Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

DOI Kapitel:
Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43883#0051

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag
Donnerstag und Samstag.

für Stadt



und Land.

Preis: Vierteljahr!. 40 kr. ohne Träger-
lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.Z.

M. 12.

Sümftag, den 26. Januar



Ein Stück deutscher Geschichte.
i.
Endlich ist der Zeitpunkt eingetreten, in welchem die roman-
hafte einseitige deutsche Geschichtschreibung der Gothaer gründlich
gekennzeichnet wird. Allzu lauge hat es wahrlich gewahrt, bis -
die kleindeutschen Geschichtsbaumeister entlarvt und mit ihrer '
gesummten gothaischen Clique an den Pranger gestellt wurden.
Den ersten Anstoß haben vr. Onno Klopp und Prof. Ficker
gegeben. Ihnen hat sich seit Kurzem ein anderer tüchtiger
Kämpe angereiht, dessen wuchtige Keulenschläge den gothaischen
Rattenkönig vollständig niederzuschmettern geeignet sind. Haupt-
mann v. Vivenot hat als würdiger österreichischer Soldat es
unternommen, durch eine getreue Schilderung der Thätigkeit
des Reichsfeldmarschalls Herzogs Albrecht von Sachsen- -
Tesch en nicht allein die Ehre und Feldherrnbefähigung dieses
Fürsten, sondern auch überhaupt die Politik des österreichischen Cabi-
nets in den verhäugnißvollen Jahren von 1793—1795 gegenüber
den immer maßloser austretenden Verdächtigungen und Lügen
der kleindeutschen Geschichtsbaumeister wieder herzustellen. Im
Gegensätze zu den gothaischen Historikern, die nur den Werth
der" Phrasen kennen, hat er dies gethan durch genaueste Nach-
weise des Thatsüchlichen aus den besten officiellen Quellen,
durch in den Noten beigefügtc Aktenauszüge, die besonders aus
dem k. k. Staatsarchiv zu Wien, die auch mit den englischen
Memoiren von Malmesbury ganz übereinstimmen, entnommen
sind.
Gerade in der gegenwärtigen Zeit, die eine ähnliche Ver-
bindung Oesterreichs mit Preußen zeigt, wie solche vor Ab-
schluß des Basler Friedens vorhanden war, wo Ersteres für seine
guten Dienste mit langsichtigeln Wechsel abgespeist werden soll,
bietet diese literarische Arbeit ein besonderes Interesse und kann
bei den obschwebenden Verhandlungen nicht unbeachtet bei Seite
geschoben werden, wenn sich nicht wiederholen soll, was zum
Unglück Deutschlauds in den 90er Jahren geschehen ist.
Als wir dies vollständige Material also verarbeitet in dem
Vivenot'schen Werke erblickten, konnten wir unmöglich unser
höchstes Erstaunen darüber unterdrücken, daß das k. k. Staats-
archiv— „die Katakomben österreichisch-deutscher Ehre" — so lange
verschlossen mar, daß die österreichische Regierung Jahrzehnte
lang unausgesetzt die maßlosesten Angriffe gegen ihre frühere
Politik unerwidert ließ und damit dein Glauben an die Wahr-
heitsliebe der preußisch-gotlmischen Historiker Vorschub leistete.
Der soeben erschienene II. Band I. Abtheilung des Vivenot'schen
Werkes (Wien 1866) behandelt die Kämpfe gegen die Fran-
zosen unmittelbar vor dein Abschluß des scandalösen Baseler-
Friedens vom November 1794 bis April 1795. Er schildert
in traurigen Farben die Noth des Reichsheeres, er weist nach,
woher die Thatlosigkeit und Resultatlosigkeit gekommen ist —
aus der unbegreiflichen und unseligen Verblendung verschiedener
Reichsstände, vor allem des Kurfürsten von Mainz, und ganz
besonders aus der zweideutigen Haltung des preußischen Cabi-
nets, dessen Chef Haugwitz das geeignetste Instrument für
seine niederträchtige Politik in dem Feldmarschall v. Möllen-
dorf gesunden hatte.
Für die Bewohner des Oberrheins hat das Buch ein er-
höhtes Interesse; denn der Schauplatz des Kampfes wie der
heillosesteu Jntriguen fand in unserer Nähe statt. Albrecht von
Sachsen-Teschen hatte sein Hauptquartier in Heidelberg und
dirigirte von dort aus seine Truppen nach den: linkseitigen
Ufer des Rheins, vertheidigte mit schwachen Kräften Mannheim
und die Rheinschanze, welch' letztere durch die Versagung der Hülse
von Seiten Möllendorss verloren ging, behauptete Mainz und
war endlich froh, als die Preußen an den Niederrhein abzogen,
den salchen Verbündeten, der ihn an jeder ernsthaften Unter-
nehmung hinderte, los zu fern.

Auch die Misere bei der Neichsversammlung zu Regens-
burg wird trefflich geschildert. Der k. k. Concommissarius,
Frhr. v. Hügel, nebst dem Reichsvicekanzler, dem Fürsten
Colloredo, machten vergeblich alle möglichen Anstrengungen,
um die Reichsstände für einen kräftigen Offensivkrieg gegen
Frankreich zu gewinnen, ihre Reichscontingente zu steilen und
die Verpflegung für das Neichsheer zu übernehmen. Theits
aus der unbegreiflichsten Kurzsichtigkeit, theils aus Perfidie gegen
das Reichsoberhaupt, das man allmählich völlig beseitigen wollte,
fand die Parole bei dem Reichstag die Majorität: „dem großen
Elend, welches dieser Krieg über so viele Länder verbreitet, muß
durch einen erträglichen Frieden ein Ende gemacht werden."
Ja es lag vielleicht die ärgste Ironie in dem Antrag des geist-
lichen Kurfürsten von Mainz, daß Schweden und Dänemark,
die sich im Bunde mit Frankreich auf Kosten Deutschlands ver-
größert hatten, zu Demschland's Schiedsrichtern und Friedens-
vermittlern auserkoren werden sollten. Das unrühmliche Reichs-
Friedens Gutachten — das Werk der preuß. Diplomatie und
der Vorläufer des Baseler Friedens — kam am 22. Dez. 1794
zu Stande, eshob insbesondere hervor, daß 1) der Kaiser gebeten
wurde, einen Waffenstillstand als Einleitung zum Friedeu mit
Frankreich zu genehmigen; 2) hoffte man „mit Zuversicht", die-
selben friedfertigen Gesinnungen „zur Ehre der leidenden Mensch-
heit und in der Beherzigung des von ihr zu diesen! leidigen
Reichskrieg gegebenen Anlasses" bei der französischen Nation
und ihrer Regierung zu finden; 3) sollten die Rüstungen im
Reiche fortgesetzt werden, „um gegen ein undurchdringliches
Schicksal gewaffnet zu sein"; 4) sollte der Kaiser diesen, dem
Zwecke des mestphälischen Friedens entsprechenden, billigen und
annehmlichen Frieden mit Frankreich vorbereiten und durch ge-
fällige Rücksprache mit Allerhöchst Dero hohem Alliirten des
Königs ill Preußen Majestät ungesäumt veranlassen."
„Ein homerisches Hohngelächter der Nationalversammlung
zu Paris lohnte jene rührende Einfalt, die in Regensburg sich
selbst zum Kampfe unfähig und als „leidende Menschheit" be-
kannte und dennoch den 8kutu8 qmo des mestphälischen Frie-
dens, die Ausrechthaltung der deutschen Neichseonstitution, die
Wahrung der Rechte der deutschen Fürsten im Elsaß, die Räu-
mung der eroberten Länder von den siegreichen Schaaren der
Republik, und endlich sogar den Rückersatz der Kriegslasten von
Frankreich begehrte!" (S. 252)
Was die preußische Heersührung unter Möllendorf am
Rhein anbelangt, so läßt sich solche sehr kurz zusammenfassen.
Wenn der Reichsfeldmarschall Albrecht «von Sachsen den ihm
untergeordneten Mötlendorf zur Offensive auffordert, so lehnt
dieser es ab. Wenn er ihm einen Plan zur Kriegführung über-
sendet, so hält Möllendors diesen Plan für nicht ausführbar.
Wenn endlich Möllendorf angegangen wird, den Kriegsplan
selbst zu fertigen, so hat er hierzu keine Instructionen vom Hofe
von Berlin und gibt vor solche einholen zu wollen. Ergreift
aber einmal der Reichsfeldmarschall wie bei Mainz die Offen-
Offensive, so gibt Möllendors mit seinen Truppen den müßigen
Zuschauer ab.
So hat auch ferner Hauptmann v. Vivenot durch Urkun-
den nachgemiesen, daß die Räumung der Niederlande im Jahr
1794 lediglich durch die Weigerung des preuß. Cabiuets, das
Heer Clerfaits zu unterstützen, erfolgen mußte. Diese That-
sache ist bedeutungsvoll, da gerade die kleindeutschen Geschichts-
baumeister bisher die pfiffige Ausrede Preußens in Umlauf
brachten, daß die Oesterreicher selbst aus egoistischen Gründen
die Niederlande aufgegeben hätten.
 
Annotationen