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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 103-115 (1. September - 29. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43883#0445

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.HZ. 110. Dienstag den 18. September 1866.


Einladung zum Abonnement.
Da mit dem I. Oktober ein neues Abonnement beginnt, so ersuchen wir unsere auswärtigen Abonnenten ihre Bestellun-
gen rechtzeitig zu erneuern. Auch ist jeder Landpostbote verpflichtet, Bestellungen anzunehmen und zu besorgen. Für Heidelberg,
Nenenheim und Schlierbach nimmt Anmeldungen entgegen die Expedition von L. Schweiß.
Bestellungen in Paqueten (nicht unter 10 Exemplare), wobei wir auf je 10 Exemplare ein Freiexemplar geben, wolle
man gleichfalls an die Expedition des Blattes richten, und ersuchen wir besonders die seitherigen Empfänger, uns recht bald die
Zahl der gewünschten Exemplare mitzutheilen.
Der Preis des Blattes — 40 kr. ohne Postaufschlag — bleibt derselbe. Inserate, u 2 kr. die Spaltzeile, ein äußerst
wohlfeiler Ansatz, erfahren bei der großen Auflage unsres Blattes (2000 Exemplare) die beste Verbreitung.
Um auch unseren Leserinnen gerecht zu werden und überhaupt zur Unterhaltung mehr als bisher beizutragen, haben
wir uns entschlossen, ein Feuilleton dem Blatte einzuverleiben und werden daher bemüht sein, eine Reihe guter Erzählungen mit-
zntheilen. Die Tendenz des Boten bleibt unverändert. Er wird überall für das Recht gegen die Gewalt kämpfen und stets
auf Seiten der Freiheit und des Volkes zu finden sein. Unterthänige Bücklinge hat er nie zu machen verstanden und wird da-
her auch in der jetzigen unterUhänigst schweifwedelnden Zeit niemals seinen Nacken vor den Tagesgötzen krümmen, vielmehr nur
vor Gott allein das Knie beugen. Er wird die inneren Fragen unseres Landes bald wieder mehr als in der Kriegszeit bespre-
chen — und daß er in den deutschen Dingen nicht preußisch geworden ist, ärgert die gesammte Schaar derer, die längst gewöhnt
sind, bei jedem Unischlag mit dem Wind zu segeln und alles das im Staube anzubeten, was sie kurz zuvor noch mit Koch be-
worfen haben.
So schlimm die Zeiten auch jetzt geworden sind, so zweifelt der Bote doch nicht an einer späteren Besserung. Nur der
Charakterlose und Feige gibt seine Sache und sich selbst auf und jagt den Gewalchabern nach; — wir aber lassen uns von kei-
ner Schwäche beschleichen und werden, wie bisher, so jetzt noch mehr uusern Lesern und Freunden zu zeigen bemüht sein, daß
viele, wenn auch vorerst noch leise und verdeckte Andeutungen vorhanden sind, die den jetzigen Zustand der Dinge als einen un-
haltbaren erscheinen lassen und vielleicht eine bessere Zukunft in Aussicht stellen.
Heidelberg, den 16. Sept. 1866. Die Redaction.

XX Nur billig! !
Das „Süddeutsche evangelisch-protestantische Wochenblatt" !
vom 3. d. M., Nr. 36 schreibt:
„In den neu cinverleibten Ländern Preußens wird die ab-
scheuliche Religioushetzerei der Berliner Kreuzzeitung mit hefti-
gem Widerwillen empfunden, während man in Preußen selbst
au derlei Tiraden schon längst sich gewöhnt hat. Ans frischer
Entrüstung heraus läßt sich eine Stimme aus Marburg so
vernehmen: „„Es schneidet Einem durch's Herz, wenn man in
solcher Zeit die unausgesetzten Wühlereien der Kreiszeitung ge-
gen die Juden lesen muß. Sie scheint eine wahre Genugthuung
darin zu findeu, diese (mag die Sache, auf welche sie sich be-
ruft, wahr oder unwahr sein) öffentlich an den Pranger zu stel-
len. Ist dies ml und für sich schon eine nichtswürdige Hand-
lung, so muß sie jetzt um so mehr jedes menschliche Gefühl em-
pören, als in den jüngst geschlagenen Schlachren jüdische Jüng-
linge an der Seite ihrer christlichen Kriegskameraden nut dersel-
ben Todesverachtung und Hingebung, welche letztere an den
Tag gelegt, für das Vaterland gekämpft, geblutet und gesiegt
haben, welches die Männer der Kreuzzeitung mit ihnen thei-
len re."". — Den Juden als einen hergelaufenen vaterlands-
losen Menschen darzustellen, sollte doch das allerchristlichste Blatt
sich endlich schämen."
Wir haben diesen Worten, wodurch die Religionshetzerei
gegen die Juden verdammt wird, nichts beizusetzen als unser:
„Nur billig!" Wie oftmals sind die Katholiken in den soge-
nannten liberalen Blättern Badens, das Heidelberger Wochen-
blatt nicht ausgenommen, als „vaterlandslose Menschen" §
dargestellt worden? And welche eine nichtswürdige Hetze gegen die
Katholiken wird gerade jetzt in Folge des Krieges loSgelassen?
Hadert nicht auch katholische Jüugliuge gekämpft und geblutet?
Wenn ihnen mit den übrigen Kriegskameraden in dem drei
Prinzen-Feldzng art der Maurlinie zu siegen »richt vergönnt war,
wer ist denn schuld daran? Wahrlich doch s i e nicht.
Wir können genau mit der Stimme aus Marburg sagen:
Es schnerdet Einern durch's Herz, wenn man irr solcher Zest die
unausgesetzten Wühlereien eines Theils der badischen Presse
gegen die Katholiken lesen muß. Sie scheint mir eine wahre
Genugthuung darin Zu finden, jene (mag die Satire, auf welche
sie sich beruft, wahr oder unwahr sein) öffentlich an den Pran-
ger zu stellen.

Wird die preußische Judenhetze als eine „nichtswür-
dige Handlung" verurtheilt, so muß wohl auch als solche die
badische Katholikenhetze angesehen werden, um so mehr
als wir in einem Staate leben, wo so hoher Werth auf die
Gleichberechtigung der Staatsangehörigen ohne Unterschied
der Religion gelegt wird.
Freilich dürfen wir nicht außer Acht lassen, daß der ge-
meine Liberalismus an allen Orten zweierlei Maß hat. Wir
wollen jedoch die Hoffnung nicht ausgeben, daß er dies endlich
von sich wirft und nicht nur den Juden, sondern auch den Ka-
tholiken gerecht wird*), denn das ist gewiß — nur billig!

Bade u.
* Heidelberg, 15. Sept. Der Bad. Beobachter zeigt an,
daß er vom 18. d. M. an in Freiburg erscheinen werde.
Es ist also gelungen, den Unbequemen aus der Residenz zu ver-
drängen, wogegen wir kaum etwas einzuwenden haben, da es
für uns nur von Vortheil sein kann, wenn das Centralorgan
unsrer Partei auch am Centralsitz der katholischen Partei zu er-
scheinen hat.
* Heidelberg, 16. Sept. Abermals Respekt vor Frank-
furt! Die guten Bürger dieser bisher so stolzen freien Stadt
können sich's nun einmal nicht denken, daß sie preußisch und
eine Provinzialstadt werden sollen. Zudem ist von jeher in den
eigentlichen Volkskreisen der Stadt die antipreußische Gesinnung
ungewöhnlich stark gewesen und es dürfte jedenfalls viel Wasser
im Marn ablaufen, bis der seiner Grobheit und seines Dialekts
wegen berühmte Sachsenhüuser preußische Umgangsformen an-
nimmt und im besten Berliner Idiom „eine Stange jutes ber-
liner Weißbier sich koofen will." Der gesetzgebende Körper in
Frankfurt, als die eigentliche Volrsrepräsentanz hat sich denn
auch äußerst gut und patriotisch benommen — er hat den ihm
zugemutheten Eid nicht geleistet und die Annexion nicht aner-
kannt. Dagegen hat sich der Senat — denn das sind lauter
vornehme Herren — sehr schwach und selbstsüchtig gezeigt; statt
an seine Stadt nämlich vor allem zu denken, hat er zuerst sich
! selbst im Auge gehabt: er hat sich den preußischen Zumnthungen
*) Letzteres ist nicht zu erwarten, wenn man nur einen flüchtigen Blick
in die Blätter der Gegner wirft. Hat doch neulich erst ein solches Blatt
gesagt, man müsse nach allen Seiten hin tolerant sein, nur nicht gegen die
„Uitramontanen" d. h. die Katholiken. Der Bote.
 
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