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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 90-102 (2. August - 30. August)
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Pfälzer

Erscheint wöchentlich 8 Mal: Dienstag
Donnerstag und Samstag.

' für Stadt


Bote

and Land.

Preis: Vierteljahr!. 40 kr. ohne Träger-
lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.A

Dienstag den 7. August

Baden.
* Heidelberg, 1. August. In der gestrigen Verhandlung
vor der Strafkammer in Mannheim gegen unser Blatt suchte
der Staatsanwalt hauptsächlich auszuführen, daß die von uns
gegen die „Gothaer" als Partei gerichteten Angriffe von Staats-
wegen nicht geduldet werden könnten, sondern daß vielmehr
der Staat den Angegriffenen seinen Schutz angedeihen lassen
müsse. Mit Recht aber führte der Verteidiger dagegen aus,
daß die katholische Partei seit Jahren die schwersten Angriffe
von einem Theile der Presse zu erfahren habe, ja sogar der
greise Erzbischof selbst, ohne daß es einem Staatsanwalts bei-
gefallen wäre, für die Angegriffenen Einsprache bei Gericht zu
erheben. Wir können dem noch beifügen, daß uns vor gerau-
mer Zeit sogar ein Erlaß des Justministers Stabel in den
Akten des Ordinariats zu Gesicht gekommen ist, in welchem
geradezu das Einschreiten ver Staatsanwälte bei Preßbeleidigun-
gen, die dem Clerus widerfahren, untersagt war, selbst wenn
die Geistlichen darum ansuchten. Der Staatsanwalt hat ins-
besondere betont, daß eine politische Partei wie die Gothaer
ebenso den staatlichen Schutz als Partei beanspruchen könne
wie z. B. kirchliche Genossenschaften. Wir waren in der That
mehr als erstaunt über eine solch kühne, bis jetzt noch nicht
gehörte Behauptung. Zu den kirchlichen Genossenschaften gehört
in unserm Lande die katholische Kirche; sie ist durch die
Verfassung des Landes sogar in ihrem Wesen und Bestand
garantirt. Wo in aller Welt, in Gesetz oder Verfassung, ist
aber irgend eine den Bestand der gothaer Partei garantirende
Bestimmung enthalten? Wer ist die sog. gothaer Partei, wer
vermag sie zu definiren, wer die dazu gehörenden Persönlich-
keiten genau anzugeben, zumal da selbst im Geruch des Gothais-
mus stehende Zeitungen, wie das Heidelberger Journal, wieder-
holt den Vorwurf des Gothaismus abgewiesen und den Bestand
einer festen Partei dieser Art entschieden in Abrede gestellt hat-
ten? Oder hat die gothaer Genossenschaft sich vielleicht durch ihre
Statuten, wie sie doch alle politischen und kirchlichen Vereine
nöthig haben, bei Amt legitimirt? Und selbst wenn eine Le-
gitimation vorhanden wäre, was, wie man weiß, nicht der Fall
ist, muß da die angegriffene Gesellschaft nicht wie die andern
Vereine auch durch eine Privatklage sich selbst Genugthuung
verschaffen? Was sollte auch der Staat damit Zu schaffen
haben? Indessen wollen wir diese Bemerkungen in Betreff
der Gothaer nicht weiter spinnen, obgleich wir gar Manches
noch auf dem Herzen hätten, weil die gegenwärtigen Zustände
der Presse — besonders was die Drucker betrifft, — nicht darnach
angethan sind, eine freimüthige Kritik als rathsam erscheinen
zu lassen. — Von Seiten des großherzoglichen Staats-
anwaltes sind uns ferner aus einer Notiz über eine an-
gebliche Reise Ihrer Königl. Hoh. der Frau Großherzogin nach
Berlin schwere Vorwürfe gemacht worden. Er behauptete sogar,
daß diese Notiz in Form einer Originalcorrespondenz erschienen
fei. Wir hielten es in der That nicht für nöthig, diesem An-
griff auch nur die leiseste Entgegnung gegenüberzuftellen, da wir
— denn Originalcorrespondenzen pflegen, wie jeder Zeitungs-
leser weiß, mit einem besonderen Zeichen versehen zu sein, was
hier nicht der Fall war — die betreffende Notiz dem Mannhei-
mer Journal, einem großh. Amtsverkündigungsblatte, entlehnt
hatten, das selbst wieder die Nachricht der „Europe" entnommen
haben mag. Dem Mannheimer Journal ist unsres Wissens kein
Leid geschehen. Wenn aber der Staatsanwalt uns einen Vor-
wurf daraus machte, daß wir keine Rücksicht auf die Berichtig-
ung der Karlsr. Zeitung genommen hätten, so hätten wir ihm,
wenn es uns der Mühe werth gewesen wäre, durch eine Be-
scheinigung der Postbehörde nachweisen können, daß wir damals
noch nicht, sondern vielmehr erst seit dem 1. Juli d. I. die
Karlsr. Zeitung bestellt haben, weil in diesem officiellen Blatte
von jeher nichts Wesentliches zu stehen pflegt und erst seit den
Kriegsereignissen der Zeitung in so fern eine gewiße Bedeutung

beizulegen ist, als die andern badischen Blätter genöthigt wur-
den, zur Vermeidung der Verwirrung ihre Kriegsberichte aus
jener untrüglichen Quelle zu schöpfen. Wir gedenken aber jetzt
das Blatt auch nach dem Kriege fortzuhalten, weil wir uns seit
der Lektüre der Karlsruherin von der Wichtigkeit der Hofnach-
richten, die der Herr Staatsanwalt uns ganz besonders warm
an's Herz gelegt hat, in unsern Verhältnissen vollständig über-
zeugt haben. Wer hätte das gedacht, daß wir in unsern alten
Tagen noch derartige schwierige Studien zu machen genöthigt
wären!
(D Heidelberg, 5. August. Das in unsrer Stadt liegende
Landwehrbataillon des 70. preußischen Infanterieregiments gehört
der Gegend von Saarbrücken und Trier an. Es sind bereits
ältere Leute, meist Familienväter, die sich durch ihre treffliche
Mannszucht und ihr freundliches, bescheidenes Wesen allgemeine
Anerkennung erwerben. Gute Katholiken, wie die Bewohner jener
preußischen Landestheile sind, haben sie heute in großer Zahl dem
Gottesdienste angewohnt. Auch im häuslichen Kreise versäumen
diese tapfern Krieger niemals, den Vorschriften ihrer Kirche in
ausgedehntester Weise nachzukommen. Die an Zahl weit schwächeren
Bekenner des protestantischen Glaubens in diesem Landwehr-
bataillon werden uns ebenfalls als Freunde einer streng kirchlichen
Richtung gerühmt. Die Rückwirkung auf manche Kreise unserer
Bevölkerung kann in dieser Beziehung nur von günstigen Folgen
begleitet sein.
-fff Bruchsal, 4. August. Schon mehrmals hat der Bote
Beiträge zur Sittengeschichte des Kraichgauboten mitgetheilt. Sie
haben den Beweis geliefert, mit welcher seiltänzerischen Gewandt-
heit der Edle mit Recht und Wahrheit umzuspringen d. h. seiner
höhern Mission, Gesittung und Bildung im Brurhein zu ver-
breiten, nachzukommen weiß. Wie vorauszusehen war, haben die
großen politischen Ereignisse ihm aufs Neue Gelegenheit geboten,
eine solche Ueberfülle von Consequenz und Charakterfestigkeit zu
produciren, daß wir nicht umhin können, unsern Lesern eine kleine
Blumenlese aus ihm als psychologische Studie vor Augen zu halten.
In Nr. 74 läßt sich der Kraichgaubote über den Grafen Bismarck also
vernehmen: „Den Urheber dieser Greuel brauchen wir nicht mehr
zu nennen. Es ist derselbe Mann, den wir seit Jahren schon
als den Frevler am eignen und deutschen Volke bezeichnet haben,
der sich im Sessel wiegend die allzu geduldigen Abgeordneten
verhöhnte und mit Junkerübermuth die Blut- und Eisenpolitik
lange vorher schon proclamirte, ehe er das Lügengewebe begann,
das diesen: unseligen Bürgerkrieg vorherging. Jahre lange Un-
terdrückung der Verfassung, Vergewaltigung der Herzogthmner zum
Zweck ihrer Annexion, verrätherisches Bündniß mit dem
Ausland und endlich ein Bundesreformplan, der Deutschland
zertheilt Hütte, das sind die Thaten dieses Manns, der nun ganz
Deutschland zum Tummelplatz seiner Junkerpartei gemacht hat."
Nachdem der Kraichgaubote noch das Ränkefpiel besprochen, wo-
durch Bismarck schon un vorigen Sommer zu Biarritz Preußens
Bündniß eingeleitet und Oesterreich zum Gasteiner Vertrag ge-
nöthigt habe, fährt er mit „sittlicher Entrüstung" gegen Preußen
also fort: „Den Urheber und Anfang des Bruderkrieges kennen
wir, sein Ende kennen wir nicht, können es sogar kaum vermuthen.
Ein mächtiger Bundesgenosse aber steht auf unserer
Seite: Das Recht, das in Preußen und Schleswig-Holstein,
in ganz Deutschland von jener freiheitsfeindlichen, gewaltthäügen
Politik nut Füßen getreten worden. Dieses unverjährbare Recht
wird das deutsche Volk auch im Kriegslärm nicht vergessen."
Selbst nach der Schlacht von Königgrätz verleiht der Bote des
Kraichgau's der geschlagenen Sache noch beredte Worte: „Wir
senken die schwarz-roth-goldene Fahne nicht vor dem Banner recht-
loser Gewalt .... von den Alpen bis zur Nordsee wird das
deutsche Volk fein unverrückbares Ziel verfolgen."
Wer sollte es nun für möglich halten, daß nach solchen
Worten der Kraichgaubote noch Ausdrücke findet, um den An-
schluß an denjenigen Staat zu befürworten, „von dem man noch
 
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