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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 116-128 (2. Oktober - 30. Oktober)
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* „I. Venedey an Prof. Heinrich v. Treitschke."
Unter dieser Ueberschrifi ist unlängst eine von vielen Blät-
tern erwähnte Schrift des bekannten alten Demokraten bei
Schneider in Mannheim erschienen, aus der wir gerne bereits
unfern Lesern einige Auszüge gebracht hätten, wenn nicht der
uns so knapp zugemessene Raum im Interesse näher liegender
Parteisachen bisher völlig in Anspruch genommen gewesen wäre.
Denn die Schrift Venedey's, eines Mannes, der uns sonst ge-
wiß noch keine Ursache zum Lobe gegeben hat, verdient fleißig
gelesen zu werden: sie ist ächt patriotisch, mit schlagenden Grün-
den und warm von Herzen geschrieben.
Hören wir sofort den Eingang, wobei namentlich der schänd-
liche Hohn des tauben Treitschke auf die Blindheit des armen
Königs von Hannover meisterhaft an den Pranger gestellt wird.
„Zwei Aeußerungen in Ihrem letzten Schriftchen, Herr
Professor, haben bei mir den Anstoß gegeben zu den folgenden
Blättern.
Die eine dieser beiden Stellen heißt:
„„Es thut Roth, daß die alte deutsche Wahrhaftigkeit wie-
der zu Ehren gelange in dieser neuen Zeit. Im Namen deut-
scher Redlichkeil protestiren wir dagegen, daß die fratzenhafte
Lüge.auf dem Boden des neuen Deutschlands geduldet
werde.""
Nun ist diese Stelle zwar gegen „die fratzenhafte Lüge
legitimistischer Huldigungen" gerichtet; aber Lüge ist Lüge,
einerlei, ob dieselbe im Namen „der alten Legitimität" — die
Herr voll Bismarck demFrankfurter Parlamente gegenüber zur
Schau trug, oder der „neuen Revolution", die Herr Graf von
Bismarck über Deutschland herabgeschworen hat, sich fratzenhaft
breit macht, unverschämt der Wahrheit und der Weltgeschichte
in's Gesicht schlägt.
Es thut Noth, daß die alte deutsche Wahrhaftigkeit gegen
diese neue deutsche Lügenhaftigkeit wieder zu Ehren gelange.
Das ist die Ursache, warum ich gegen Sie, Herr Heinrich
von Treitschke, der Sie im Namen der alten deutschen
Wahrhaftigkeit gestern für das Recht und heute für die Gewalt
mit der „neuen deutschen Lüge" zu Felde ziehen, die Feder
ergreife.
Die andere Stelle, welche mir diese nicht gerade sehr an-
genehme Pflicht erleichtert, heißt:
„„Wenn die Blindheit, statt die Seele des geschlagenen
Mannes zu adeln und zu vertiefen, ihm selber eine Quelle

der Lüge und des Hochmuths wird, dann ist es sündlich, des
Blinden zu schonen.""
Sie denken dabei freilich an den armen blinden König
Georg von Hannover. Ich denke aber an den tauben Junker
im Professorrocke, genannt Heinrich von Treitschke. Diesen
Letzteren, nach den zwei Schriftchen, die vor mir liegen, länger
zu schonen, scheint mir „sündhaft", wie groß auch sonst mein
Mitleid mit dem tauben Manne sein mag, der wie alle Taube
verbissen und mit der Welt zerfallen, wohl sieht, ums der blinde
König nicht sehen kann, aber nicht hört, was dem blinden
König eingeflüstert ward. Die „Lüge und den Hochmuth" be-
kämpfe ich, wo ich ihnen begegne; dem „Tauben" würde ich
sie verziehen haben, wenn er dem blinden Unglücklichen gegen-
über mich nicht belehrt hätte, daß es Fälle gibt, in denen es
„sündhaft" ist, den Tauben zu schonen."
Venedey fährt dann fort, auf schlagende Weise dem tau-
ben Professor alle Jnconsequenzen nachzuweisen, die derselbe,
wie freilich gar viele aus der abgeschlossenen Zunft der Kathe-
derweisen, sich in seinen politischen Doctrinen hat zu Schulden
kommen lassen. So hatte der Mann der Forstculturgeschichte
im Jahre 1864, wie alle ordentlichen Leute, für Schleswig-
Holstein geschwärmt und die Einverleibung dieses deutschen
Schmerzenskindes in Preußen für „unausführbar" erklärt, im
Jahre 1865 dagegen schon ein Büchlein vom Stapel gelassen,
in welchem gerade umgekehrt „die Annexion" des Bruderstam-
mes verlangt wird. So rasch hat Herr v. Treitschke seine Ueber-
läuserei in's feindliche Lager vollzogen, so rasch ist er dazu
übergegangen, den freien Mann zu verlüugnen, um die nackte
Gewalt und den Cäsarismus Bismarck's anzubeten. Ebenso
lehrte Treischke im Jahre 1864 noch, daß Macht und Recht
bleiben müsse, während er im Jahre 1865 äußerte: „Man
muß den Rechtsboden verlassen;" „es bleibt lediglich die poli-
tische Erwägung übrig." So schwankend sind die Grundsätze
unserer gefeiertsten Kathederhelden, fo erbärmlich die Principien,
die sie für alleinseligmachend ausgeben, um sie bald selbst darauf
mit deren Gegentheil zu vertauschen! Mit Recht ruft daher
Venedey aus: „Ein Mann, der so von einem Jahr zum an-
dern sich selbst aus den Kopf stellt, will uns bereden, den Rechts-
boden zu verlassen, und uns mit seiner „politischen Erwägung"
zur Revolution des Grafen Bismarck zu bekehren! Wer bürgt
dafür, daß die „politische Erwägung" ihn nicht morgen auf
eine Sandbank treibt, wo er vergebens nach dem Ankergrunde
eines Rechtsbodens ausschauend, elend zu Grunde gehen muß."

Einige Notizen über Klöster und geistliche Orden.
Von R. G.
Die fast unglaubliche Masse der Anschuldigungen, Beschimpfungen und
Verleumdungen, die in alter wie in neuer Zeit, in Zeitungen und Romanen,
gegen die katholische Kirche und deren Einrichtungen geschleudert werden,
zwingen jeden Nedlichdenkenden, die Sache genauer zu untersuchen, und in
feinem Kreise dahin zu wirken, daß auch der gemeine Mann einsieht, von
welchen Gegnern gegen seine Kirche und deren Anstalten gekämpft, und
besonders mit welchen Waffen dieser Kampf geführt wird.
Zwar ist jeder unparteiische Gebildete jetzt mehr oder weniger von der
Unwahrheit der meisten dieser Beschuldigungen überzeugt und weiß auch
recht wohl, mit wefseu Hirngespinnsten er es zu thun hat, wenn ihm eine
in den buntesten Farben dargestellte Ausmalung begegnet, von dem unnatür-
lichen, den göttlichen und menschlichen Gesetzen zuwiderlaufenden Cölibate,
deix Klöstern, diesen „blödsinnigen Ausgeburten des finstern Mittelalters,
Anstalten, in denen eine schöne Anzahl wohlgenährter Crdensöhne, in einem
durch verjährte Vorurt heile ehrwürdig gemachten Müßiggänge und in tie-
fer Sorglosigkeit über Alles, was außerhalb ihren Gebieten in der physischen
und moralischen Wett vorgeht", unterhalten werden, von der „dummen
Einrichtung der Ohrenbeicht" und deren gefährlichen Folgen für die Sittlich-
keit der Beichtenden — von all diesen Unwahrheiten ist jetzt ein
großer -vheil der Gebildeten völlig curirt. Anders ist es jedoch mit dem
gemeinen Manne, der vielleicht nur die in dein hitzigen, dabei gemeinen
Tone der Fanatiker abgefaßtcn Beschuldigungen gelesen hat, nicht aber die
enyprechenden Entgegnungen, denn leider gibt es auch noch in unserer auf-
geklärten Zeit Leute genug, die Allein, was nur gedruckt ist, unbedingt,
wie dem Evangelium, Glauben schenken. Den dicken Schleier nun, den
protestantische Unduldsamkeit und ungläubiche Schmähsucht über den Horizont

eines Manchen gehüllt hat, in Etwas zu lüften, ist der Zweck der folgen-
den Zeilen.
Es ist schon oft und nicht mit Unrecht, behauptet worden, daß die
Feinde unserer Religion und des positiven Christenthums überhaupt es
häufig unterlassen, die Gesammtkirche in ihrem ganzen Umfange anzugreifen,
sondern sich viel lieber mit aller Gewalt auf einzelne Mitglieder in der
obersten Leitung, den Pabst, diesen oder jenen Bischof mit beso.D'cer Vor-
liebe aber aus die Klöster und klösterliche Einrichtungen stürzen, wie viel-
leicht Mancher unter meinen Lesern in der bekannten badischen Bierzeitung
oder einer Reihe von schmähenden Sudelschriften gesehen hat. Absicht und
Zweck dieser Kampfesweise springt klar in die Augen. Denn, stellen wir
uns beispielsweise einen rechtschaffenen, schlichten Mann aus dem Bürger-
stande vor, der es noch redlich mit seiner Religion und der Wahrheit meint,
würde nun diesem ein Schriftchen in tue Hände kommen, das gleich von
vornherein nur groben Spott und Witz mit den heiligsten Grundwahrheiten
seiner Kirche triebe, so würde er dasselbe wohl alsbald unwillig bei Seite
legen. Anders ist es aber, wenn ein Buch, eine Zeitschrift, nur einzelne
Einrichtungen, wie z. V. die der Klöster, angreist, und noch dazu der Ver-
fasser ein verständiger Kopf ist und seine lügenhaften Beschuldigungen in
hübsche Form, in beißenden Witz, oder in einen spannenden Roman zu
verflechten versteht: mit Heißgier wird dann das süße Gift eingesogen und
verfehlt in den wenigsten Fällen seinen Zweck. Doch zur Sache!
Ich habe oben gesagt, daß unsere Feinde mit besonderer Vorliebe
die Ehre und den guten Namen der Klöster und deren Insassen angreifen,
allein, ich muß gestehen, daß Vorliebe das rechte Wort hier nicht ist, son-
dern der Neid ist es über das segensreiche Wirken in den ersten christlichen
Jahrhunderten, wo von den Klöstern aus, als den einzigen Pflanzstätten
für Kunst und Wissenschaft, der Same des Christenthums immer weiter
und weiter ausgestreut, durch die Errichtung von Schulen die jungen Geist-
lichen herangebildet und überall mildere Sitten eingesührt wurden. Der
 
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