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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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Pfälzer Bote
Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, 54^ Xx Preis: vierteljährl. 40 kr. ohne Träger-
Donnerstag und Samstag. f ilj- UNV llUV. lohn u. Postausschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.Z.
.,N 1Z. Dienstag, den 30. Januar 1866.

Ein Stück deutscher Geschichte.
ii.
Weil unsere lieben Pfälzer gewiß ein großes Interesse
daran haben, will ich einen kurzen Auszug aus der Darstellung
über die Einnahme der Rheinschanze hier geben; es wird so
manche entstellende Mittheilung dadurch ihre Würdigung erhalten.
Nachdem plötzlich ohne genügenden Grund das 20,000
Mann starke preuß. Corps unter Hohenlohe vom Kriegs-
schauplätze am Rhein abgerufen worden war, ruhte die Verthei-
diguug des Reichs nun ganz allein auf den Kaiserlichen. Zwi-
schen dem Kraichbach und Gernsheim standen 15,000 Oester-
reicher, welche allein zu Offensivbewegungen verfügbar waren.
In Mannheim lagen beiläufig 8000 Mann Pfälzer und in der
Rheinschanze 2500 Oesterreicher. Die Festungen am Rhein
waren überdies im traurigsten Zustande, die Deutschen mußten
sich damit begnügen, das Rheinufer der ganzen Länge nach zu
beobachten. Ganz anders war dies auf dem linken Ufer, wo
die Franzosen überall die nöthigen Befestigungen und Verschan-
zungen herstellten, so daß sie im Falle des Rückzugs große Vor-
theile hatten und überlegene Massen vor Mannheim und Mainz
concentriren konnten.
Am 24. Oktbr. stand Michaud, der Oberbefehlshaberder
Rheinarmee, vor der Rheinschanze und übertrug dem General
Bachot ihre Belagerung. Die französische Armee war nach dem
Sturze der Schreckensherrschaft desorganisirt, halb verhungert,
schlecht gekleidet und plünderte überall. Gleichwohl ließ Möllen-
dorf, der noch 40,000 Mann führte, seine Truppen vor den
Franzosen zurückweichen, ja während die Franzosen fortwährend
mit den Oesterreichern im Kampf standen, unterhielten sie sich
mit den Preußen gemüthlich und freundschaftlich. Dies Bei-
spiel steckte auch die weuigen verläßlichen Truppen der Reichs-
armee vollends an; lehnten sich doch damals kurpfälzische Trup-
pen gegen die Befehle der kaiserlichen Generäle auf und zeigten
entschiedene Abneigung gegen die Reichsvertheidigung! Am 17.
November verlegte Herzog Albrecht sein Hauptquartier von
Schwetzingen nach Heidelberg. Wegen der Weigerung Möllen-
dorfs, sich bei der Vertheidigung von Mainz zu betheiligen,
wurden sofort noch 600 Oesterreicher aus Mannheim gegen
Frankfurt hin abgesandt. In gleicher Weise schlug Möllendorf
ein combinirtes Unternehmen zum Entsatz der Rheinschanze ab.
Der österreichische General v. Wartens leb en commandirte
in Mannheim, machte aus der Rheinschanze ununterbrochene
Ausfälle, konnte aber wenig ausrichten, da die mit den Fran-
zosen heimlich correspondirende pfälzische Regierung seinen Be-
fehlen oft keine Folge leistete und nicht einmal in Mannheim
österreichische Truppen duldete. Diese lagen nur iu der am
ärgsten bedrohten Rheinschanze.
Am 10. Oktober hatten die Franzosen den Friesenheimer
Wald besetzt und legten ihre Approchen an. Von da bis zum
15. November hatte Wartensleben über 20 blutige, doch erfolg-
lose Ausfälle gemacht. Schon am 12. November waren die
Linien der Franzosen von Rheingönheim über Mundenheim
nach Friesenheim vollendet. Der Friesenheimer Damm, dessen
Abtragung Wurmser und Albrecht von Sachsen bei der
pfälzischen Regierung vergebens beantragt hatten, gewährte den
Franzosen einen vortrefflichen Schutz. An: 17. November rück-
ten 15,000 Franzosen vor und beschossen die Rheinschanze; be-
günstigt durch den Nebel gelang es ihnen, eine neue Parallele
zu eröffnen und sich der Festung auf Schußweite zu nähern.
Am 21. November wurde eine neue Redoute am Friesenheimer
Damm errichtet, am 23. November war die fünfte Redoute in
der Parallele vollendet. Die Oesterreicher vollführten vom 18.
bis 28. November 6 Ausfälle, die jedoch der Feind blutig zu-
rückwies. Am 28. und 29. November forderten die Franzosen
die Uebergabe der Rheinschanze. Auf die Weigerung nickten

sie mit 12,000 Mann zum Sturm vor, wurden jedoch
zurückgeschlagen. In der sichern Aussicht, daß sich auf diese
Art der Vertheidigung die Rheinschanze keine 14 Tage mehr
halten könne, und in der Absicht, Mainz und Luxenburg zu
deblokiren, hatte Albrecht von Sachsen dem preußischen Comman-
direnden Möllendorf einen Plan zur Offensive vorgelegt, worin
er sich bereit erklärte, mit 16,000 Oesterreichern zwischen Rastatt
und Mannheim über den Rhein zu gehen, um die Franzosen
bei der Rheinschanze anzugreifen und gleichzeitig einen Ausfall
mit 4000 Mann aus Mannheim zu machen. Werde Möllen-
dorf zu gleicher Zeit mit wenigstens 20,000 Manu und mit
der Garnison von Mainz zwischen Mainz und Gernsheim das
linke Nheinufer occupiren, so sei Mannheim und Mainz gerettet.
Möllendorf jedoch, der sein Hauptquartier in Hochheim hatte,
erhob die verschiedenartigsten Einwendungen: das Terrain sei
ungünstig, der Feind zu stark, seine Armee habe keine Lebens-
mittel, überhaupt aber könne er ohne „ausdrückliche Genehmi-
gung des Königs" nichts thun. Doch wolle er die Operation
„durch zweckmäßige Demonstrationen secondiren" (!). Weiter
gedrängt, erklärte er geradezu, der deutsche Kaiser ginge ihn
nichts an.
Unter diesen Umständen beschloß ein nach Heidelberg be-
rufener Kriegsrath am 21. Dezember, man habe sich auf einen
Hauptausfall aus Mannheim mit 12,000 Mann zu beschränken,
um wo möglich alle feindlichen Verschanzungen zu Zerstören und
dann durch tägliche Ausfälle die Belagerung der Rheinschanze
- unmöglich zu machen. Allein schon am andern Tag trat der
lang befürchtete Unfall ein, daß die Gewalt des Eises die Brücke
bei Mannheim wegriß, so daß die Rheinschanze vollends von der
Festung Mannheim getrennt blieb und nur mit größter An-
strengung durch das Eis auf Schiffen eine gefährliche Verbin-
dung nothdürftig unterhalten werden konnte.
Gerade auf dieses Elementarerreigniß hatte der franz.
Ingenieur Sorbier, der die Belagerung der Rheinschanze
leitete, gewartet. Die Garnison der Schanze belief sich, wie
erwähnt, auf 3000 Mann, worunter 360 Pfälzer; in Mann-
heim lagen 9,955 Mann Infanterie und 201 Mann Cavalerie.
Am 22. Dezbr. Nachmittags 2 Uhr erschien ein französischer
Trompeter in der Rheinschanze, mit der Aufforderung zur so-
fortigen Uebergabe, widrigenfalls alle Truppen über die Klinge
springen sollten. Bedenkzeit von drei Stunden wurde gegeben.
Um sich den Weg zu Unterhandlungen offen zu lassen, erwiderte
der österreichische Commandirende v. Wartens leben, daß
keine Bedingungen für die Uebergabe gemacht seien, daß er sich
daher nicht in Unterhandlungen einlassen könne. Am andern
Tage erschien nun der französische Generaladjutant Hendel et/
um die Anträge über die Uebergabe anzuhören. Die Unter-
Handlungen zerschlugen sich jedoch, wenngleich die pfälzische Regie-
rung sich für die Capitulation unter den französischen Bedin-
gungen verstanden hatte, wobei insbesondere verlangt war, daß
das ganze Festungsmaterial den Franzosen übergeben werden
solle.
Um 12 Uhr Nachts, zwischen dem 23. und 24. Dezember
begann nun ein furchtbares Feuer; die Communication mit
Mannheim wurde dadurch unmöglich gemacht. Bomben auf
' auf Bomben fielen in die geängstigte Stadt, zweimal brach in
den pfälzischen Casernen Feuer aus. Projectile aller Art fielen
in die fürstliche Residenz, 11 Bomben sprangen darin. Das
Zeughaus, das Observatorium, das Jesuitencollegium und alle
gegen den Rhein zu stehende Gebäude erlitten erheblichen
Schaden; ja selbst am entfernten Heidelberger Thor wurde
einer Schildwache durch eine Bombe der Arm weggerissen.
Gegen 4 Uhr Nachmittags am 24. Dezember, geschah eine
erneute Aufforderung zur unbedingten Uebergabe. Der pfälzische
Gouverneur Belderbusch und der Minister v. Oberndorf
schloffen sich dem Mannheimer Magistrat an, um die Uebergabe
um jeden Preis geschehen zu lassen. Allein Wartensleben be-
 
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