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Donnerstag und Samstag.
102. Donnerstag den 30. August 1866.
-j- Das böse Schlagwort.
Am unseligen Bruderkriege hätte man genug haben und
aus demselben alles weg lassen sollen, was vom Ansang an
nicht dazu gehörte und auch am Schluffe desselben sich als et-
was Ungehöriges erweist. Es hat jedoch anders kommen müssen.
Kaum waren die beiden Großmächte Oesterreich und Preußen
durch die Kriegstrommel unter die Waffen gernfen, so warf
irgend ein Unhold das böse Schlag wort wie einen Brander
unter das arme Volk des sich selbst zerfleischenden Deutschlands:
— Oesterreich will die Protestanten katholisch
machen! Dieß böse Schlagwort zündete leider unter der pro-
testantischen Bevölkerung einiger süddeutschen Staaten und es
erhielt reichliche Nahrung durch öffentliche Blätter, die täglich
einige Spalten mit Herabwürdigung, Lügen und Verläumdungen
gegen die katholische Religion und deren Bekenner anfüllen.*)
Wir beklagen, daß es so gekommen ist und wir bedauern, daß
ein so unseliges Schlagwort, trotz seiner Mährchenhaftigkeit so
viele Gläubige gefunden und zwischen Protestanten und Katho-
liken an manchen Orten auf's neue eine schroffe Scheidewand
aufgerichtet hat. Anderseits haben wir für uns die Rechtfer-
tigung, daß die Erregung dieses bösen Haders von den Katho-
liken nicht ausgegangen ist und wir dürfen froh sein, daß
diese große Verantwortung eener der allerschlimmsteu Aufstachel-
ungen nicht ans uns lastet.
Nicht genug an diesem einen bösen Schlagwort, es sollte
noch ein arideres viel böseres folgen und gegenwärtig rast es
durch mehrere öffentliche Blätter mit einer Keckheit, die uner-
hört ist. Man weiß in der That nicht, was man von Leuten
halten soll, die aus ihrer Feder Nachrichten fließen lassen, in
denen die Katholiken als eine blutdürstige Mörderrotte bezeich-
net sind. So weit sind wir gekommen und wen: verdanken
wir dies? Dem andern viel böseren Schlagwort: daß, im
Falle eines Sieges der österreichischen Waffen, die Ermordung
der Protestanten und Juden erfolgt wäre! Von der Saalbach
schrieb man am 12. August der Badischen Landeszeitung: „daß
beim Siege der Oesterreicher, den Ketzern die Bäuche ausge-
schnitten und mit Pfuhlwasser gefüllt, den Juden aber der Hals
abgeschnitten würde." Ist das nicht furchtbar, weil die Ver-
läumdung hier handgreiflich zu Tage liegt? Mit einer scham-
losen Heuchelei und Frechheit getraut sich derselbe Artikelschrei-
ber weiter zu sagen: Bei einem Siege der Oesterreicher wäre
*) Wie insbesondere die Bad. Landeszeitung. Der Bote.
über die Protestanten „Eine zweite Pariser Bluthoch-
zeit" gekommen. Hiermit wird wohl das Maß der Katholiken-
anfeindung voll sein, denn Größeres läßt sich nicht mehr sagen,
als die Katholiken eines beabsichtigten Mordes der Pro-
testanten zu beschuldigen. In wie weit bei letzteren auch dieses
andere böse Schlagwort gezündet hat, wissen wir nicht anzu-
geben, hoffen aber, daß das Benehmen der Katholiken ihnen Be-
weise genug bringe, um sich von der Ruchlosigkeit solcher unwür-
digen Anklagen zu überzeugen.
Es wurde im Verlaufe dieses oder vorigen Jahres ein Ka-
tholik des Oberlandes auf erhobene Klage der Staatsanwalt-
schaft vom Gericht zu Gefängniß verurtheilt, weil er einen Pro-
testanten einen „Lutherischen Ketzer" nannte. Es dünkt
uns beinahe, daß, wenn die Staatsanwaltschaft gegen denjenigen
eine Klage anstellten würde, der, wie geschehen, durch ein böses
Schlagwort die Katholiken einer beabsichtigten Ermordung der
Protestanten und Juden beschuldigt, eine gerichtliche V erurthei-
lung des Thäters erfolgen müßte.
Baden.
* Heidelberg, 28. Aug. Prof. v. Treitschke ist unser
weitest gehender Gegner, aber Charakter und Ehrlichkeit muß
man auch beim Feinde ehren. Charakter hat er bewiesen,
als er seine Stelle in Freiburg niederlegte und das Land ver-
ließ, weil die bei uns herrschende antipreußische Strömung ihm
nicht zusagte; Ehrlichkeit zeigt er jetzt in hohem Grade, wenn
er in den preuß. Jahrbüchern zugesteht, daß die gothaischen Be-
strebungen zu Gunsten einer preußischen Oberherrschaft in Süd-
deutschland gar keinen Boden hätten. Was namentlich Baden
anbelange, so gebe es z. B. in Freiburg kaum 12 preußisch ge-
sinnte Männer und 8 Frauen, in Heidelberg etwa drei Dutzend,
in Karlsruhe ungefähr sechszig. Unter diesen Umständen werde
das jetzige Ministerium einen schweren Stand haben; dies scheint
man denn in Karlsruhe auch recht gut zu wissen und daraus
erklären sich denn auch die strengen Maßregeln gegen die Oppo-
sitionspresse. Uebrigens ist der Friede jetzt hergestellt, und wir
wollen nunmehr sehen, ob die für nöthig erachteten Ausnahms-
bestimmungen alsbald zurückgenommen werden oder ob dieselben
als dauernde fortbestehen sollen. Es wird ohnehin für die Presse
jetzt bald an der Zeit sein, den Blick einmal wieder von Außen
nach Innen zu richten, um in unserem badischen Staatsleben
eine möglichst weitgehende freiheitliche Entwickelung anzubahnen,
wozu wir redlich unser Schärflein beitragen wollen; denn ein
Ein Besuch auf den Kriegsschauplätzen am Main.
(Pfälzer Zeitung.)
(Fortsetzung.)
Der Weg durch den Wald wird immer einförmiger, ein Wagen mit
Schwestern christlicher Nächstenliebe oder ein Nachzügler zu Pferd kommt
vorüber, und entblätterte Hecken und zertretenes Dorngesträuch künden, daß
Massen hier sich gewaltsam den Weg gebahnt. Bald erscheint der Kirchthurm
von Großrinderfeld in der Niederung, die weiße Fahne darauf sagt dem
Wandersmann, daß in der Kirche Verwundete nach Erlösung schmachten.
Die Fluren und Felder sind zerstampft und zertreten, zerknitterte Halme
und vertrocknetes Kartoffelkraut zeugen vom Tritt der Colonnen, die Fahr-
straße scheint auf dreifache Breite angelegt bis hinein nach Würzburg. Noch
mehr hatten die Fluren um Gerchsheim gelitten, in dessen Nähe ein Gefecht
zwischen Preußen und Bundestruppen statt hatte. Da lagen aus den Fel-
dern Radfelgen und Niemenfetzen, Ürlaubspaßformulare, Mützenschirme und
Patronenhülsen und ganz unten im Thale stand noch ein zertrümmerter
Munitionswagen. An den Höhen aufwärts hatten die Räder der Kanonen
tiefe Furchen in die Fruchtfelder gezogen und verdoppelte Geleise und Cur-
ven zeigten, wo die Batterien rasch eine Wendung gemacht. Auf der Straße
unter den Kirschbäumen zog sich eine Reihe von 130 Bauernwagen mit Zwie-
back - Fässern und schwarzen Brodlaiben, Hafersäcken und sonstigen Lebens-
mitteln bis in's Dorf hinein, in welchem bereits die ersten Fuhrwerke mit
gleichem Material angelangt waren; die Fuhrknechte streuten ihren Zug-
tieren kärglichen Klee, indeß die Soldaten, das Zündnadelgewehr zur Seite,
sich zwifchen die Säcke kauerten und aus der glühenden Pfeife die Strapazen
verrauchten. Manche Häuser in Gerchsheim tragen noch Spuren von Grana-
ten, die sich vom Felde verirrt, und in einem hat das zweite Stockwerk bedeu-
tend Noth gelitten; das Dörfchen hat während des Krieges 8 Pferde, 30
Ochsen und 170 Kühe und Rinder verloren. Krankheitssymptome, die der
Cholera vorausgehen, haben unter den Bewohnern von Großrinderfeld und
Gerchsheim große Niedergeschlagenheit hervorgerufen. Bald führt die Straße
von hier in einen schönen Forst, in welchem farbige Pfähle die bayerisch-
badische Grenze bezeichnen. Auch hier durch den Wald sind noch rechts
und links von der Straße die glatt getretenen Parallelwege zu sehen,
welche die marschirenden Infanterie - Colonnen neben der auf der Straße
ziehenden Artillerie eingetreten, und Erdäpfelstengel und junge Eichelfaaten
erlagen dem Fuß der dahin ziehenden Krieger.
Wenn man aus dem Walde getreten, erscheint das Dörfchen Kist seit-
wärts von der Straße. Hier erblickt man auf den Feldern die Spuren
zahlloser Wachtfeuer und Biwakhütten, denen die ausgeriffenen Getreidehalme
zur Decke gedient; zuweilen liegt noch neben den Kohlenreften ein Häuflein
halbgrüner Kartöffelchen oder unreifer Aepfel, die sich ein Hungernder ge-
sammelt, und eine verschleppte Garten- oder Stallthür, die, an einen ein-
gerammten Pfahl gelehnt, einigen Soldaten gegen die Witterung Schutz
geboten, harrt noch jetzt ihres einstigen Besitzers. Dem weiter unten sol-
genden Dörfchen Höchberg, unmittelbar vor Würzburg, ist es wo möglich
noch schlimmer ergangen, denn dies hatte den Besuch von 100 Taufend
Mann Bundestruppen und kurz darauf noch circa 40,000 Mann Preußen
auszuhalten. Eine Bauersfrau, die mit thränendem Auge ihr zerstampftes
Gerftenfeld überblickte, sagte mir, daß sie ihre Ernte vollständig eingebüßt
habe; aucb Vieh sei dem Dorf nur wenig übrig geblieben. — Nach und
nach taucht die Veste Marienberg aus den Weinhügeln hervor , und wenn
man auf die Höhe der Straße herausgetreten, liegt sie plötzlich vor dem
entzückten Auge: die Perle der fränkischen Städte, Würzburg, die schöne,
alte Musenstadt mit den zahlreichen Thürmen und Prachtgebäuden. Von