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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 77-89 (3. Juli - 31. Juli)
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Samstag den 21. Juli

Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

Hz dtrifft Pi'tts; viertsljährl. L<) ?r. ohne Trüger-
ch) lohn u. Postaufschlag. Jns.-GeS. 2 kr. d.Z.

* Zur Lage.
(Schluß.)
Was Bayern beirifft, so zeigt sich dort eine unerhörte
Langsamkeit und Mangel an aller Energie, wenigstens in den
leitenden Kreisen. Die Armee ist gilt, vortrefflich sogar, und
das Podewilsgewehr der Infanterie hat sich in mehrfacher Be-
ziehung dem Zündnadelgewehr überlegen gezeigt. Allein die
Führung scheint bei den Bayern äußerst mangelhaft zu seilt,
und namentlich war es der unverzeihlichste Fehler, den alten,
eigensinnigen Prinzen Karl zum Befehlshaber, ja sogar zum
Bundesfeldherrn zu ernennen. Es ist jetzt als ausgemachte Tyat-
fache, namentlich durch die Erklärung Onno Klopp's, dargeihan,
daß Prinz Karl die braven Hannoveraner hätte retten können,
sowie es ferner unverzeihlich ist, daß der nämliche Prinz sich
mit Benedek nicht in's Benehmen setzte, bei dessen Niederlage
Bayern nicht von aller Schuld freizusprechen ist. Aber selbst
mit dem Prinzen Alexander und feinem 8. Armeecorps hat
sich der bayerische Befehlshaber nicht vereinigt, sondern hat
ruhig zugesehen, wie die Kämpfe bei Aschaffenburg einen für
die Bundeswaffen nachtheiligen Gang nahmen, fo daß jetzt Prinz
Alexander seinerseits genölhigt ist, mit Preisgebung von Frank
furt, Darmstadt und der Bergstraße die Vereinigung mit den
Bayern um jeden Preis anzustrcben. Das Unglück ist, daß
Pr'nz Karl selbst kein Freund des jetzigen Krieges und seine
rechte Hand — v. der Tann — seit langem seiner gothai-
fcheu Anwandelungen wegen genügend bekannt ist. Außerdem
will man in München stets etwas „Apartes" haben und pocht
zu viel auf die „Machtstellung Bayerns", als einer Halbgroß-
macht. Eine theilweise Ministerveränderung steht bevor.
In Wien circuliren eine Menge von Gerüchten über eine
bevorstehende Ministerkrisis, die aber bis jetzt keine thatsächliche
Begründung haben. Zum Glück für Oesterreich hat die KriegZ-
parlei nochmals im Rache des Monarchen die Oberhand erhal-
ten; denn wir könnten uns nichts Schmählicheres denken als
auf die harten Bedingungen des Siegers einzugehen, ohne auch
nur im Mindesten die Niederlage der österreichischen Waffen ge-
rächt zit haben. Siegen oder untergeben! muß jetzt die Parole
Oesterreichs fein. Lieber ein großartiges, tragisches Ende für
daS Kaiserreich, als ein elendes Zerbröckeln in rulüger Friedens-
zeit, ein langsames Siechihum, das dear Frieden mit Preußen
in diesem Momente nothwendig folgen müßte. Nur keine
Schwächen — und es ist möglicherweise noch alles wieder zu
erretten!
Die nächsten Tage werdet! uns Berichte über neue, groß-
artige Kämpfe an der Donau bringen, die entweder einen ge-
fahrvollen Rückzug der Preußen oder den Verlust der Kaiferstadt
für Oesterreich zur Folge haben müssen. Was auch diese ereig-
uißvollen Tage bringen mögen, nehmen wir es aus der Hand
der Vorsehung mit Ruhe und Ergebung an. Nicht zu lärmend
im Glück, nicht zu verzagt im Unglück — das ist es, was wir
unsern Freunden anrachen möchten.
Im Allgemeinen würde man wohl daran thun, jetzt über-
all noch den Volkskrieg zu organisiren. Gebt dein Volk Waffen
in die Hände -— und von dein Augenblick an wird alle Zag-
hafrigkeü schwinden. Vor allem lähme man nicht die nationale
Erregung; inan gestatte die Voitll-versammlungen, man befreie
die Presse von den engen Fesseln, in die sie in verschiedenen
Staaten eingezwängt ist. Die Demokratie hat jetzt die größte
Berechtigung im Staate; sie allein rettet die Throne— darum
fort mit den Berathungen der Zöpfe und Perrücken des büreau-
kratischen Schlendrians! Auch die stehenden Heere unserer mitt-
leren und kleineren Staaten erweisen sich als äußerst mangel-
haft, so daß eine Miliz nach schweizerischem Vorbild noch weit
mehr Vorzüge bietet. Mit Recht darf man erstaunt fragen:
wozu hat man in den Kleinstaaten seit langen Jahren sogar
viel Geld den Kammern abverlangt für militärische Liebhabereien,
während jetzt Alles mangelhaft erscheint?

Was schließlich Baden anbelangt, so glauben wir kaum,
daß die Preußen an ein tiefes Eindringen in unser Land
! denken dürfen. Eine vorübergehende Besetzung von Mannheim
i und Heidelberg dagegen scheint uns deßhalb wahrscheinlich, weil
! sie dadurch versuchen werden, einen Druck auf die deutsche
! Politik Badens auszuüben.
!
S Der Brief des Herrn v. Roggcnbach.
Berliner Blätter veröffentlichen einen Brief des badischen
Abgeordneten v. Roggen back, an Graf Bismarck, datirt
Neuwied den 1. Juli. Derselbe lautet:
„Verehrter Herr Graf! Nachdem der Kampf zwischen Preußen und
dem mit Oesterreich zu blutigem Bürgerkrieg verschworenen deutschen Parti-
kularismus ausgebrochen ist, treten alle Erwägungen in den Hintergrund,
die ich machen mußte, so lange es galt, in meinem Heimathlande die Mög-
lichkeit nützlichen Wirkens aus dem Baden fester Grundsätze Zu erhalten.
Der Uebertritt der großherzoglichen Regierung in die Reihen ihrer eigenen
größten und gefährlichsten Feinde, unter die Zahl der zur Erhaltung
österreichischer Herrschaft in Deutschland und des für die nationalen Inte-
ressen des deutschen Volkes unverträglich und unmöglich gewordenen Bundes-
rechtes, verbundenen Staaten macht mir letzteres unmöglich und entbindet
mich jeder schonenden Rücksicht gegen dieselbe. Der Umstand, daß ein un-
aerechtfertigter Druck durch Badens Nachbarstaaten es dem patriotischen
j Fürsten dieses meines Heimathlandes unmöglich gemacht hat, sich dieser
schändlichem Verbindung aller selbüsüchtiaen 'and vaterlandsverrätherischen
Leidenschaften zu entziehen, enthält für mich eine weitere Aufforderung,
meinerseits wenigstens nach Kräften die Regierungen zu bekämpfen, welche
sich nicht entblödeten, diese Vergewaltigung eines ihrer Mitfürsten unter
dem Vorwande eines von ihnen mißdeuteten Bundesrechtes zu vollziehen.
Der einfachen Aufgabe, wie sie heute für jedes ehrliche deutsche Herz und
jedes deutsche Gewissen liegt, gedenke ich in vollem Maße Genüge zu thun.
Lassen wir diese Verkennung der Stellung deutscher Bundesfürsten, wie
sie die letzten Bundesbeschlüsse offenbarte, den letzten Mißbrauch sein, den
Habsburgische Jntrigue mittels des vom Wiener Kabinete schlau gefügten
Bundesrechts vollbrachte. Ich meinerseits wenigstens bin der Meinung,
daß ähnlicher Frevel, wie dieser, von den Mittelstaaten muthwillig über
ihre Völker und Deutschland gebrachte Bundeskrieg künftig verhütet werden
muß. Dazu ist nothwendig, daß das System des im Jahre 1815 von
Oesterreich Zu seinem Dienste geschaffenen und stets zum Dienen bereiten
deutschen Bundes gebrochen werde — und statt dessen ein deutscher Staat
gegründet werde, stark genug, sich künftig dem zersetzenden Einflüsse dieser
fluchwürdigen Politik des Wiener Hofes zu entziehen. Sind Ew. Excellenz
bereit, ganze Arbeit zu machen und festzustehen im Kampfe bis die wesent-
lichen Zielpunkte alles Ringens des deutschen Volkes seit 50 Jahren erreicht
sind, so werden Sie auch mich jederzeit bereit finden, mitzuarbeiten für die
Neugestaltung der deutschen Staatsverhültnisfe, wie sich solche aus der
Niederwerfung der österreichischen, auf Unterdrückung aller Nationalitäten
und aller Freiheit begründeten Machtstellung und aus der Beschränkung
der Souveränetätsrechte der mit Oesterreich hierzu verbündeten Regierungen
von selbst ergeben wird. Wie es zur Zeit nur ein Ziel gibt, so gibt es
Zur Stunde auch keine weitere Voraussetzung für mein Anerbieten, als
j die Energie des Willens, dasselbe um jeden Preis Zu erreichen. Ich er-
i mächtige Em. Excellenz, wenn Sie es für nützlich halten, dieses Schreiben
zu veröffentlichen. Genehmigen Sie, Herr Graf, die Versicherung meiner
ausgezeichnetsten Hochachtung."
Als der Begründer der neuen Aera, v. Roggenbach, im
vorigen Jahre seine Stelle als Präsident des Ministeriums des
Auswärtigen niederlegte, da suchte man allgemein das Gerücht
zu verbreiten, es sei dieser Schlitt deßhalb geschehen, weil Noggenbach
mit der Behandlung des Schulconflikts nicht einverstanden ge-
wesen sei. Wir unsrerseits hatten von Ansang an dieses Gerücht
für einen schlauen Vorwand gehalten; denn von dem Augenblick
an als die Bismarck'schen Vergewaltigungen dem deutschen Volke
i die Allgen öffneten und der Nationalverein nicht nach Rochau'-
scher Renommage nach Hunderttausenden zählte, sondern in Baden
auf einige Dutzend bornirter Köpfe und schlauer Füchse herabge-
schmolzen war, da hatte die Roggenbach'fche Politik totales Fiasko
gemacht und konnte in Baden nicht mehr das vorgesteckle Ziel
erreichen. Nicht Baden, sondern Preußen war fortan nur das
Land, lvo die Citronen für Roggenbach'fche Charaktere blühten.
So stellt sich denn jetzt auch recht anschaulich heraus, wo-
rum Roggenbach mit dem preußischen rochen Adlerorden nach
! seinem Rücktritt begnadet wurde. Es war dies das wohlfeilste
 
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