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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 129-141 (1. November - 29. November)
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Pfalzer
Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag. flll

Die Cholera und die christliche Liebe.
Mit Aufmerksamkeit hat Schreiber dieser Zeilen Ihre Be-
richte über die Cholera in Walldürn verfolgt, hat auch aus ,
glaubwürdigem Munde noch manche andere, der Erwähnung >
werthe Dinge in Erfahrung gebracht. Eine Thalsache ist es
hauptsächlich, welche dem ausmerksamen Beobachter bei dieser
sonst traurigen Gelegenheit nicht wohl entgehen konnte, weil
sie offenbar die stärkste und wirksamste Waffe bei Bekämpfung
dieses Feindes des Menschenlebens war, es ist die christliche, es
ist die katholische Liebe!
Sie hat in Walldürn einen Triumph gefeiert! Ich will
dem Boten sagen, warum ich dies behaupte.
Schwer hatte der Bruderkrieg jene Gegend heimgesucht,
die Masse der Truppen hatte die Vorräthe der Lebensmittel in
reichlichem Maße aufgezehrt, der rohere Theil dieser Kriegsvöl- !
ker die ihnen entbehrliche verdorben — nicht genug, als noch
schrecklichere Landplage hatten die norddeutschen Truppen die §
Cholera eingeschleppt und bei ihrem Abzug als trauriges An-
denken hinterlassen. Wo Noth, wo Nahrungssorge herrscht, ist, !
wie allgemein bekannt, der ergiebigste Boden für das üppige
Wuchern einer Seuche wie die Cholera. Wer Walldürn, mit
seinem schlechten Trinkwasser, mit fernen zum großen Theil
engen, niedern Wohnungen kennt, in welchen eine Zur Hälfte,
jetzt wohl zu 2 Drittheilen, arme Bevölkerung wohnt, und sich,
noch die Wirkungen des Krieges dazu denkt, der hätte, als in
der Mitte des August die ersten Cholerasälle vorkamen und der
Ausbruch einer Epidemie zur schrecklichen Wahrheit geworden
war — diesem Städtchen eine bedeutende Entvölkerung, eine
traurige Zukunft Vorhersagen müssen.
Die Noth wurde immer größer, die Erkrankungen immer
zahlreicher, die Aerzte leisteten Tag und Nacht ihre Dienste in
angestrengtester Weise mit großer eigener Lebensgefahr, — sie
wurden zum Theil selbst krank und waren kaum mehr im
Stande, aus die Dauer körperlich auszuhalten. Daß der Herr
Oberamtmann schon sehr frühzeitig, wie man las, schon vor
der Cholerazeit aus Gesundheitsrücksichten in Urlaub ging, ist
bekannt. Ein Landescommissär erschien unseres Wissens damals
nicht in dem durch die Epidemie heimgesuchten Landestheil, wie
es unmittelbar nach dem Kriege der Fall war; ein höherer
Sanitätsbeamter ebensowenig. Der Schrecken war so groß,
daß man sich vor den Kranken, der Ansteckung wegen, zu fürch- !
len begann, und sie in Gefahr kamen, sorgfältiger Pflege zu
entbehren. DaS war die Lage Walldürns, so groß die Noth,
fern, wie es schien, die Hoffnung auf Hilfe! Gleichwohl kann j

ich versichern, es wäre durch alle möglichen Commissäre und
Büreaukraten nicht zu helfen gewesen, sie waren deßwegen auch
überflüssig — über all' solcher Hilfe stehen die Leistungen
der christlichen, der katholischen Liebe.
Sie fand ihren Ausdruck zunächst in der Bildung eines
Hilfscomitäs unter der Leitung des für Walldürn für alle
Zeilen unvergeßlichen Pfarrverwesers Diez, welcher für Herbei-
schaffung von Unterstützungen an Geld und Lebensmitteln aus
den übrigen Landestheilen rasche und — der Opferwilligkeit
der Mitbürger sei es gedankt — auch erfolgreiche Schritte that.
So war es keine auferlegte Amtspflicht, es war die christliche
Liebe, welche so schnell und so reichlich die passenden Lebens-
mittel für Gesunde und Kranke aufb.rachte, und ich glaube, die
Aerzte werden es gerne bestätigen, daß die Errichtung der Vor-
rathskammer fast so viel Werth hatte, wie die wirkliche Apotheke.
Der Mittelpunkt dieser Thätigkeit, das Pfarrhaus, war darum
so recht eigentlich der Mittelpunkt, von welchem die Strahlen
der christlichen Liebe über die ganze Gemeinde sich verbreiteten.
Und die Furcht vor der Ansteckung, die daraus ent-
springende schlimme Aussicht sür die hilflosen Kranken, fort-
währender eifriger Pflege entbehren zu müssen, wer hat sie ver-
scheucht, wer hat den Weg zu den Unglücklichen gangbar gemacht?
Abermals die christliche katholische Liebe! Die Schwestern
von Niederbronn, die Töchter des hl. Franziskus — sie kann-
ten keine Gefahr, sie waren Tag und Nacht furchtlos im Dienste
der Kranken, — sie sind in Wahrheit die unerschrockene Avant-
garde der christlichen Liebe! Zeugen waren wir, Zeuge ist der
ganze bewohnte Erdkreis!
Aus den Zahlen, welche auch der Bote früher mittheilte,
sieht man, daß — die Hunderte leichtere Erkrankungen außer
Betracht gelassen und nur die schweren gerechnet — beiläufig
nur ein Drittel der Schwerkranken starb. Wie Sachverständige
versichern, stirbt durchschnittlich die Hälste der Cholerakranken,
und erschreckende Stcrblichkeitsverhältnisse haben wir in der
letzten Woche namentlich aus Berlin gelesen; — ist es nicht
naheliegend, nein ich sage, es ist gewiß, daß die verhältniß-
mäßig kleinere Zahl der Sterbesälle in Walldürn das Ergebniß
all' jener Thätigkeit der Geistlichen, Aerzte, Schwestern und
übrigen für das Unglück mitfühlenden Bewohner ist, welche
oben als die christliche, als die katholische Liebe be-
zeichnet wurde.
Kann man darum nicht mit vollem Recht behaupten, in
Walldürn hat die christliche Liebe einen glänzen-
den Triumph gefeiert?

Ein braves Weib.
(Einsiedler Kalender von 1867.)
Hubert war ein hübscher, gesunder Bursche. Jugend und Gesundheit
waren aber auch seine einzigen Schätze, denn das kleine Gütchen, das er von
dein Vater ererbt hatte, wollte nicht viel bedeuten. In guten Jahren tonnte
er darauf kaum eine Kuh halten und erntete nur so viel, wie er eben be-
durfte. In schlechten Jahren warf es nicht so viel ab und Hubert, wenn
er sein Bischen Acker bestellt hatte, mutzte auf Taglohn gehen, um neben-
bei noch einen kleinen Verdienst zu haben; denn auf dem Gütchen lasteten
auch noch ein paar hundert Thaler Schulden und die Zinsen mußten pünkt-
lich an den Rentanten des gestrengen Herrn Barons bezahlt werden oder
Hubert konnte sicher sein, daß er unbarmherzig gepfändet wurde. Er
muhte das, aber im Grunde kümmerte es ihn nicht viel, denn noch hatten
ihm die wenigen Thaler nie gefehlt, auch in den schlechtesten Jahren nicht.
Schlimmsten Falles fand er immer Arbeit für seine kräftigen Arme und
die Arbeit wurde ihm leidlich bezahlt, weil er fleißig und gewissenhaft war.
So lebte er ziemlich sorglos, bis er eines Tages während der Ernte
die Johanna erblickte, wie sie mit andern Mädchen auf den Feldern des
Barons Garben band. Vorher hatte er sie noch nicht gesehen, denn sie
gehörte in ein benachbartes Dorf und war zum ersten Male herübergekom-
men, um in der Erntezeit, wo alle Hände willkommen sind, ein paar Groschen
zu verdienen. Die Sense über der Schulter schaute ihr Hubert lange zu
und freute sich, wie ihr alles so stink und geschickt von Händen ging. Keine
acht Tage verflossen, da wußte das ganze Dorf, Hubert und Johanna
seien ein Liebespaar, und wirklich vier Wochen nachher, als die Ernte zu
Ende war, gab's eine Hochzeit im Dorfe.
Manche schüttelten wohl den Kopf darüber und meinten, das würde

kein gut Ende nehmen, denn die Johanna habe doch auch weiter Nichts,
als was sie auf dem Leib trüge; aber die jungen Eheleute ließen sich das
wenig kümmern. Sie hatten einander lieb, sie waren gesund und
stark, Lust zur Arbeit fehlte ihnen auch nicht — ei, da würde ja der liebe
Gott helfen, meinten sie.
Und Gott half auch wirklich manches Jahr, obgleich unter Mühen und
Sorgen. Die Familie wurde größer — ein hübscher Knabe, dann ein nied-
liches kleines Mädchen vermehrten die Freuden, aber auch die Lasten der
Eheleuten. Sie empfanden indessen nur die Freude , und arbeiteten mit
doppeltem Eifer. Hubert bereute es nie, daß er Johanna nicht mehr aus
dem Dorfe fortgelass en hatte, denn sie war ihm immer ein rechtschaffenes,
braves Weib gewesen, immer freundlich, immer unermüdlich, immer sich
aufopfernd für ihren Manu und ihre Kinder. Ihr froher, genügsamer
Sinn hals ihr leicht über alles Schwere hinweg. Aber da kam das Schwerste.
Mißjahre traten ein — das Brod wurde theuer und die Felder trugen
wenig Korn. Hubert und Johanna litten viel bei der allgemeinen Noth,
aber sie duldeten schweigend und verdoppelten ihren Fleiß. Hubert erkrankte,
daß er wochenlang unfähig war zur Arbeit. Johanna verlor den Muth
nicht, sondern arbeitete für Zwei; das ertrug sie Alles, das war das
Schlimmste nicht. Aber das wnr's, daß der Rentant des gnädigen Herrn
Barons ein Auge auf sie geworfen;, denn trotz aller Mühen und Ent-
behrungen war Johanna noch immer ein schönes Weib, das schönste im
Dorfe und selbst in der Umgegend. Schon längst hatte er ihr schimvfliche
Anträge gemacht und war von dem tugendhaften Weibe strenge abgewiesen
worden. Später aber, da er zudringlicher wurde, da hatte sie ihm ein
paar Ohrfeigen gegeben, daß die Backen des Herrn Rentant so dick ge
schwollen waren, daß alle Leute glaubten, es sei von Zäbnschmerzen.
(Forts, folgt.)
 
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