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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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Ein Bauer an den Boten.
Da ich weiß, daß der Bote ein Herz für die Lage der
Bauern hat, so will ich ihn: Einiges mittheilen. Doch muß
ich gleich von vorn herein bemerken, daß ich vom Schul- und
Kirchenstreit nicht reden will, weil ich dieses Gebiet geübteren
Federn überlasse. Ich will von dein reden, was dem Bauern
jetzt vorzugsweise am Herzeu liegt, nämlich von der Landwirth-
schaft.
Meine Gemeinde zählt nicht Zu den schlechtestes der Pfalz,
ihre Bodenverhältnisse sind gut, ihre Bevölkerung ist rührig;
doch enthält sie auch eure Anzahl Projectenmacher und tägliche
Wirthshaussitzer. Werin ich nun öfter in der: Zeitungen lese,
daß die volkswirthfchaftlichen Zustände in Baden so außerordent-
lich blühend sind, daß der Wohlstand immerwährend zunimmt,
daß der „Fortschritt" hier, wie in keinen: andern Lande vor-
handen ist, so kommt mir dies ost als Hohn von Dintenklexern
vor, die niemals in die Stube, in den Stall und in die Scheuer
des Bauern ihren Fuß gesetzt haben, und weil sie durch unnütze
Zeitungsschmicrerei einiges Geld verdienen, den Leuten in der
Stadt und am Sitze der Regierung etwas vorschwindeln, was
dann urn so lieber geglaubt wird, als es sachdienlich benutzt
werden kann. Dem: wenn eS sich um kostspielige Neuerungen
handelt, heißen sie Organisationen, Beamtenzulagen, Baracken-
lager, Gesandtschaften u. s. w., da sagt man stets: „das Volk
ist reich und kann es ertragen", „der Handel und Wandel
blüht." Lieber Bote, komm einmal aufs Land heraus und sieh
Dich etwas näher um, wie es hier steht. Da wirst Du zuerst
finden, daß der Bauer in neuester Zeit wieder Hypotheken
machen muß auf seine Grundstücke, daß er im Rückstand mit
seinen Pachtgeldern ist, daß er seinen Viehstand verringern,
daß er für sich und seine Familie große Einschränkungen machen
muß. Willst Du es aber nicht glauben, so frage den Gerichts-
vollzieher; der wird Dir sagen, daß er noch niemals in den
letzten Jahren so viele Auspfändungen hat vornehmen lassen,
als Heuer; frage den Kaufmann in der Stadt, der Dir die
Versicherung geben wird, daß der Bauer sehr wenig einkauft;
frage jeder: andern Gewerbsmann, der Dir darüber klagen wird,
daß der Bauer überall spart und nur dort etwas ausgibt, wo
es unumgänglich nothwendig ist. Auch die Auswanderung nach
Amerika, die in diesem Jahr noch zunehmen wird, weist auf die
kläglichen Verhältnisse des Bauern hin.
- Ich beschwere mich nicht über allzuhohe Staatssteuern, ich
gestehe auch zu, daß der Staat gar Vieles thut und ausgibt,
was den: Bauern zu gut kommt, ich will mich auch nicht über
allzuhohe Gemeindeumlagen beschweren, obwohl ich manche Ein-
schränkung in unfern: Genwindehaushalt gerue sehen und vor
Allen: die neuerdings hochgestellten Gebühren für die Gemeinde-
räthe und Bürgermeister wieder auf den früheren Stand her-
abgesetzt haben möchte; denn die Gemeindestellen bleiben sonst
nicht nwhr Ehrenämter und sinken allmählich so weit herunter,
daß sich nur diejenige:: darum bewerben, welche Geld verdiene::
wollen. Aber ich klage darüber, daß das Grundeigenthun: zu
hoch in: Preis steht und daß gar häufig die sog. todte Hand
bei::: Verkauf von kleinen Parzellen als Eoncurrent auftritt;
ich klasse über die hohen Pachtpreise, die unerschwinglich sind
und in keinen: Verhültniß mit dem Ertrage stehen. Aus diesen
Gründen wäre es auch sehr zu bedauern, wenn die neue Kata-
strirung eine Erhöhung der Steuerlast mit sich bringen würde.
Was den Betrieb der Landwirtschaft in der Pfalz anbe-
langt, so habe ich öfters darüber nachgedacht, ob der Frucht-
bau oder der Bau von Handelsgewächsen vorzuziehen fei. Man
sollte hierüber einmal gründlich die Meinungen austauschen.
Gewiß würde dann dazu beigetragen, daß der Bauer seine Lage
besser kennen lernt. Ich habe Jahre lang Handelsgewächse ge-
baut und kann a:rs Erfahrung reden. Früher habe ich es mit
dem Reps versucht, aber ich habe gefunden, daß dieser Bau
einer Lotterie gleicht, die Einem manchmal einen schönen Ge-

winn, weit öfter aber eine Niete bringt. Dann ging ich zum
Tabaks- und neuerdings zum Hopfenbau über. Derselbe hat
mir allerdings sehr schöne Erträge und auch ein schön Stück
Geld gebracht, doch bin ich oftmals zu kurz gekommen, wenn
ich meine Berechnung genau angestellt habe. Der Bauer kann
auf zweierlei Weise rechnen: einmal, indem er die Arbeit von
sich und seiner Familie nicht in Anschlag bringt; dann aber —
und zwar richtiger — indem er diese Arbeit im Berechnung
zieht. Zu dieser letzteren richtigeren Art der Berechnung bin
ich gekommen, seitdem meine Kinder herangewachsen sind und
ihr eigenes Geschäft gegründet haben. Ich mußte daher zn
, Tagelöhnern greifen, und sehe nun ein, wie viel diese nament-
lich beim Tabaksbau kosten. Es würde mich zu weit führen,
wenn ich die Kosten für die Vorbereitung des Ackers, für die
Bestellung, für den Samen, für die Erndte, für das Aufhängen
des Tabaks hier näher angeben wollte. Jeder Bauer kann sich
in dieser Beziehung feine Rechnung selber machen.
Meine Ansicht geht nun dahin: Wenn der Mehraufwand
an Zeit, welchen die Handelsgewächse gegenüber dem Fruchtban
erfordern, für andere Zwecke verwendet würde, so dürfte der
Bauer beim einfachen Fruchtbau mehr gewinnen. Der Frucht-
bau ist bekanntlich nicht so sehr wie jener der Handelsge-
i wüchse dem Zufall der Witterung unterworfen, man kann in
in der Pfalz durchschnittlich auf eine gute, mindestens auf eine
2.3 Erndte rechnen. Ebenso wenig sind die einzelne): Frucht-
gauungen den großen Schwankungen im Handel ausgesetzt.
Der Fruchtbau erfordert nur für gewisse Zeiten eine besondere
Thätigkcit. Wenn nun die dabei gewonnene Zeit von der
Familie des Bauern für gewisse gewerbliche Zwecke verwenden
wenn ferner der Familienvater irgend ein Handwerk, woran
auf dem Lande noch vielfach Mangel ist, betreiben würde, so
müßte durch eine solche vereinigte Thätigkeit meiner Meinung
nach eine viel höhere Einnahme erziehlt werden, als wie der
vorzugsweise Bau von Handelsgewächsen zuläßt. Dieser mein
Vorschlag dürfte in der Pfalz um so beherzigenswerter sein,
als wir viele Genwinden besitzen, deren Bevölkerung groß ist
und den Betrieb von mancherlei Gewerben empfiehlt. Ich wünsche,
daß sich Stimmen über diesen meinen Vorschlag aus dem Bauern-
stand vernehmen lassen. *
—n . Ein pfälzer Bauer.

Baden.
* Heidelberg, k8. Jan. Wir ersehen aus dem Mainzer
Journal, daß der Herr Bischof von Mainz als dritte
Schrift des Frankfurter Broschürenvereins den neuen verhäng-
nißvollen Satz: „Das Gesetz ist das öffentliche Gewissen" be-
leuchten wird. Die Schrift ist bereits im Manuscript vollendet
und wird sofort gedruckt werden.
Mannheim, 13. Jan. Das großh. Oberhofgericht hat
das Urtheil des großh. Kreisgerichts Lörrach, durch welches
. Pfarrverweser Haas von Inzlingen der Gefährdung der öffent-
lichen Ruhe und Ordnung für schuldig erklärt, und Hierwegen
zu einer Gefängnißstrafe von 4 Wochen und zu einer Geldstrafe
von 50 fl. verurtheilt worden — auf die von seinem Vertheidi-
ger Di-, v. Waenker erhobene und heute gerechtfertigte Nichtig-
keitsbeschwerde aufgehoben und den Angeklagten freigefprochen.
(Bad. Beob.)
/I Bruchsal, 15. Jan. Die Heidelberger Zeitung hat
m Nr. 11 einen hochtrabenden, offenbar von einem Schulmeister
> herrührenden Artikel über die Leistungen des Staates für milde
' Fonds und Armenanstalten gebracht. Wir sind im Zweifel, ob
! wir diesem Artikel das Prädicat höheren Blödsinnes oder etwas
j Anderes beilegen sollen. Nach demselben soll sich der Gesammt-
aufwand der Staatskasse für milde Zecke auf 380,861 fl. jähr-
! lich belaufen; dann heißt es aber wörtlich also: „Von der an-
j gegebenen Summe werden nun für verschiedene milde Fonds
und Armenanstalten des Landes verwendet 98,344 st." Dem
 
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