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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 51-63 (1. Mai - 31. Mai)
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ßZ. Donnerstag, den 31. Mai 1866.



Baden.
Heidelberg, 28. Mai. Von den unterzeichneten Mit-
gliedern der I. Kammer ist folgende, ihren Austritt betreffende
Erklärung erschienen:
An unsere Wähler! Die Unterzeichneten hatten, nach wieder-
holtem Wahlversuche am Schluffe des abgelaufeuen Jahres das
Mandat ihrer Standesgenossen als Abgeordnete zur ersten Kam-
mer der Landstände angenommen. Sie entsprachen damit den
vertrauensvollen Wünschen einer größeren Anzahl ihrer Wähler.
Die ungünstige Stellung, in welche der grundherrliche Adel in
der ersten Kammer versetzt ist, war ihnen aus langjährigen Er-
fahrungen bekannt. Nichts desto weniger suchten sie überall für
die Rechte und das Wohl des Landes nach Kräften in die
Schranken zu treten. Die Wirksamkeit der ersten Kammer ist
verfassungsmäßig (§§. 60 und 61) bei allen die Finanzen be-
treffenden Gesetzesentwürfen beschränkt. Außer dieser durch die
Verfassung gesetzten Beschränkung, treten aber noch weitere Um-
stände hinzu, welche die Wirksamkeit der ersten Kammer auch in
andern Zweigen der Gesetzgebung beschränken, wodurch die Ein-
flüsse derselben auf die Geschicke des Vaterlandes und die Wohl-
fahrt des Volkes bei immer wachsenden Ansprüchen beinahe zu
verschwiuden drohen.
Dies wird sich aus folgenden, beispielsweise anzuführenden
Thatsachen ergeben:
Während auf dem gegenwärtigen Landtage die zweite Kam-
mer mit tiefeingreifenden Gesetzentwürfen über Gemeindeverhält-
nisse, Eisenbahnen, die Presse, das Vereinswesen u. s. w. wahr-
haft überfluthet wurde, ward der ersten Kammer auch nicht eine
einzige nenneuswerche Vorlage gemacht. Wenn nach Ablauf
langer Monate oder eines Jahres die Reihe der Beraihung
wichtiger Gegenstände in Masse an die ohnehin schwachbesetzte
erste Kammer gelangt, ist allenthalben Ermüdung, oft Erschöpfung
eingetreteu, und es bleibt ihr, schon wegen der Kürze der Zeit,
kaum etwas anderes übrig, als unabänderlich beschlossene Acte
einfach zu besiegeln, wenn dieses auch nicht schon aus andern
Gründen die Regel bildete. Selbstständige Anträge unabhängiger
Mitglieder der ersten Kammer erfreuen sich selten eines bessern
Looses. Wie bekannt, wurde jüngst ein wichtiger Gegenstand,
auf welchen die gespannte Aufmerksamkeit des Landes gerichtet
war, nicht einmal der Ehre näherer Prüfung gewürdigt. Man
versuchte es nicht gegen die Sache mit Beweisgründen anzu-
kämpfen. Alan erlaubte sich iu einem Beschlüsse der andern
Kammer ganz gegen allen constitutionellen Brauch, einen in der
ersten Kammer gestellten Antrag mit dessen ausdrücklicher An-
führung eiuer Kritik zu unterziehen. Man strebte von gegneri-
scher Seite eine künstliche Aufregung gegen einen ganzen, ehren-
werthen Stand und einzelne seiner Abgeordneten Hervorzuriffen,
welche, treu ihrer Ueberzeugung und ihrem Eide, nur nach Recht
und Pflicht gehandelt hatten. Man verschmähte die Lüge, Ver-
läumdungen und Täuschungen nicht, man griff sogar zu dem
Gifte des confessionellen Haders, das schleichende Erbübel unseres
zerrissenen Vaterlandes. Die Redefreiheit, in gegebener Lage
für uns ein dringendes Bedürfniß, ward durch geschäftsordnungs-
widrige Einmischungen, Unterbrechungen, oder drohenden Ord-
nungsruf uns verkümmert, was nicht sowohl dem Ausdruck, als
einer mißfälligen Richtung zu gelten schien. Unparlamentarische
Bezeichnungen von anderer Seite, um ein gelindes Wort zu ge-
brauchen, fanden keine Rüge, vielmehr Nachahmung. Wir be-
klagen, daß die Staudesherren ihre Sitze in der ersten Kammer
der Regel nach nicht einnehmen. Wir finden es der höchsten
Anerkennung werth, wenn ein Standesgenosse von loyal-ritter-
lichen Anschauungen, geleitet mit Talent und rednerischer Kraft,
in der deutschen Frage das gute Recht vertrat. Die Sym-
pathien des Landes stehen ihm zur Seite.
Die Unterzeichneten hielten sich jedoch zur Niederlegung
ihres Mandats veranlaßt, ehe vielleicht in naher Zukunft die

Frage noch dringender an sie Herarttreten würde, ob das Ver-
bleiben in gedachter Stellung mit ihrer Standes- und Mannes-
ehre vereinbar sei? Hätten wir uns nach einem blosen Vorwand
umgesehen, um lästige Opfer von uns abzuschütteln, welche wir
unter anderen Umständen mit Freuden tragen würden, so hätte
es uns längst hiezu nicht an Gelegenheit gefehlt. Wir harrten
aber bisher aus, um jedem Scheine von Uebereilung oder Leiden-
schaftlichkeit zu entgehen. Die gleichen Gründe, welche unfern
Austritt aus der ersten Kammer bedingen, gebieten uns auch
auf eine neue Wahl zu verzichten, falls das Vertrauen unserer
Committenten uns dazu berufen wollte. Wir werden uns auch
jeder Betheiligung an der Wahl so lange enthalten, als keine
Garantien gegen die terroristischen Mittel bestehen, welche von
dem Parteigeiste gegen uns angeweudet worden sind. Wir wün-
schen Gleichgesinnte nicht in dieselbe Lage zu versetzen, aus der
wir scheiden. Zu Wahlen in anderer Richtung mitzuwirken,
kann uns billigerweise nicht zugemuthet werden.
Hugstetten, Munzingen, Freiburg uud - Steißlingen im
Mai 1866.
Heinrich Freiherr v. Andlaw. Heinrich Graf v. Kageneck.
Max Graf v. Kageneck. Roderich Freiherr v. Stotzingen.
* Heidelberg, 28. Mai. Die „Neue Bad. Ldsztg.,, ver-
öffentlicht heute folgende Erklärung: „Die badische Fortschritts-
partei, als deren Organ bis dahin unser Blatt bezeichnet war,
läßt uns heute die Erklärung Zugehen, daß eine Reihe neuerer
Veröffentlichungen der „Neuen Badischen Landeszettung" über
die deutsche und schleswig-holstein'sche Frage mit ihren tteber-
^eugungen nicht übereinstimme. Es wird daher, nach dem Ver-
langen der Fortschrittspartei und mit der Uebereinstimmung des
Eigenthümers des Blattes, das bisher bestandene Verhältniß
als gelöst erklärt." Das war eine kurze Liebe! Ganz natürlich;
denn die sog. Fortschrittspartei in der Kammer besteht ja auch
nur aus Gothaern, die nur hie und da ein Scheingeplänkel
gegen die Ministerbank zum Besten geben müssen, damit man
nicht völlig am Landgraben einschläft. Der Bote.
-j- Schwetzingen, 27. Mai. Die Heidelb. Zeitung hat
die Frechheit, es in Abrede zu stellen, daß Hrn. Staatsrath
Lamey am Pfingstmontage von den Katholiken im benachbarten
Rheinorte Ketsch „der Bote aus der Palz" gesungen worden ist,
wie ich Ihnen jüngst berichtete. Ich muß deßhalb, gestützt auf
nähere Erkundigungen, Ihnen Näheres berichten. Hr. Staats-
rath Lamey besuchte am Pfingstmontage in Begleitung seines
Schwagers, Hrn. Dyckerhoff von Mannheim, den erwähnten Ort
und ließ sich über den Rhein auf die sog. Kollerinsel übersetzen.
Beim Herüberfahren sagte er: „Ich glaube es verfriert noch
Alles", worauf einer der am Ufer Stehenden für sich erwiderte:
„Am Ende auch der Lorbeerkranz." Unterhalb des Gasthauses
zum Einhorn, auf der Straße nach Brühl, hatten sich inzwischen
einige Katholiken versammelt, welche dem Hrn. Staatsrath beim
Abfahren das genannte Lied sangen. Da der Hr. Einhornwirth
wohl nicht die Gabe besitzt, um die Ecke seiues Hauses Herum-
zuschauen und seine Ohren wohl auch mcht so lang sind, um
Alles, was um das Ort herum vorgeht, vernehmen zu können,
so mag er den Vorfall wohl nicht bemerkt haben; zu seiner Be-
ruhigung möge jedoch die Mittheilung beitragen, daß sein
eigener Schwager einer der kräftigsten Sänger bei der
Ovation war! Wenn übrigens Herr Lamey an der Ge-
finnungstüchtigkeit der Ketscher Katholiken zweifeln sollte, so
möge er nur wiederkehren, die Katholiken, welche am Pfingst-
montage in großer Anzahl sich auswärts iu dem benachbarten
Schwetzingen befanden, sehnen sich sehr, das Versäumte ein-
zuholen! (Beim Abfahren des Herrn Staatsraths Lamey haben
also einige Katholiken gesungen: „Zum Teufel mit dem Gotha-
thum!" Der Bote.)
O Freudenberg, 27. Mai. Lieber Bote! Du wirst dich
auch jedenfalls auf einige Zeit in Trauer hüllen, ob des patheti-
schen Ausrufes des hiesigen Correfpondenten in Nr. 58 des
 
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