Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

DOI Kapitel:
Nr. 77-89 (3. Juli - 31. Juli)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43883#0337

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag
Donnerstag und Samstag.

für Stadt


Bote

LM.

Preis: Vierteljahrs. 40 kr. ohne Träger-
lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.Z.


Baden.
* Heidelberg, 14. Juli. In dem von uns bereits ange-
deuteten zweiten Flugblatt von vn. Eckardt, welches den Titel:
„Die neuesten Jntriguen der einheimischen Preußen" führt,
werden insbesondere die in Umlauf gesetzten Sophistereien und
Schreckmittel der Gothaer aufgezählt und mit Schärfe gegeißelt.
So prahlen die Gothaer besonders mit der „Intelligenz, der
Macht und dem Reichthum", die auf ihrer Seite stünden. Nun
gut! „Es wäre besser, sagt Eckardt, auf ihrer Seite stände das
Recht, aus ihrer Seite stände noch heute das von ihnen so
feierlich für Schleswig-Holstein und den Augustenburger einge-
setzte Wort! Wohin ist dieses Wort verflogen? Woher das
Bismarck'fche Echo: „Macht geht vor Recht" gekommen? Wenn
wir, die zum Bunde halten, denn wirklich ohne Intelli-
genz sind, so vielen natürlichen Volksverstand haben wir doch
noch, daß wir einem Staate keine Führerschaft in Deutschland
zutrauen, der seine Größe auf den Untergang Deutschlands
baut. Wenn wir dann ferner die Leute ohne Besitz sind, so
besitzen wir doch Urberzeugungstreue und springen nicht von
heute auf morgen wegen eines plötzlichen Erfolgs zu dem von
den Gothaern früher so verfluchten Bismarck über. Ueberzeug-
ungstreue — es ist nicht viel, aber es ist doch Etwas. Es
steigt nicht wie Börsenpapiere; aber es sinkt auch nicht. Wenn
wir dann endlich die Armen ohne Macht sind, so trösten wir
uns mit den Zeitideen, die auf unserer Seite stehen, schein-
bar machtlos, aber doch stark genug, um die Feinde der Frei-
heit in der Stunde der Entscheidung zu zermalmen." Besonders
auch die gothaische Lüge, als sei durch Oesterreich der Prote-
stantismus bedroht, wird kräftig zurückgewiesen. „Bei wem
das alles nicht verfängt, dem reitet man dann den Heidelberger
Paradegaul des „protestantischen" Preußens vor und gibt einem
wilden, von Junkerhand eröffneten Eroberungskriege einen re-
ligiösen Deckmantel. O der Schmach! Wo war der preußische
Protestantismus bedroht? Wo hat er seinen Willen angekündigt,
Süddeutschland für das Evangelium zu erobern? Etwa weil
man den Böhmen befiehlt, für den König von Preußen
zu — beten? Oder sollte ein siegendes Oesterreich noch heute
so zu befürchten sein? Meine Freunde wissen, daß ich vor dem
Kriege sagte: Ein Sieg Preußens sei gefährlich, aber ein Sieg
Oesterreichs vielleicht noch mehr. Ich gestehe, nach den ersten,
von Süden und Norden kommenden Siegesnachrichten Oester-
reichs um die deutsche Zukunft besorgter gewesen zu sein, als
jetzt. Von Oesterreich, dem besiegten das zu der Freiheit als
einer Waffe ergreifen muß, haben wir wohl nichts zu fürchten,
weder in der Politik noch in der Religion. Wenn, damit im
Zusammenhänge, die „Rothen" eines Bündnisses mit den
Schwarzen angeklagt werden, so ist dies ein fernere, in sich
haltlose Jntrigue. Die Gothaer selbst waren es, welche das
Schreckgespenst eines Sturmes des Karlsruher Schlosses durch
die Ultramontanen an die Wand malten. In Folge dessen wurde
die Volksversammlung zu Freiburg verboten, und den Volks-
versammlungen überhaupt gewehrt. Um diese wieder frei
zu bekommen, die Gothaer zu entwaffnen, dem Ministerium
eine Gefahr zu entfernen, forderten wir die großdeutsch-katholi-
sche Partei zu der Erklärung auf, daß sie alle innere
Fehde ein stellen und die Regierung in der gegen-
wärtigen nationalen Haltung unterstützen wolle.
Zwei Organe dieser Partei haben bereits geantwortet und diese
Erklärung abgegeben. Ich glaube, die Regierung könne der
Demokratie hiefür nur dankbar sein, aber daraus auch die Er-
muthigung schöpfen, dem Volke unbedingt vertrauen zu können.
Von einem Bündnisse zweier Parteien, welche ihre Prinzipien
in andern Fragen aufgeben müßten, ehe es eintreten könnte,
ist selbstverständlich keine Rede; wir haben stets nur einem
Waffenstillstand das Wort geredet. Einem äußeren Feinde
gegenüber stellen Patrioten alle inneren Kämpfe ein."
Auch das Bestreben der Gothaer, die Massen durch die Angst

vor den Zündnadelgewehren einerseits und die Einmischung Frank-
reichs anderseits feige zu machen und sie auf diese Weise wie
willenlose Schafe Bismarck unter's Messer zu jagen, wird gebüh-
rend gezüchtigt. Mit Recht legt Eckardt den Menschen, die Oester-
reich gegenüber von Verrath zu sprechen wagen, die vernichtenden
Fragen vor:
„Wer antichambrirte bei Louis Napoleon zu Biarritz? War
es nicht Bismarck und Preußen?
Wer hielt im Polenaufstande mit Rußland und schloß den
unwürdigen Auslieserungsvertrag, um sich die russische
Stimme im Rathe Europa's zu sichern? War es nicht Bismarck
und Preußen?
Wer hat die Kohlenbecken der Saar, wenn nicht verkauft,
doch der französischen Industrie überantwortet? War es nicht
Bismarck?
Und Ihr Herren von Gotha, dessen Herzog, Euer wetter-
wendischer Urtppus, die Hannoveraner verrieth, ist etwa Italien
nicht auch Ausland, oder ist Italien besser als Frankreich?
Wenn aber Italien Ausland ist, wer hat sich dann nut dem
Anstande zum Kriege gegen einen deutschen Fürsten und gegen
deutsches Gebiet verbunden, wenn nicht Euer deutscher Patriot
Bismarck?"
Inzwischen ist bereits No. 3 der Flugblätter erschienen,
das mit ebenso viel Feuer gegen die neuen Preußenvereiue von
Heidelberg und Mannheim zu Felde zieht, wie die vorhergehen-
den Blätter das Gothathum mit kräftiger Faust geschüttelt haben.
D<r Raum unseres Blattes gestattet uns für heule nicht, näher
darauf einzugehen; wir behalten uns einige Worte für die nächste
Nummer vor.
c/ Heidelberg, 13. Juli. Die Landesbase macht einen
Mordspectakel über das angebliche Bündniß der Schwarzen und
der Rothen; namentlich fällt sie auch mit der bekannten Plump-
heit über den genialsten Führer der Demokraten, Dr. L. Eckardt
in Mannheim, her. Die Base malt besonders schön das Bild
aus, wie rührend die Vereinigung der Blusen- und Sensenmän-
ner mit den schwarzen Kutten sich ausnehmen müsse. Wir haben
keine Lust, uns mit der Base in einen Streit über diesen Ge-
genstand einzulassen, im Gegentheil erregt uns die haarsträubende
Angst der Gothaer und ihres landesbaslichen Centralorgans vor
einem derartigen Bündniß eine in unserer ernsten Zeit doppelt
wohlthuende Heiterkeit. Wir haben denn auch im engeren Kreise
herzlich gelacht, als die heutige Nummer der Base wie eine
wahre Jammergestalt, händeringend und wehe schreiend, uns zu
Gesicht kam. Man denke sich nur die schrecklichen Langröcke und
Sensenmänner vereinigt das Redaktionsbüreau Macklots und die
Katheder der Fremdenlegionäre stürmen! Welch' verkehrte Zeit!
Doch Spaß bei Seite. Wir wollen der Base den Staar stechen
und ihr zeigen, wie die Sache zusammenhängt. Man hat bei
Ausbruch des Krieges von allen Seiten laut gerufen: „Friede
im Innern! Versöhnung der Parteien!" Wir haben darauf
die Antwort gegeben: wir sind unbedingte Anhänger des Selbst-
bestimmungsrechts von Schleswig-Holstein, wir hassen jede preu-
ßische Ueberhebung und Vergewaltigung, wir sind die Todfeinde
Bismarcks und stehen deßhalb ganz und gar auf Seiten des
Bundes und Oesterreichs, weil diese das Recht vertheidigen.
Wir werden uns nur dann einer allgemeinen Versöhnung an-
schließen und unsere Opposition im Innern fallen lassen, wenn
wir die Ueberzeugung haben, daß das gegenwärtige Ministerium
rückhaltlos der Bundessache sich anschließe. Garantien
dafür hätten wir bis jetzt keine entdecken können, so lange na-
mentlich Leute wie Jolly und Mathy ihre Stellen behielten und
die Truppen noch im Land wären. Bald darauf hatten wir
durch den Sturz jener Staatsmänner, durch die Einreihung der
badischen Truppen in das 8. Armeecorps und manche andere
unzweideutige Anzeichen die Gewißheit erhalten, daß die gothaische
Politik keinen Anklang im Rathe des Fürsten finde — worauf
wir, einer öffentlichen Aufforderung von demokratischer Seite
 
Annotationen