Bote
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U44V 4444V. lohn u. Postaufschlag. Jns.-Gest. 2 kr. d.Z,
Dienstag, den 24. April
Pfälzer
Erscheint wöchentlich 8 Mal: Dienstag, ^1*
Donnerstag und Samstag. f 44^
Ein Stück deutscher Geschichte.
Es ist ein arges Spiel mit der deutschen Geschichtschreibung
von den I790r Jahren bis zum heutigen Tage getrieben worden.
Aus den Büchern der kleindeutschen Geschichtsbaumeister mußten
wir leider ersehen, daß nicht die reine Wahrheit, die objectiv-
gründliche Darstellung der Thatsachen mitgetheilt wurde, sondern
nur politische Streitschriften, die auf die Verherrlichung alles
dessen hinausliefen, was preußisch ist und war, die vor allem
bemüht waren, jenes dunkle Blatt der Geschichte vom 7jährigen
Krieg bis zum Basler Frieden hochcolorirt mit glänzendem
Farbenschmuck für die weniger Eingeweihten auszustaffiren. Dabei
ist eine ganz eigentümliche Darstellung geübt worden. That-
sachen, die als Neichsverrath, als Auflehnung gegen den Kaiser
mit der Strafe dcr Reichsacht verfehmt waren, werden darin,
weil sie von Preußen begangen wurden, als in den Verhält-
nissen begründet und gleichsam nothwendig geworden geschildert
und mit ihrer Rechtfertigung zugleich die frechste Anklage gegen
alle diejenigen verbunden, welche für die bestehende Ordnung,
für Recht und Gesetz, für Erhaltung des deutschen Bandes ein-
traten. Dagegen werden Mährchen ersonnen, vollständige Ro-
mane ausgearbeitet auf Gesinnungen hin, die dem öster-
reichischen Cabinet mit der unverschämtesten Frechheit ange-
dichtet wurden, wovon bei näherer Nachforschung auch nicht ein
einziges Moment nachweisbar entdeckt zu werden vermag.
Derlei Behauptungen wurden dann so oft wiederholt und
mit allen möglichen Variationen ausgeschmückt, daß sie selbst
bei verständigen Leuten Eingang fanden und heute noch als
Waffen gelten in den boruffistischen Händen.
Gerade in letzterer Beziehung ist die Geschichte der Zeit
vor und nach dem Basler Frieden überreich. Und so ist es denn
ein großes Verdienst des Herrn v. Vivenot, daß er in der
zweiten soeben erschienenen Abtheilung des zweiten Bandes seines
früher in diesem Blatte schon besprochenen Werkes die zahllosen
Ränke und Jntriguen des preußischen Cabinets, die in Berlin
und am Reichstag in Regensburg sowie in Basel gespielt wurden,
aus den Akten des kaiserl. königl. Staatsarchivs in Wien
schonungslos aufdeckt, daß er die Faiseurs Hardenberg und
Görz, Luchesini und Haugwitz entlarvt, daß er das dama-
lige preußische Preßbüreau mit seinen, den heutigen gothaer Pro-
fessoren ganz würdigen Rabulisten, Historiographen und Pam-
phletisten von Archenholz, Häberlin, Garve und den Göttinger
Professoren herab bis zum verächtlichen Bülow kennzeichnet und
sie als gelehrige Schüler Friedrichs des sog. Großen darstellt,
der seinem Grafen Görz nach Petersburg geschrieben hatte:
„Lügen, lügen und noch einmal lügen, das ist der
Kern unsrer Politik!"
Zeigt uns die frühere Abtheilung des Vivenotschen Werkes
das traurige Bild der preußischen Heerführer in der Zeit vor
dem Basler Frieden, so macht uns die letztere Abtheilung mit
den ränkevollen preußischen Staatsmännern, insbesondere mit
Hardenberg, näher bekannt. Wir wissen nicht, vor welchem dieser
auf der Bühne erscheinenden Acteurs wir einen größeren Eckel
empfinden, vor jenen mit hohlen und ausweichenden Redens-
arten, die nach einer von den Oesterreichern ausgefochtenen
Schlach: stets tapfer sein wollten und nmthig zurückwichen, die
mit Elrenwörtern spielten und mit dem Feinde Brüderschaft
kranker; oder vor jenen, die mit lang angelegtem Plane, mit
raffiniNester Tücke die alte deutsche Reichsverfassung untergruben,
und als die günstige Gelegenheit endlich erschienen war, solche
über dm Haufen warfen, um damit zugleich ihren letzten Zweck:
die Zertrümmerung Oesterreichs und die preußische Alleinherr-
schaft in's Werk zu setzen.
Der Inhalt dieser letzten Abtheilung des Vivenotschen Werkes
betrift 1) den von Oesterreich gemachten Versuch einer Revision
der Keichsexecutionsordnung, die leider durch preußische Jntri-
guer gescheitert ist; 2) den Basler Frieden, eingefädelt durch
, einige Juden und ausgeführt durch Hardenberg; 3) die öffent-
liche Meinung zur Zeit des Basler Friedens, wobei die damals
gewechselten Streitschriften einer sehr interessanten Würdigung
unterzogen werden und vor allem der geistreichen Broschüren
des Herrn von Kolbielski gedacht ist; 4) das österreichische
Ehrenjahr 1795 und die nachfolgenden Ereignisse, 24 Schlüsse
und Schlußwort. Angehängt sind noch verschiedene Noten und
Urkunden, welche mehrere von den kleindeutschen Geschichtsbau-
meistern neuerdings aufgewärmte Verdächtigungen Oesterreichs
in ihr Nichts zurückführen. Beigegeben ist dem Werke noch eine
Karte der sog. preußischen Demarcationslinie, die in Folge des
Basler Friedens von Preußen einseitig festgesetzt wurde und
einen anschaulichen Beweis dafür liefert, welche Achtung das
preußische Cabinet vor den übrigen deutschen Regierungen schon
im Jahr 1795 gehabt hat.
Baden.
o" Heidelberg, 20. April. Immer offener und unver-
hohlener treten die Gothaer mit ihrem letzten Hintergedanken einer-
preußischen Vorherrschaft ans Tageslicht und machen sogar dem
schwer bedrohten Oesterreich ein Verbrechen daraus, daß es
einige — wenn auch noch sehr unbedeutende Rüstungen und
Vorsichtsmaßregeln getroffen hat. So thut dies namentlich der
Moniteur des Gothaismus — das Heidelberger Journal —
in seiner heutigen Nummer, in welcher er einen der unge-
rechtesten und feindseligsten Artikel gegen Oesterreich vom Stapel
läßt und zugleich einen der lächerlichsten Rodomontaden über
den „preußischen Stolz", den man nicht kränken dürfe, in die
Welt schickt, und Oesterreich warnt, es möge nicht das „preu-
ßische Volk", das nebenbei gesagt, sich allenthalben gegen den
Krieg ausgesprochen hat, an die altpreußischen Traditionen
aus der Zeit Friedrichs des „Großen" erinnern und dergl. ab-
geschmacktes Zeug mehr. Nun, von diesem Blatt der Fremden-
legionäre haben wir nichts Anderes erwartet; aber auch in der
Kammer, wie in der Offenburger Versammlung, konnte man
sich nicht zu einer energischen Haltung aufraffen, weil die wie-
dererwachte Doctrine von Preußens „Beruf" jedem nationalen
Aufschwung wie Blei an den Füßen hängt, was Bismarck bei
seinem Reformvorschlag schlau vorher in Berechnung gezogen
und richtig vorausgesehen hatte. Aber zum Glück ist es nicht
überall in Deutschland so erbärmlich beschaffen, wie in manchen,
immer noch unter gothaischem Einfluß stehenden Kreisen unseres
Landes. So will man namentlich in Württemberg, wo es die
meisten Demokraten und die wenigsten Gothaer gibt, durchaus
nichts wissen von „preußischer Spitze" und dergl. Glückselig-
keiten. Aber freilich, in Württemberg trifft man überall bie-
dere, entschlossene, wahrhafte Volksmänner, während die
badischen, verpreußelten Fortschrittsmänner nur maskirte Gothaer
und Auchdemokraten sind. In einer Volksversammlung zu Heil-
bronn wurden am 14. d. M. folgende Resolutionen gefaßt:
„1) Emen Krieg zwischen Oesterreich und Preußen, in welchen es ebenso
wenig den übrigen Staaten Deutschlands möglich wäre, neutral zu bleiben,
als sich die Einmischung des Auslandes ferne halten ließe, erklären wir für
das größte Unglück, welches unserem Vaterlande widerfahren könnte, und
proieftiren daher gegen einen solchen aus allen Kräften.
2) Wenn aber Preußen denselben beginnt, um seine ganz unberechtigten
Ansprüche auf Schleswig-Holstein mit Gewalt durchzuführen, so fordern wir
von unserer Regierung s daß sie im Vereine mit den übrigen bundestreuen
Staaten ihm mit den Waffen in der Hand entgegentrete und es zu seiner
Pflicht als Glied des deutschen Bundes zurückführe. Indessen erregen uns
die inmitten des preußischen Volkes selbst immer stärker hervortretenden
Kundgebungen die Hoffnung, daß der verblendeten preußischen Regierung auf
ihrem verderblichen'Wege vom eigenen Volke ein Halt zugerufen werde.
3) So fest wir von der Nothwendigkeit und Möglichkeit einer Verbes-
serung der deuttchen Bundesverfassung überzeugt sind, und so sehnlich wir
eine solche in Bälde erwarten, so wenig vermögen wir dem von der da-
maligen preußischen Regierung, welche sowohl in Schleswig-Holstein als
im eigenen Lande Freiheit und Recht mit Füßen tritt, ausgegangenen
Bundesreformvorschlag ein Vertrauen zu schenkend