetzt fruchtlos im geheimsten Rathe ihres Gatten ge-
flossen , um den Schutz Frankreichs für den ehrwürdigen Helden-
papst zu erflehen. So soll denn, wie es heißt, die Kaiserin
den festen Entschluß gefaßt haben, allein nach Rom zu pilgern,
um durch ihre Gegenwart den heiligen Vater nach dem Abzüge
der Franzosen zu schützen, indem sie sich der Hoffnung hingibt,
daß die Römer es nicht wagen werden, in ihrer Anwesenheit
zu revoltiren aus Furcht, Frankreich möchte dadurch moralisch
gezwungen werden, mit Waffengewalt gegen die Unruhestifter
einzufchreiten. Andere freilich dürften geneigt fein, die projec-
tirte Reise der Kaiserin, die niemals stattfinden werde, als einen
der zahlreichen Bonaparte'schen Comödiencoups zu betrachten,
wobei wir die Möglichkeit nicht in Abrede stellen wollen.
So sehen wir nach verschiedenen Seiten hin die Napoleonische
Staatskunst am Ende ihrer Laufbahn gescheitert, können uns
jedoch nicht zu der Auffassung des Deutschen Wochenblattes be-
kennen, welches geradezu den vergessen geglaubten Satz wieder
ausspricht: Napoleon sei vom Anfang seiner politischen Lauf-
bahn an ein „Thor" gewesen. Ebenso wenig können wir die
Anschauung des erwähnten Blattes theilen, daß der Bonapar-
tismus Napoleon halte, wir meinen im Gegentheil, Napoleon
hält allein noch den Bonapartismus, der mit dem Absterben
seines Herrn sich mit rasender Schnelligkeit selbst verzehren
wird.
Inzwischen arbeitet Herr v. Beust äußerst thätig an dem
Aufbaue Oesterreichs nach Innen und Außen. Die Blätter
melden uns bereits mit staunender Anerkennung von dein un-
ermüdlichen Fleiße des neuen Ministers und von den ernsten
Reformen, die er ohne Rücksicht auf veraltete Traditionen

Ein braves Warb.
(Einsiedler Kalender von 1867.)
(Schluß.)
Sie nahm ihre Kinder bei der Hand, ging nach ihrer Heimath und
übergab die Kleinen dem Schutze der Großmutter. „Und was willst du
thun?" fragte diese die Tochter. „Ich gehe zum Könige," erwiederte sie
einfach. „Das ist mir eingefallen, als ich überall abgewiesen wurde.
Der König ist reich und mächtig, er kann Helsen, und er wird Helsen, denn
er ist der Stellvertreter Gottes auf Erden und Gott ist gütig und voll
Gnade."
Die Großmutter erschrak und redete ab, aber Johanna blieb fest.
„Ich weiß", sagte sie aus alle Einwürse der Großmutter, — „der Weg ist
weit, und ich werde mich durchbetteln müssen von einem Ort zum andern,
und werde vielleicht viel Schweres erdulden — aber ich leide für meinen
Mann, dem meine Treue und Liebe gehört, und wenn ich an ihn denke,
der unschuldig im Kerker schmachtet, so wird mir Alles leicht werden. Nach
mir frage ich Nichts."
„So geh', meine Tochter", sagte die Großmutter. „Ich sehe wohl,
dich treibt die Liebe nnd die Liebe wird dich auch stützen. Meinen Segen
nimm mit auf den Weg."
Johanna ging, Geld und Geldeswerth hatte sie nicht, aber das auf-
opfernde Herz eines treuen Weibes hatte sie und mit ihm Kraft und Muth
und Vertrauen. Der Regen durchnäßte sie, die Sonne verbrannte sie, ihre
Füße wurden wund auf der langen Reise. Sie litt Hunger und Durst,
sie bettelte, sie wurde ost hart angefahren und auch abgewiesen. Nachts
war nicht selten die rauhe Erde ihr Bett, der dunkle Wolkenhimmel ihre
Decke — aber alle Demüthigungen, alle Beschwerden, alle Entbehrungen
kümmerten sie nicht. Sie gedachte ihres Gatten und klagte nicht.
So ging sie weiter, manchen langen Tag, bis sie endlich vor dem

stolzen Schlosse stand, das der König bewohnte. Jetzt athmete sie auf,
und ohne Furcht vor den betreßten Dienern und Thürhütern schritt sie
muthig hinein und verlangte zum Könige. „Der König ist nicht hier",
hieß es, und wenn auch, man spricht ihn nicht so schnell." „Und doch
werde ich ihn sprechen", erwiederte Johanna. „Sagt mir, wo finde ich
ihn?" — „Fünf Meilen von hier, auf dem Schlosse...." — „Gut, ich
danke euch — ich werde dorthin gehen", sagte Johanna und ging.
Die Pracht und Herrlichkeit der Residenz gewannen ihr keinen Blick
ab. Sie sah nur das Bild ihres Mannes, der im Kerker schmachtete. Das
trieb sie weiter. Am nächsten Tage erreichte sie das Lustschloß und wollte
hineingehen. Aber man hielt sie auf, man wies sie zurück. Sie bat, sie
flehte, sie rang die Hände und weinte — es hals nichts. Ein alter, grauer
Diener erbarmte sich ihrer. „Geh'", sagte er ihr leise in's Ohr — „bleibe
im Garten — vielleicht geht der König spazieren, dann kannst du mit ihm
sprechen. Aber verschweige meinen Rath, hörst du?" —
Johanna nickte und ging nach einem dankbaren Blicke. Sie wich nicht
aus dem Garten, bis die Nacht einbrach. Da erst entfernte sie sich mit
schwerem Herzen, um am andern Morgen wieder zu kommen. So mehrere
Tage hinter einander. Der König kam nicht, nur mitunter ein stattlicher
Herr im Ueberrock, der in den Alleen aus und ab schritt und dann in das
Schloß zurückging. Johanna versuchte es noch ein paar Mal, in dasselbe
einzudringen —- immer vergeblich. Da sagte sie in sich hinein: „ich werde
mich an den Herrn im Ueberrock wenden. Er wohnt im Schlosse und
vielleicht, wenn er gütig ist, bringt er mich zum Könige."
Muthig ging sie auf den Herrn zu, als er wieder kam und in einer
schattigen Allee aus und ab spazierte. Sie redete ihn nicht an, denn er
sah sehr vornehm aus, aber sie stellte sich ihm in den Weg, daß er dicht
vor ihr vorbeigehen und sie sehen mußte. Dann würde er ja wohl fragen,
was sie wolle, meinte sie. Und so kam es auch. Der Herr bemerkte sie
und fragte richtig: „Was willst du hier, gute Frau?" „Den König sprechen,
 
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