Baden.
* Heidelberg, 27. Mai. Die „alte" (Bismarck'sche) Landes-
base schreibt: „Wie wir erfahren, beabsichtigt die Commission
der zweiten Kammer, den von großh. Regierung verlangten Credit
von 1,700,000 fl. zur Bestellung von 1400 Militärpferden zu
verweigern." Herrlich! Damit ist ja das Bluntschli'sche
Neutralitätsprojekt fertig; denn wenn man kein Geld und keine
Pferde hat, kann man nicht zu Felde ziehen, ja, man kann selbst
nicht einmal die allen Großmächten imponirende landesbasliche
„Aufstellung unter den Wällen von Rastatt" in Ausführung
bringen. Seht Ihr, Ihr Bürger, so weit haben wir's mit der
gothaischen Kammer gebracht, daß im Falle des Krieges unter
allen Staaten Baden allein nicht gerüstet ist und sich dann von
Freund und Feind plündern und mißhandeln lassen muß, und
dazu hat der Schweizer Bluntschli dann das Meiste beigetragen!
Uebrigens ist es immerhin auffallend, daß die Kammer zum
ersten Mal seit der neuen Aera in einer so hochwichtigen Sache
der Regierung eine abschlägige Antwort geben will. Sollte es
vielleicht dem Ministerium nicht recht ernst sein mit der Forderung,
so daß es froh wäre, sich von der Kammer eine sanfte Gewalt
anthun lassen zu können, um hintennach, wenn nichts geschehen
ist, sich mit dem Kammervotum decken zu können? Glauben
denn aber die gothaischen Kammerherren im Ernste, das badische
Volk und seine rapferen Truppen würden geduldig und thatlos
zusehen, wenn Bismarck Schleswig-Holstein, ja ganz Deutschland !
vergewaltigen und im Bunde mit dem Auslande die tiefste Er-
niedrigung und Schmach über das Vaterland verhängen will?
Mit Recht frägt daher der Oberrheinische Courier,, ein Blatt der
großdeutschen Demokratie: „Kennen denn diese Herren Gothaer
die Stimmung und die deutsche Gesinnung unseres badischen
Volkes so schlecht, daß sie glauben, dasselbe werde in Noth und ;
Gefahr seine deutschen Brüder im Süden unseres Vaterlandes !
willig im Stiche lassen oder wollen diese Herren mit Gewalt
unser Land einein neuen französischen Rheinbunde zuführeu?
oder wie Freiherr v. Berlichingen ebenso kräftig als treffend er-
widerte, durch ein Bismarck'sches Parlament mit einem Galgen
auf der Seite über uusere Söhne und unser Geld zu spezifisch-
preußischen Zwecken verfügen lassen? Wie wir die Gesinnung
unseres badischen Volkes kennen, fährt der Courier fort, und
wir glauben wenigstens jene unserer oberen Landestheile durch
und durch zu kennen, so ist dieselbe eine entschieden deutsche und
weder eine groß- noch kleinpreußische, keine engherzige badische
im Sinne des (Schweizer) Bluntschli'schen Kantönli-Geistes, son-
dern eine opferbereite, fürs deutsche Vaterland; keine feige hinter
Bluntschli'sche Professorentheorien sich verschanzende Neutralitäts-
gesinnung, sondern eine kampfbereite, im Verein mit unseren
deutschen Brüdern im Süden und im Norden, aber nicht für
Bluntschli's großpreußisches Programm, sondern für die Freiheit,
Ehre und Sicherheit von ganz Deutschland. Mit Freuden können
wir es aussprechen, daß auch unser badisches Armeeeorps von
dem gleichen deutschen Geiste beseelt ist, dasselbe würde zwar in
fester Disciplin überallhin seinem Kriegsherrn folgen, aber ge-
wiß ohne Begeisterung und unter bittern Neminiscenzen unter-
preußischer Fahne für preußische Interessen in den Kampf gehen."
So der Oberrhein. Courier, dem. wir aus vollster Seele
uns anschließen, und nur den Wunsch noch beizufügeu haben,
daß von allen Parteien, die nichts von den Gothaern und den
frechen Fremdenlegionären wissen wollen, die Parole ausgegeben
werden möge: Kammerauflösung, weil die veränderte Lage
der Dmge auch den Anschauungen und Gesinnungen allerwärts
eine andere Richtung und Wendung gegeben hat und somit die
jetzige gothaische Kammer nur als der gegentheilige Ausdruck des
Volksmillens betrachtet werden muß. „Zum Teufel mit dem
Gothathum!"
X Heidelberg, 26. Mai. Meister Bluntschli hat sich
nach seiner Rückkehr vom Frankfurter Abgeordnetentag in sicht-
barer Aufregung befunden. Es ist dies begreiflich: erst Angst
vor handgreiflichen Demonstrationen, dann Wuth über die er-
littene Demüthigung seines Stolzes; muß es doch für einen
Kathederhelden, der sich bereits als Factotum des badischen
Staates ungenirt gebärdet, das Aergste gewesen sein, in öffent-
licher Versammlung ausgelacht zu werden. Dem Vernehmen
nach hat er nunmehr auch die furchtbare Rachedrohung ausge-
sprochen: wenn das deutsche Parlament zusammen käme, so dürfe
es niemals in dem antigothaischen Frankfurt tagen. (Nicht wahr
in Spandau, Herr Geheimerath?)
* Heidelberg, 26. Mai. Die ächt patriotische und wahr-
haft freisinnige Rede des Königs von Württemberg bei Eröff-
nung der Ständeversammlung lautet:
„Edle und geehrte Herren, Liebe Getreue! In einem Augen-
blick tiefen Ernstes trete Ich in die Mitte der getreuen Stände
Meines Königreichs und eröffne den Landtag. Zum Kampfe ge-
rüstet stehen die zwei mächtigsten deutschen Staaten sich gegen-
über. Deutschland, Europa, folgen sorgenvoll dem Entwicklungs-
gänge eines Widerstreites, dessen kriegerische Lösung die Früchte
eines fünfzigjährigen Friedens vernichten würde.
Mein eifriges Bestreben war es und wird es sein, solches
Unheil abzuwenden. Soll dies, dauernd geschehen, so muß die
schleswig-holsteinische Frage auf dem Wege des Rechts und unter
Wahrung der Interessen Deutschlands gelöst, muß die Verfassung
des Bundes den Bedürfnissen der Zeit angepaßt, muß dem Volk
die ihm gebührende Theilnahme werden an seinen gemeinsamen
und föderativen Angelegenheiten. Noch will ich hoffen auf Er-
haltung des Friedens — würde er gebrochen, dann geböten
Pflicht und Ehre, einzutreten für die gefährdeten Interessen der
Nation, für das Bundesrecht und unsere Selbstständigkeit. Fest-
geeinigt mit andern gleichgesinnten deutschen Staaten werden wir
alle drohenden Gefahren bestehen.
Auch dann werde Ich Meiner Pflichten für die innere Ent-
wicklung des Landes eingedenk bleiben. Meine Regierung wird
die nöthigen Mittel von Ihnen verlangen. Sie werden Mich
durch patriotische Hingebung unterstützen in Meinen Bemühungen
um den Frieden, Sie werden aber auch die Opfer nicht scheuen
für einen Kampf um das Wohl Deutschlands und die Erhaltung
Württembergs.. Ich baue hiebei fest aus den Muth, das Rechts-
gefühl, die Vaterlandsliebe des württembergischen Volks. Gottes
Schutz und Segen walte über unserm geliebten Vaterlande!"
Die Regierungen von Württemberg, Sachsen, Hessen-Darm-
stadt und Nassau beweisen überhaupt am meisten Muth gegen
die preußische Vergewaltigungspolitik und verdienen dafür den
innigsten Dank jedes wahrhaften Patrioten. Möchten wir in
Baden nach Auflösung der kleindeutschen Kammer bald eine
ebenso warme, patriotische Thronrede, wie die des Königs von
Württemberg, zu verzeichnen haben. Wahrlich, es stehen nur
2—3 Dutzend Gothaer hindernd dabei im Weg, deren Einfluß
zuvor vernichtet und deren Bündel in die Fremde geschnallt
' werden müßte!
Heidelberg, 26. Mai. „Jede Schuld rächt sich auf
Erden!" Dies Wort fiel uns bei dem sogenannten Abgeordneten-
tag unwillkürlich ein, als wir die Gothaer in Frankfurt schmäh-
lich blamirt, ja sogar durch Kanonenschläge in persönlicher Ge-
fahr sahen. Wißt Ihr noch, Ihr Herren Gothaer, wie arg Ihr
über jenen Mannheimer Schandtag triumphirt habt, als man
eine allgemeine Katholikenhetze veranstaltete, wißt Ihr noch, wie
Ihr da stolz, anmaßend und unverschämt im Uebermaße in
Eurem gothaer Moniteur erklärt habt: „Wer nicht mit uns
handelt und denkt, ist ein rech t loser Mensch"! ? Aber
Uebermuth kommt vor dem Fall, und so werden Euch jetzt Eure
intoleranten Sünden mit reichlichen Zinsen zurückgezahlt weroen.
„Es mußte so kommen und es kam so", pflegte früher Euer
Herr und Meister zu sagen, ja, und weil es so kommen mußte,
seid Ihr eiligst aus Frankfurt mit abgesagten Hosen davon
gelaufen.